Köln | Es ist die berühmt berüchtigte Kölsche Selbstverliebtheit. Stimmung und Emotion werden durch Bilder und kölsche Medien hochgejazzt und münden am Ende in der Krönung Kölscher Seligkeit: Kölsch Jeföhl. Und allen denen, die jetzt sagen, ach ja so isses schön, denen sei gesagt, dass es ab und an gut wäre, auch in Köln Wahrnehmung und Realität übereinander zu bringen. Vor allem in der Kölner Stadtverwaltung. Dann wäre die Niederkunft in der Realität nicht ganz so brutal.
Am Freitag war also der Elfte im Elften in Köln. Die „Tagesschau Online“ schreibt „Stadtbahnverkehr eingestellt – Chaos beim Karnevalsauftakt in Köln.“ Nun macht dieser Kommentar etwas, was in Köln schwierig ist: Schauen wir einmal auf die reale Realität in Köln:
• Es ist Freitag, 11.11.2022
• Es ist ein normaler Arbeitstag
• Rund 100.000 Menschen feierten gestern Karneval in Köln
• Das wären, wenn nur Kölner:innen feiern würden, rund 10 Prozent der Kölner Bevölkerung
Das bedeutet rund 900.000 Kölner:innen haben gestern nicht Karneval gefeiert. Das ist Realität. Medial, aber auch von der Stadtverwaltung, der Kölner Oberbürgermeisterin Henriette Reker, wird ein gänzlich anderes Bild vermittelt.
100.000 feierten gestern, aber eben nicht nur Kölner:innen, sondern viele Menschen aus der Region oder ganz Deutschland.
2019 hatte Köln 1,068 Millionen Einwohner. Das bedeutet gestern feierten die meisten Kölner:innen nicht. Viele sind auch überhaupt nicht jeck.
Wer am Freitag etwa an einem normalen Freitag in Weiden arbeitete und ab 18 Uhr mit der Stadtbahnlinie 1 nach Hause ins rechtsrheinische Köln fahren wollte, der hatte Pech. Die Kölner Verkehrsbetriebe fuhren einfach nicht mehr. Sie waren nicht in der Lage, ihren Betrieb aufrecht zu erhalten, obwohl weniger als 10 Prozent der Kölner bei der städtischen Sause mitmachten. Weil die Landespolizei NRW und die Stadtverwaltung Köln nicht die öffentliche Ordnung garantieren kann.
Zülpicher Straße
Ja, der Stadtbahnverkehr auf der Linie 9 wurde gestern, wie in den Jahren zuvor, schon ausgesetzt. Aber damit war es eben gestern nicht getan. Auch die Linien 1 und 7 fuhren nicht. Auch der Betrieb in den Stadtbahntunneln war gestört.
Die Sperrstellen an der Zülpicher Straße waren nur unter massivem Polizeieinsatz zu halten. Kritiker sagen das städtische Konzept funktionierte nicht. In NRW ereignete sich das Loveparade Unglück. In Korea starben erst kürzlich bei Halloween-Feierlichkeiten Menschen.
Es gibt Arbeitsgremien, Räte zwischen Polizei und Stadt, runde Tische mit dem Karneval und und und. Vielleicht wäre es ratsam, sich einmal mit der Realität auseinanderzusetzen. Und noch ein Hinweis: Es ist prima, dass so viele Menschen nach Köln kommen und feiern wollen. Denn diese Menschen bringen Umsatz und Geld mit. Zur Realität, die weder der organisierte Karneval noch die Stadtoberen im Bötchen Vaterstädtisches Fest sehen wollen, gehört, dass ihr Separatismus a la „die feiern ja gar keinen richtigen Kölschen Karneval“ nicht funktioniert. Immer wieder wurden neue Ideen – erinnert sei an das Kölschfest – madig geschrieben und gemacht. Es ist an der Zeit, dass sich Köln ein Konzept – auch und gerade kommerziell – überlegt, wie es mit 100.000 oder bald 150.000 Menschen umgehen will, die einfach mal einen Tag feiern wollen. Ohne dabei Gefährdungslagen herbeizuführen oder die Masse der Kölner:innen im Regen stehen zu lassen, für die Wenigeren, die Party machen wollen. Alternativ wäre zu überlegen, aus dem Elften im Elften einen Brauchtumstag zu machen. Und noch eines: Dieses Mal hätt et noch jot jejangen.
Und da gibt es noch einen Punkt: Überall dort, wo gefeiert wird, wohnen Menschen – Kölner:innen.