Kiew | aktualisiert |  Bei dem Referendum auf der Schwarzmeer-Halbinsel Krim haben sich am Sonntag laut des offiziellen Endergebnisses 96,6 Prozent für einen Anschluss an Russland ausgesprochen. Das gab der Leiter der Wahlkommission auf der Krim, Michail Malyschew, am Montag auf einer Pressekonferenz bekannt. „Die Arbeit der Wahlkommission ist getan“, sagte Malyschew.

9:20 Uhr > Die Wahlbeteiligung lag ihm zufolge bei 83,1 Prozent. Circa 1.274.000 Wahlberechtigte nahmen an dem umstrittenen Referendum teil. Die USA hatten bereits im Vorfeld der Abstimmung angekündigt, das Ergebnis nicht anzuerkennen und Russland mit „raschen Sanktionen“ gedroht. Auch die EU wandte sich geschlossen gegen das Referendum und trat für die territoriale Unversehrtheit der Ukraine ein.

Russischer Vize-Botschafter: Moskau „respektiert“ Votum auf der Krim

Laut des russischen Vize-Botschafters in Deutschland, Oleg Krasnizkij, wird Moskau das Votum auf der Schwarzmeer-Halbinsel Krim respektieren. Ob Russland die Krim aufnimmt, werde man „in den nächsten Tagen“ sehen, sagte Krasnizkij am Montag im Deutschlandfunk. „Das Votum, das Ergebnis des Referendums wird aber respektiert von der russischen Führung.“

Man werde dieses Votum „für den Anschluss an Russland nicht ignorieren“, so der russische Gesandte in Berlin weiter. Die Umstände des Referendums seien außerordentlich gewesen. „Der Auslöser war dieser gewaltsame Staatsstreich, der Umsturz in Kiew und die Entmachtung von Janukowitsch“, betonte Krasnizkij.

Die Sanktionsdrohungen der westlichen Staatengemeinschaft würden in Moskau „ernst genommen“ werden. „Wir finden diese Sanktionen, die uns angedroht werden, kontraproduktiv für die Suche nach einer politischen Lösung der Krise in der Ukraine.“ Russland sei in die Weltwirtschaft integriert, weshalb die Maßnahmen, die Moskau angedroht werden, in Europa „eine neue Krise auslösen“ könnten, warnte Krasnizkij.

20:00 Uhr > Die Bevölkerung der Krim-Halbinsel soll sich in dem umstrittenen Referendum angeblich mit überwältigender Mehrheit für den Beitritt zu Russland ausgesprochen haben. Nach Angaben der örtlichen Behörden stimmten am Sonntag 93 Prozent für den Anschluss. Die Zahlen sollen demnach auf Nachwahlbefragungen basieren, die Wahlbeteiligung soll bei etwa 80 Prozent gelegen haben. Mit ersten Stimmen aus Europa und der Welt.

Die USA hatten bereits im Vorfeld der Abstimmung angekündigt, das Ergebnis nicht anzuerkennen und Russland mit „raschen Sanktionen“ gedroht. Auch die EU wandte sich geschlossen gegen das Referendum und trat für die territoriale Unverletzlichkeit der Ukraine ein. Die muslimisch geprägten Krim-Tartaren, die etwa ein Zehntel der Bevölkerung ausmachen, hatten bereits vorab den Boykott der Abstimmung bekannt gegeben.

Die Wahlberechtigten hatten dabei die Wahl, für einen Beitritt zu Russland oder die Wiederherstellung der Verfassung von 1992, die die weitgehende Autonomie der Region innerhalb des ukrainischen Staatsverbandes bedeutete, zu stimmen. Auch die Kiewer Übergangsregierung hat das Referendum für völkerrechtswidrig erklärt und will das Ergebnis nicht anerkennen.

Proteste auch in Donezk und Charkiw

Im Zuge des Krim-Referendums kommt es in den östlichen und südlichen Landesteilen der Ukraine zu pro-russischen Protesten. In der Stadt Donezk gingen tausende Demonstranten auf die Straße und drangen in das Hauptquartier der Sicherheitskräfte und das Büro des Staatsanwaltes ein. Die Polizei habe nicht eingegriffen.

Die Demonstranten forderten die Freilassung des „Volksgouverneurs“ Pawel Gubarew, der nach dem Sturm des Sitzes der Regionalregierung Anfang März festgenommen worden war. Zudem hissten die Demonstranten russische Fahnen auf öffentlichen Gebäuden. Auch in den Städten Charkiw, Odessa, Lugansk, Saporoschje und Dnjepropetrowsk kam es zu Protesten.

Die Demonstranten forderten ein Referendum nach dem Vorbild der Krim. Das international stark kritisierte Referendum, in dem sich die Bevölkerung angeblich für einen Beitritt zu Russland entschieden, hat die Spannungen in der Region noch einmal stark angeheizt. Außenminister Steinmeier (SPD) kündigte weitere Sanktionen gegen Russland an.

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Stimmen zum Referendum (ab 20:00 Uhr)

Kauder schließt militärische Aktion in Krim-Konflik aus

Unionsfraktionschef Volker Kauder hat eine militärische Lösung der Krim-Krise ausgeschlossen. „In dem Jahr, in dem wir an den Ausbruch des Ersten Weltkriegs vor 100 Jahren denken, dürfen wir uns nicht von Russland provozieren lassen, Methoden des 19. und 20. Jahrhunderts im 21. Jahrhundert anzuwenden“, sagte er der „Welt“. „Es gibt keine militärische Aktion. Wir müssen das politisch lösen.“ Dies werde Zeit und Energie kosten, aber über kurz oder lang werde Russland erkennen, dass es sich selbst isoliere und schade. Kauder nannte Volksabstimmung und Annexion der Krim „völkerrechtswidrig“.

Es gehe „um die Verteidigung unserer Werte“. Es gebe mehrere Stufen von Sanktionen, um auf diesen Schritt Moskaus reagieren zu können. Dazu gehörten zunächst Reisebeschränkungen. „Das hört sich banal an, trifft eine ganze Gruppe von Leuten um Putin unter Umständen empfindlich“, sagte Kauder.

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Klitschko sieht Gefahr von russischer Invasion auch in Ostukraine

Der ukrainische Präsidentschaftskandidat Vitali Klitschko sieht auch in der Ostukraine die Gefahr eines russischen Militäreinsatzes. „Ich bin besorgt, dass die russischen Angriffe gegen die Ukraine weiter gehen werden, auch über die Krim hinaus. Wir sehen, wie vom Kreml gesteuerte Provokateure in Donezk und Charkiv Schaden anrichten wollen. Die Menschen in der westlichen Welt müssen jetzt zusammen stehen und Wladimir Putin klar machen: Bis hierhin und nicht weiter“, schrieb Klitschko in der „Bild-Zeitung“ (Montagausgabe). Klitschko forderte eindeutige Reaktionen zum militärischen Einsatz Russlands auf der Krim. „Der 16. März wird als dunkler Tag in die Geschichte Russlands eingehen. Das, was die russische Regierung mit Hilfe von Separatisten und einem rechtswidrigen Referendum hier durchgeführt hat, ist ein klarer Bruch des Völkerrechts“, sagte Klitschko der Zeitung. Die westliche Welt könne und dürfe den Angriff auf ukrainisches Territorium nicht unbeantwortet lassen. „Heute erwarten wir, dass die EU die schärfsten Sanktionen, die es seit Ende des Kalten Krieges gegeben hat, gegen Russland verhängen wird. Die Krim ist und bleibt ukrainisch.“ Er sei „traurig darüber mitanzusehen, was russische Propaganda angerichtet hat“, erklärte Klitschko. „Hier wurden alle Menschen aus der Ukraine, die für Freiheit gekämpft haben, pauschal als Rechtsradikale dargestellt. Es sind schamlose Lügen, mit denen Russland eine Invasion gegen die Ukraine gestartet hat.“

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Steinmeier kündigt „klare und bestimmte Antwort“ auf Referendum an

Nach der Abstimmung zum Beitritt der Krim zu Russland hat Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) eine deutliche Reaktion der EU angekündigt. „Auf das völkerrechtswidrige Referendum auf der Krim wird Europa eine klare und bestimmte Antwort geben“, sagte Steinmeier der „Bild-Zeitung“ (Montagausgabe). Die Lage sei „hochgefährlich“.

Dennoch müssten sich „jetzt alle Anstrengungen darauf richten, eine weitere Eskalation zu vermeiden. Dafür ist eine OSZE-Beobachtermission der nächste richtige Schritt. Wenn Russland nicht weiteren Schaden anrichten will, dann darf es die sofortige Entsendung einer solchen Mission nicht verhindern.“

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US-Außenminister fordert Abzug russischer Truppen

US-Außenminister John Kerry hat den Kreml am Sonntag aufgefordert, seine Truppen von der Halbinsel Krim abzuziehen. Weiter solle man der ukrainischen Übergangsregierung Reformen ermöglichen, die auch die Rechte von Minderheiten und die Teilung der Macht im Lande betreffen, berichtet die „Washington Post“. Zugleich drohte das Weiße Haus weitere Sanktionen an, die die russische Wirtschaft schwächen und den Einfluss des Landes in der Welt reduzieren könnten.

Weiter werde man das Ergebnis des Referendums auf der Halbinsel nicht anerkennen. Die EU-Außenminister entscheiden am Montag über weitere Sanktionen, die die Einfrierung von Konten und Reisebeschränkungen für russische Regierungsbeamte umfassen könnten. Zuvor hatte die EU die Visa-Verhandlungen mit Russland ausgesetzt, mehrere Nationen blieben Vorbereitungstreffen zum geplanten G8-Gipfel in Sotschi fern.

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Tschechischer Premier ruft zu Besonnenheit auf

Die tschechische Regierung ruft zur Besonnenheit in Europa angesichts des Ausgangs des Referendums auf der Halbinsel Krim auf. „Die Linie von Europa muss einheitlich, ruhig, konsequent und gründlich sein. Keinesfalls darf Europa hysterisch vorgehen“, sagte der tschechische Premierminister Bohuslav Sobotka dem „Handelsblatt“(Montagausgabe).

„Wir sind zusammen mit unseren EU-Partnern der Ansicht, dass das Referendum gesetzwidrig ist und der ukrainischen Verfassung widerspricht.“ Der sozialdemokratische Premier forderte, zumindest die politischen Teile des EU-Assoziierungsabkommen mit der Ukraine bald zu unterzeichnen. „Europa darf der Ukraine aber nur solche Zusagen geben, die auch wirklich umgesetzt werden können“, sagte Sobotka.

Das Referendum will Tschechien nicht anerkennen. „Die einzige Lösung kann sein, dass sich Russland und Ukraine an den Verhandlungstisch setzen“, so der Prager Regierungschef. Eine Aufspaltung des Landes wie im Fall der Tschechoslowakei 1992 in zwei unabhängige Staaten, lehnte der 42-Jährige ab.

„Die damalige Trennung der Tschechoslowakei fand auf legalem Weg statt. Die Entwicklung in der Ukraine hingegen ist eine Verletzung der Verfassung des Landes“, so Sobotka. „Eine Abspaltung bekommt zudem noch militärische Unterstützung durch einen Nachbarstaat, obwohl die russische Minderheit der Krim in den vergangenen Jahren keine Probleme hatte“, sagte Sobotka.

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9:20 Uhr > Krim-Referendum angelaufen

Auf der Krim ist am Sonntagmorgen das umstrittene Referendum über die politische Zukunft der ukrainischen Halbinsel angelaufen. Seit 8 Uhr Ortszeit (7 Uhr deutscher Zeit) dürfen etwa 1,8 Millionen Menschen abstimmen, ob die Krim sich an Russland anschließt oder weiter autonom bleibt und mehr Selbständigkeit erhält. Die Wahllokale schließen nach zwölf Stunden, um 20 Uhr Ortszeit (19 Uhr deutscher Zeit).

Bereits für den Abend wird mit ersten Ergebnissen gerechnet, wobei Beobachter von einem klaren Votum für den Anschluss an Russland ausgehen. Die Gültigkeit des Referendums ist umstritten. Die ukrainische Übergangsregierung, die Europäische Union und die USA haben angekündigt, das Ergebnis nicht anerkennen zu wollen.

Die Verabschiedung einer Resolution im UN-Sicherheitsrat, wonach alle Staaten aufgerufen werden sollten, das Unabhängigkeitsreferendum der ukrainischen Halbinsel nicht anzuerkennen, scheiterte am Samstag jedoch am Veto Russlands. China hatte sich enthalten.

Autor: dts
Foto: Der Status der Krim vor dem Referendum