„Weil es mehr Menschen mit Migrationshintergrund in den Städten gibt, müssen sich kulturelle Einrichtungen wie Museen oder Theater Gedanken machen, welches Programm sie ihnen in Zukunft bieten wollen“, sagte Dortmunds Stadtrat Jörg Stüdemann. Mit dem Appell will der Ausschuss die Städte auffordern, sich ein Programm und Maßnahmen zu überlegen, mit denen Migranten einen Zugang zu kulturellen Einrichtungen finden sollen. Dies soll auch schon bei der kulturellen Bildung von Kleinkindern greifen.

Dazu fordert der Ausschuss  die Städte auf, die kulturellen Vorlieben der Migranten zu untersuchen und auch mehr von ihnen zu ermutigen, sich an der kulturellen Arbeit zu beteiligen. „Bei der Neuaufstellung des Schauspielhauses haben wir das bereits realisiert“, betonte Kölns Kulturdezernent Georg Quander.

Die Landesregierung soll dabei die Städte mit Basis-Informationen zur Klärung eben solcher Fragen unterstützen. Der Wirtschaft kommt nach Wünschen des Ausschusses die Aufgabe zu, die unterschiedlichen kulturellen Wurzeln der Mitarbeiter anzuerkennen und dementsprechend umzusetzen.

“Uns geht es mit dem Appell darum, die Kulturpolitik in den Städten nachzujustieren“, so Stüdemann. Einen Eindruck davon, wie ein kulturelles Programm aussehen kann, bei dem jugendliche Mitwirkende aus zehn Nationalitäten betiligt sind, erhalten die Mitglieder heute Abend schon mal in der Oper: Kulturdezernent Quander präsentiert seinen Kollegen dort Ausschnitte aus der Show Planet Kultur.

Lesen Sie hier den so eben verabschiedeten Appell im Wortlaut:

Kölner Appell

 
Interkulturelle Arbeit in den Städten
Verbindendes suchen, Verschiedenheiten zulassen

 

 

1. Vielfalt in der Stadt ist Tatsache und Chance zugleich
Die kulturelle Vielfalt in der Stadt gründet sich in der Vielfalt der kulturellen Milieus der Einwohner und Einwohnerinnen und deren lebendige Beziehungen zueinander. Unterschiedliche nationale und ethnische Herkunft, Geschlechtszugehörigkeit, Bildungshintergrund, Glaubenszugehörigkeit, personelle Biografie der Bevölkerung kennzeichnen urbane Gesellschaften, die sich ständig in Abhängigkeit von der Migrationsintensität, den wirtschaftlichen und sozialen Entwicklungen, aber auch durch den Dialog untereinander verändern. Damit entsteht eine Vielfalt, die bei mittel- und langfristiger Betrachtung als besondere Entwicklungschance verstanden werden kann. Die weitere Entwicklung dieser kulturellen Vielfalt benötigt Spielräume, die nicht beengt, sondern erweitert werden müssen, um kulturellen und gesellschaftlichen Reichtum durch Vielfalt wachsen  zu lassen.

Es ist Aufgabe der Stadtpolitik, die Vielfalt, insbesondere die kulturelle Vielfalt als Gewinn und Bereicherung für das städtische Leben anzuerkennen und zu nutzen sowie dazu beizutragen, dass sich diese Vielfalt in einem eben so offenen wie aufgeschlossenen Klima entfalten kann. Die Kulturakteure in den Städten sind sich seit jeher ihrer besonderen Verantwortung bewusst, unterschiedliche kulturelle Ausdrucksformen und integrative Angebote in einer offenen Stadtgesellschaft zu fördern und mitzugestalten.

2. Das Grundgesetz als normative Grundlage
Vielfalt in der Stadtgesellschaft bedeutet aber nicht, individuelle oder kollektive Entwicklungsprozesse auch im kulturellen Raum schrankenlos sich selbst zu überlassen. Es bedarf vielmehr einer zentralen normativen Grundlage für ein dauerhaftes gesellschaftliches und interkulturelles Miteinander. Das Grundgesetz stellt das verbindende Element des geordneten und friedlichen Zusammenlebens dar. Es ist der zentrale Orientierungsrahmen für das Zusammenleben aller. Vor diesem Hintergrund ist die Anerkennung verschiedener kultureller Identitäten zu verstehen. Sie bewegt sich im Rahmen der grundgesetzlichen Freiheits- und Bürgerrechte und ist unverzichtbar für die Integrationsbemühungen in Stadt und Land. Dialogfähigkeit und –willigkeit vorausgesetzt, kann auf dieser Basis Toleranz auf der Grundlage von Respekt und Nichtdiskriminierung gegenüber der Vielfalt als kostbares Kulturgut be-zeichnet werden.

3. Interkulturelle Arbeit in den Städten
Sowohl für die Künstlerinnen und Künstler, als auch die Rezipienten besitzen Kunst und Kultur einen Eigenwert und ein Eigenleben. Kunst lebt unter anderem davon, Bezüge herzustellen und aus Altem, Fremden und Anderem Neues zu entwickeln. Die Künstlerinnen und Künstler kennen dabei weniger Grenzen territorialer, ethnischer oder auch sozialer Art. Kunst ist insoweit international und durchaus zunehmend interkulturell, ohne immer integrativ zu wirken.

Das Verhältnis zwischen den lokalen Ausprägungen der Kultur einerseits und einer globalen Kultur andererseits ist durchaus nicht spannungsfrei, weil Kulturen überlagert werden können, wenn sie nicht in Verbindung gebracht werden. Bestehende Ängste der Mehrheitsgesellschaft und der Minderheiten sind ernst zu nehmen. Kommunale Kulturpolitik sollte sich darüber bewusst sein, dass die Menschen in der Stadt im Spannungsfeld von lokalen und globalen Kulturen und ihrer Beziehungen zueinander stehen.

Kommunale Kulturarbeit hat unter anderem den Auftrag, die kulturelle Vielfalt in einem interkulturellen Ansatz zu fördern. Dazu muss sie einerseits die Vielfalt kultureller Ausdrucksformen wahrnehmen und fördern. Den Angehörigen der unterschiedlichen ethnisch-nationalen Gruppen muss die Möglichkeit gegeben werden, sich in der Stadt zu verorten. Dazu gehört die Förderung der Kultur der ethnisch-nationalen Minderheiten genauso wie die Selbstvergewisserung der Bevölkerung der Mehrheiten. Soziale, lokale, regionale und globale Traditionen in allen Kultursparten dürfen andererseits nicht isoliert nebeneinander stehen. Kulturelle Vielfalt ist ohne eine beständig gepflegte dialogische Offenheit kulturpolitisch nicht haltbar. Es sind deshalb möglichst intensive Verbindungen der unterschiedlich ethnisch-nationalen Gruppen herzustellen, die diese Praktiken pflegen. Es geht um die Ausei-nandersetzung mit dem „Anderen“. Interkulturelle Kulturarbeit sollte das Ziel verfolgen, Verbindendes zu suchen und Verschiedenheiten zuzulassen.

In diesem Sinne ist Kulturpolitik Integrationspolitik. Sie ist ein bedeutender Integrationsfaktor, der auf der Ebene der künstlerischen Produktion der sinnlichen, mentalen und intellektuellen Wahrnehmung und Auseinandersetzung arbeitet.

Anlässlich seiner 100. Sitzung am 9. April 2008 appelliert der Kulturausschuss des Städtetages Nordrhein-Westfalen – auch unter Berufung auf die Unesco-Konvention zur Kulturellen Vielfalt – an

– die Städte, der interkulturellen Arbeit in der Kulturpolitik der Städte einen noch größeren Stellenwert einzuräumen. Alle kommunalen Kultureinrichtungen sollten die kulturelle Vielfalt in der Stadt beachten und bei Vergabe- bzw. Budgetentscheidungen berücksichtigen. Kultur- und Bildungseinrichtungen werden angehalten, sich in Programm und Repertoire entsprechend aufzuschließen, weil interkulturelle Lernorte und Vermittlungsprozesse für Kinder und Jugendliche gestärkt werden müssen. Dem in-terkulturellen Dialog kommt bei der Aufstellung von Kulturentwicklungsplänen eine wachsende Bedeutung zu. Eine angemessene Partizipation der Migranten/innen und Minderheiten sollte angestrebt werden.

– das Land, sein Arbeitsfeld „kulturelle Integration“ mit den Städten auszubauen, Basis-informationen zu erheben und spezifische Landesförderprogramme aufzulegen. In die Lehrpläne und Curricula ist das Lernfeld „interkulturelle Kompetenz“ aufzunehmen.

– das bürgerschaftliche Engagement vor Ort und die Wirtschaft, in allen Bereichen Verantwortung für die Förderung kultureller Vielfalt zu übernehmen und in einen interkulturellen Dialog einzutreten.

[Quelle: Stadt Köln]


Nadin Hüdaverdi für report-k.de/ Kölns Internetzeitung