Symbolbild

Berlin | Die Einigungen im zwölfseitigen Sondierungspapier von SPD, Grünen und FDP haben gemischte Reaktionen hervorgerufen. report-K fasst erste Stimmen zusammen.

Grüne Stimmen aus Köln

Die Bundestagsabgeordneten der Kölner Grünen Nyke Slawik, Katharina Dröge und Sven Lehmann mit einem schriftlichen Statement: „Wir freuen uns, dass SPD, Grüne und FDP sich heute auf ein gemeinsames Sondierungspapier verständigt haben und ihren Parteien die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen empfehlen. Das Ergebnis ist eine gute Grundlage für die weiteren Verhandlungen. Für uns ist besonders wichtig, dass wir weitreichenden Klimaschutz vereinbart haben: Wir schwenken ein auf den 1,5 Grad-Pfad. Konkrete Maßnahmen sind 2% der Fläche für den Windausbau, Solaranlagen auf Gebäuden werden zur Pflicht und der Ausstieg aus dem fossilen Verbrenner kommt verbindlich.“

Die Linke im Bund kritisiert

Linken-Chefin Susanne Henig-Wellsow übte scharfe Kritik an den „Ampel“-Einigungen: „Wer das Sondierungspapier der Ampel liest, kommt zu dem Schluss: Die FDP hat die Bundestagswahl gewonnen“, kritisierte sie. „Keine Vermögenssteuer, keine Umverteilung von oben nach unten, keine wirksamere Mietenpolitik, keine Bürgerversicherung, Hartz IV heißt jetzt Bürgergeld, aber Sanktionen bleiben. Nichtmal ein Tempolimit soll es geben. Dafür kommt die Rente an die Börse.“ Dass auf zwölf Seiten nicht ein einziges Mal der Begriff „Gerechtigkeit“ falle, wirke wie eine „Kapitulation“ der Verhandlungsteams von SPD und Grünen. „Eine Ampel, die nur auf Gelb steht, bringt nur die Bessergestellten weiter. Und: sie kostet uns alle viel soziale Sicherheit“, so Hennig-Wellsow.

Die Union sieht Unklarheiten im Sondierungspapier

Unionsfraktionschef Ralph Brinkhaus vermisste klare Ansagen im zwölfseitigen Dokument: „Das Sondierungspapier ist in zu vielen Bereichen vage und unklar. Es ist nicht nur im Bereich der Sozialausgaben nicht gegenfinanziert und damit ein ungedeckter Scheck auf die Zukunft“, kritisierte er. Es zeige auch: „Wesentliche Wahlversprechen der Ampelparteien werden nicht eingehalten. Die SPD ist mit großen Umverteilungs- und Regulierungsversprechen wie Steuererhöhungen und Mietendeckel angetreten, davon ist erst einmal wenig übrig geblieben. Die Grünen wollten eine Klimaregierung – dieses Thema war den Unterhändlern dann gerade mal ein im Wesentlichen mit Schlagwörtern befülltes Kapitel im Sondierungspapier wert.“ Nachhaltigkeit sei für die „Ampel“ dann doch scheinbar nur eine Aufgabe unter vielen, kritisierte Brinkhaus. „Die FDP ist im Wahlkampf für finanzielle Solidität und für einen wettbewerbsfähigen Industriestandort, etwa durch die Abschaffung des Solidaritätszuschlags und die Reform der Unternehmensbesteuerung, angetreten. Auch davon ist im Sondierungspapier wenig zu erkennen. Im Gegenteil: Fast alle Ausgabenwünsche werden erfüllt, es wird aber nirgendwo belastbar gesagt, wie das alles bezahlt werden soll.“ Und ein klares Bekenntnis gegen die Vergemeinschaftung europäischer Schulden fehle ebenfalls. „Die Brüche zwischen den Ampelpartnern werden mehr als deutlich. Die inhaltliche Grundlage für die Ampel ist nicht stabil“, so der Unionsfraktionschef.

SPD-Arbeitnehmer: Sondierungspapier „gute Verhandlungsgrundlage“

Der Chef des SPD-Arbeitnehmerflügels, Klaus Barthel, hat sich zufrieden über das Ampel-Sondierungspapier geäußert. „Uns ist klar, dass die Sondierungsergebnisse kein SPD-Programm sein können. Sie bieten aber eine gute Verhandlungsgrundlage sowohl mit Festlegungen, aber auch Spielräumen“, sagte er dem „Handelsblatt“.

Barthel kündigte an, dass sich die SPD-Arbeitnehmer unter Hinweis auf das starke Wahlergebnis im Arbeitnehmerbereich und den daraus resultierenden Erwartungen in die anstehenden Koalitionsverhandlungen einbringen werden. „Details werden wir nicht öffentlich diskutieren, weil wir die jetzt entstandene Vertrauensbasis sowohl innerhalb der SPD als auch zwischen den Partnern stärken wollen“, so Barthel.

Der Verbraucherschutz fordert mehr

Der Vorstand des Verbraucherzentrale Bundesverbands (VZBV), Klaus Müller, sagte zu den Ergebnissen: SPD, Grüne und FDP hätten am Freitag gezeigt, „dass Sie zusammen in den nächsten vier Jahren etwas bewegen wollen“. Für Verbraucher enthalte die Einigung gute Versprechungen zur Reduzierung des Strompreises, zur Beschleunigung der Gebäudesanierung sowie bei der Förderung des ÖPNV, schnellem Internet und Neustart der privaten Altersvorsorge. „Beim Verbraucherschutz muss während der Koalitionsverhandlungen aber mehr kommen. Der gestern veröffentlichte Verbraucherreport hat gezeigt, dass für 90 Prozent der Befragten Verbraucherschutz für ihre persönliche Sicherheit wichtig ist“, argumentierte er. Dieses Empfinden der Verbraucher finde sich im Sondierungspapier nicht wieder.

Das sagt der Patientenschutz

Der Vorstand der Stiftung Patientenschutz, Eugen Brysch, zeigte sich ebenfalls enttäuscht. „Vier Millionen Pflegebedürftige mit den höchsten Ausgabensteigerungen im Vergleich zu anderen Bevölkerungsgruppen sind der Ampel keine Zeile wert“, sagte er der „Rheinischen Post“ (Samstagausgabe). „Nichts zur Pflege daheim, der Altenpflege und der Zukunftsfähigkeit der Pflegeversicherung steht im Sondierungspapier“, sagte Deutschlands oberster Patientenschützer. „Auch bei der Gesundheitspolitik enthält das Papier unkorrekte inhaltliche Allgemeinplätze“, so Brysch.

Der Kommentar der Bitkom

Der IT-Branchenverband Bitkom zeigte sich hingegen froh über die „Ampel“-Ziele im Bereich Digitalisierung: „Wir begrüßen ausdrücklich, dass das Bündnis in seinem Sondierungspapier die Digitalisierung an erste Stelle setzt“, sagte Bitkom-Präsident Achim Berg. Das sei ein sehr positives und deutliches Signal. „Wegweisend sind die Vorhaben, Gesetze einem Digitalisierungscheck zu unterziehen, die digitalpolitische Strategie der Bundesregierung neu aufzusetzen und den Digitalpakt Schule zu verstetigen. Die Dauer von Verwaltungs-, Planungs- und Genehmigungsverfahren zu halbieren und das gleich im ersten Jahr anzugehen, ist ein wichtiger Schritt zu einem digitalen Deutschland“, so Berg. Es gebe aber noch Luft nach oben. „Von einem eigenständigen Digitalministerium ist bislang keine Rede. Dabei ist ein starkes und kompetent geführtes Digitalressort erforderlich, um digitalpolitische Aktivitäten des Bundes zu koordinieren und zu beschleunigen, und genau die richtige Instanz, um den angekündigten Digitalisierungscheck für Gesetze umzusetzen“, kritisierte der IT-Branchenvertreter. Näher ausgeführt werden sollten auch die Pläne für die Infrastruktur, etwa für schnelles Internet und „smarte Mobilitätslösungen“, so der Bitkom-Präsident.

Sea-Watch schlägt „Ampel“ Maßnahmen für bessere Seenotrettung vor

Die private Seenotrettungsorganisation Sea-Watch drängt SPD, Grüne und FDP zu konkreten Maßnahmen auf dem Mittelmeer. Es müssten „sichere und legale Einreisewege nach Deutschland“ geschaffen werden, damit kein Mensch mehr auf „illegalisierten Fluchtrouten“ sein Leben riskieren müsse, schrieb die Organisation am Freitagabend auf Twitter.

„Zweitens: Beendet die Blockade und Kriminalisierung ziviler Seenotrettung und setzt euch für ein flächendeckendes EU-Seenotrettungsprogramm ein. Drittens: Beendet die deutsche Beteiligung an Frontex-Einsätzen, bei denen an den europäischen Außengrenzen Menschen(rechte) mit Füßen getreten werden“, hieß es. Laut Sondierungspapier vom Freitag will die „Ampel“ es sich zur Aufgabe machen, „das Sterben auf dem Mittelmeer zu beenden“.