Berlin | Der von der Lokführergewerkschaft GDL angekündigte 48-stündige Streik im Personenverkehr der Deutschen Bahn sorgt auch am Donnerstag bundesweit für Zugausfälle. Das am Mittwoch erreichte Niveau sei auch für den zweiten Streiktag geplant, teilte die Bahn mit. Demnach waren am Vortag im Fernverkehr rund 25 Prozent der Züge unterwegs, während bei DB Regio etwa 40 Prozent der Züge verkehrten, wenn auch mit starken regionalen Unterschieden. Köln und die Region Köln ist stark von den GDL-Streikmaßnahmen betroffen

Region Köln stark von GDL-Streik betroffen

Wie gestern ist auch heute am 12. August die Region Köln wieder stark von den Streiks der GDL betroffen. Vor allem im Regionalverkehr, aber auch im Fernverkehr. So fällt etwa der IC 2026 nach Hamburg Altona um 8:09 Uhr und später der ICE 27 nach Wien, der ICE 529 Ingolstadt HBF oder mehrere S-Bahnen der Linien S11, S12, S6, S19 sowie die RB 25 und RE 9 und 8 aus. Auf der Kölner Bahnhofstafel sind mehr rote Einträge „Fahrt fällt aus“ zu sehen als grüne Zeiten, in denen die Bahnen fahren.

Bahn erwartet volle Züge

Fahrgäste müssten weiterhin mit starken Beeinträchtigungen rechnen, so das Unternehmen. Man gehe davon aus, dass die verkehrenden Züge auch am Donnerstag zum Teil sehr stark besetzt sein werden. Es könne zudem weiterhin nicht garantiert werden, dass alle Reisenden wie gewünscht an ihr Ziel kommen.

Alle bereits gebuchten Fahrkarten des Fernverkehrs für Strecken, die bis einschließlich 13. August vom GDL-Streik betroffen sind, sollen ihre Gültigkeit behalten. Sie können nach Angaben der Bahn bis einschließlich 20. August flexibel genutzt werden. Die Zugbindung bei „Sparpreisen“ und „Super-Sparpreisen“ bleibt aufgehoben.

Für die Weiterfahrt können demnach auch andere Züge genutzt werden. Zudem könnten Fahrkarten kostenfrei erstattet werden, teilte der Konzern mit. Die GDL hatte den Streik am Dienstagvormittag kurzfristig angekündigt.

Im Güterverkehr begannen die Arbeitskampfmaßnahmen bereits am Dienstagabend. Die Bestreikung des gesamten Personenverkehrs und der Infrastruktur soll noch bis Freitag um 2 Uhr andauern. Im Tarifkonflikt fordert die GDL Lohnerhöhungen von rund 3,2 Prozent und eine einmalige Sonderzahlung in Höhe von 600 Euro. Bisher wurden vier Verhandlungsrunden geführt.

So werden die Streikmaßnahmen der GDL bewertet

Wirtschaft fürchtet ökonomische Folgen des Bahnstreiks

Vertreter der deutschen Wirtschaft haben heftige Kritik am Streik der Lokführergewerkschaft GDL geübt. „Es ist jetzt nicht die Zeit für Streiks zu Lasten von Betrieben und Bürgern“, sagte Markus Jerger, Geschäftsführer des Bundesverbandes Mittelständische Wirtschaft (BVMW) dem „Redaktionsnetzwerk Deutschland“ (Donnerstagausgaben). Die Wirtschaft erhole sich gerade erst von den Zwangsschließungen.

„Die Betriebe zahlen die Zeche für die Profilierungssucht des GDL-Chefs“, so Jerger. Er fordert die Kontrahenten auf, „schnellstens an den Verhandlungstisch zurückzukehren und aufeinander zuzugehen“. Auch Vertreter der Chemieindustrie zeigten sich besorgt.

„Als transportintensive Branche ist die chemische Industrie auf reibungslose Abläufe im Bahnverkehr angewiesen“, sagte eine Sprecherin des Branchenverbands VCI dem RND. Mehr als 20 Millionen Tonnen Chemikalien würden jährlich auf der Schiene transportiert, zum Teil sei der Bahntransport sogar vorgeschrieben. „Vor diesem Hintergrund haben Störungen im Schienengüterverkehr weitreichende Auswirkungen“, warnte sie. Die Unternehmen prüften nun die Verlagerung von Transporten auf Lkw und in wenigen Fällen auf Binnenschiffe.

Doch auf der Straße sind Transportkapazitäten ebenfalls knapp. „Im Moment ist quasi kein Lkw verfügbar“, sagte Nikolja Grabowski, Vorstand des europäischen Ladungsverbunds Elvis, dem RND. Seit Monaten kämpft die gesamte Industrie mit Lieferengpässen, weil die starken Nachfrageschwankungen in der Pandemie die Logistik überfordern. Die Transporteure hätten schon große Probleme, die angestammten Kunden zu versorgen, sagte Grabowski.

Wer jetzt kurzfristig Kapazität am Spotmarkt buchen wolle, zahle „horrende Preise“. Das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln schätzt, dass bei einem längerfristigen Bahnstreik volkswirtschaftliche Kosten von bis zu 100 Millionen Euro täglich entstehen könnten. „Kurzfristige Ausfälle sind im Schienengüterverkehr nichts Ungewöhnliches, das kennen die Logistiker und können entsprechend reagieren“, sagte IW-Verkehrsökonom Thomas Puls dem RND. „Ab dem vierten oder fünften Streiktag allerdings drohen Lieferketten zu reißen – und dann wird es sehr schnell sehr teuer.“

SPD-Chef Norbert Walter-Borjans kritisierte das Vorgehen der GDL. Wirksame Interessenvertretung setze voraus, „Kräfte zu bündeln und Verständnis bei den Reisenden zu gewinnen“, sagte er dem RND. Beides gelinge nicht, „wenn die Beschäftigtengruppen der Bahn auseinanderdividiert und die Kunden durch praktisch unangekündigten Streikaktionen düpiert werden“. EVG und GDL müssten an einem Strang ziehen. „Wir brauchen eine leistungsfähige Bahn mit attraktiven Arbeitsbedingungen.“ Grundsätzlich sagte der SPD-Chef, in den letzten Monaten sei besonders deutlich geworden, welch tragende Rolle der Schienenverkehr für die Mobilität der Zukunft spielen werde. Die Mitarbeiter der Bahn hielten das Land im besten Wortsinn nachhaltig in Bewegung. „Sie gehören damit zweifellos zu den systemrelevanten Beschäftigten. Ein Gehaltsgefüge, bei dem sich Bahnvorstände satte Bonuszahlungen genehmigen, die Bezahlung von Lokführern aber offenbar keinen Anreiz bietet, die vielen offenen Stellen besetzen zu können, erzeugt zwangsläufig Unmut.“ Die SPD stehe an der Seite der Arbeitnehmer, auch bei der Bahn.

Familienunternehmer rügen Bund für unterlassene Streikrechtsreform

Der Verband der Familienunternehmer hat massive Kritik an der Lokführergewerkschaft GdL wegen des Bahn-Streiks und auch an der Bundesregierung geübt. „Der GDL-Streik kommt zur Unzeit“, sagte Verbandspräsident Reinhold von Eben-Worlée der „Rheinischen Post“ (Donnerstagausgabe). „Mitten in der Pandemie, in der viele Unternehmen mit wirtschaftlichen Unsicherheiten zu kämpfen haben und viele Bahnstrecken im Westen durch die Flut nicht nutzbar sind, werden sie durch den Streik ausgebremst“, so der Unternehmer.

„Tausende Pendler und Reisende werden von der Lokführergewerkschaft in `Geiselhaft` genommen.“ Die GDL verlasse den Pfad der Verhältnismäßigkeit. „Hier rächt sich, dass trotz der Erfahrungen der Vergangenheit, der Gesetzgeber sich bisher nicht zu einer Reform des Streikrechts in der öffentlichen Daseinsvorsorge durchringen konnte“, sagte Eben-Worlée.

„Die Aufrechterhaltung der Grundversorgung, eine Ankündigungspflicht des Streiks von mindestens vier Tagen oder dass der Streik erst aufgenommen werden darf, wenn es vorher ein Schlichtungsverfahren gab, sind alles Punkte, die schon lange hätten umgesetzt werden können.“ Hier sei der Staat nicht nur als Gesetzgeber, sondern auch als Anteilseigner in der Verantwortung, „sich nicht von der GDL erpressen zu lassen“, kritisierte der Unternehmer.

Autor: dts
Foto: Screenshot aus der aktuellen Bahnhofstafel für den Zugverkehr am Kölner Hauptbahnhof.