Robert Habeck bei der Pressekonferenz am 4. Oktober 2022. | Foto: Screenshot

Köln | aktualisiert | „Lützerath wird abgeräumt“. Das teilten heute Robert Habeck, Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz und Mona Neubaur, Ministerin für Wirtschaft, Industrie, Klimaschutz und Energie des Landes NRW in Berlin mit. Beides Grüne.

Damit hat Lützerath, dieser symbolische Ort für die Klimaschutzbewegung, keine Chance erhalten zu bleiben. Zunächst wird mehr Braunkohle verfeuert und zwei 600 Megawatt an Braunkohlekraftwerksleistung bis März 2024 in Betrieb bleiben, die ansonsten vom Netz genommen hätten werden müssen: also 15 Monate länger laufen dürfen. Dafür muss Lützerath und rund um das Klimaaktivistendorf abgebaggert werden. Habeck spricht von einem „guten Tag für den Klimaschutz.

Zukunftsversprechen vorgezogener Kohleausstieg im rheinischen Revier

Dafür soll der Kohleausstieg in NRW im rheinischen Revier vorgezogen werden: von 2038 auf 2030. Damit sollen dann 2030 drei 1000 Megawattkraftwerke vom Netz gehen und die jetzt verlängerte Leistung nicht mehr benötigt werden. Habeck und Neubaur betonen, dass mit dem vorgezogenen Kohleausstieg 280 Millionen Tonnen CO2 eingespart werden können. Darauf bezieht sich die Aussage, dass dies ein „guter Tag für den Klimaschutz“ sei.

Unterdessen sollen zwei jeweils 600 Megawatt starke Kraftwerke, die planmäßig Ende des Jahres den Betrieb einstellen sollten, bis Ende März 2024 am Netz bleiben. Die Entscheidung habe „eine Reihe von Konsequenzen für die CO2-Minderung“, sagte Habeck weiter. „Dadurch bleiben 280 Millionen Tonnen Braunkohle in der Erde.“

Markus Krebber, Vorstandsvorsitzender der RWE AG, bei der Pressekonferenz des Bundeswirtschaftsministeriums am 4. Oktober 2022. | Foto: Screenshot

2026 soll die endgültige Entscheidung fallen

Allerdings gibt es noch eine Hintertür für RWE, die Markus Krebber, Vorstandsvorsitzender der RWE AG, vorstellte. Denn 2026 wird die endgültige Entscheidung fallen, ob der Kohleausstieg bis 2030 klappen kann. Dann werde entschieden, ob die drei 1000 Megawatt-Kraftwerke und die 600 Megawatt-Kraftwerksleistung in der Sicherheitsbereitschaft bleiben.

Gaskraftwerke statt Kohlekraft

Neubaur machte deutlich, dass die Lage von Lützerath als Landzunge inmitten des abgebaggerten Abraums nicht zu halten sei. Dazu gebe es drei Gutachten. Daher werde der Ort nicht erhalten werden können. Dafür könnten die anderen Orte erhalten werden, so Neubaur. Die NRW-Ministerin machte deutlich, dass nach ihrer Auffassung damit der Tagebau in NRW 2030 besiegelt sei. Sie freue sich, dass RWE zusichere 1 Gigawatt an Erneuerbaren Energien im Rheinischen Revier aufbauen wolle. Es sollen vor allem Gaskraftwerke gebaut werden, die Wasserstoff ready sind. Dazu ermahnte Krebber die Politik die Rahmenbedingungen zu schaffen. Dazu zählt unter anderem die Festlegung des Wasserstoffnetzes und wo dieses in Deutschland aufgebaut wird. Auch das Marktdesign des „Energy only market“ müsse entsprechend angepasst werden, so Krebber. Denn aktuell könnten Gaskraftwerke mit reiner Stromproduktion kein Geld verdienen. Wenn das entsprechende Framing geschaffen sei, dann gibt sich Krebber zuversichtlich, dass die Investitionen in die neuen Gaskraftwerke privatwirtschaftlich ermöglicht werden.

Mona Neubaur, Ministerin für Wirtschaft, Industrie, Klimaschutz und Energie des Landes NRW, bei der Pressekonferenz zur Entscheidung zu Lützerath in Berlin am 4. Oktober 2022. | Foto: Screenshot

Lützerath fällt Baggern zum Opfer

Für die Siedlung Lützerath kommt die Einigung unterdessen zu spät. Die Braunkohleflächen unter der Siedlung müssten zur Verfügung gestellt werden, so Habeck. Das dürfte dem Vernehmen nach für weiteren Streit mit Klimaaktivisten führen. Zum Warum schreibt das Ministerium von Neubaur: „Wie unabhängige Gutachten im Auftrag der Landesregierung bestätigt haben, ist ein Erhalt der von der Ursprungseinwohnerschaft komplett verlassenen Siedlung Lützerath aus unterschiedlichen Gründen nicht möglich. Bei einem Erhalt von Lützerath könnten die für die Aufrechterhaltung der Versorgungssicherheit in den kommenden acht Jahren notwendige Fördermenge nicht erreicht, die Stabilität des Tagebaus nicht gewährleistet und die notwenigen Rekultivierungen nicht durchgeführt werden.“

Neubaur erklärte, dass das Land NRW jetzt Schritt für Schritt die Maßnahmen einleiten werde, die nötig seien, um Lützerath abzubaggern. Sie habe an die Klimaaktivist:innen einen Brief geschrieben, die bisher friedlich in NRW – auch vor ihrem Ministerium – demonstriert hätten. Sie will das Gespräch suchen. Gleichzeitig appellierte sie an die Aktivist:innen, das Gesamtpaket mit seinem Beitrag zum Klimaschutz im Blick zu haben. Habeck lobte das Engagement der Klimaschutzbewegungen und dass diese die Republik wachgerüttelt hätten. In der Gesamtbilanz der jetzt getroffenen Vereinbarung zwischen Bund, Land NRW und dem Unternehmen RWE sei dies ein guter Tag für den Klimaschutz, so Habeck. Krebber machte deutlich, dass er erwarte, dass die Landesregierung handele.

Die Dörfer Keyenberg, Kuckum, Oberwestrich, Unterwestrich und Berverath sowie die drei Feldhöfe bei Holzweiler, Eggerather Hof, Roitzerhof und Weyerhof bleiben dagegen erhalten.

NRW Grüne loben die Vereinbarung

Yazgülü Zeybek und Tim Achtermeyer, Landesvorsitzende von Bündnis 90/Die GRÜNEN NRW, sowie Wibke Brems und Verena Schäffer, Vorsitzende der GRÜNEN Landtagsfraktion NRW:

„Dank der heute vorgestellten Vereinbarung steht fest: Die Kohleverstromung endet in NRW vorgezogen im Jahr 2030. Es ist ein enormer Erfolg, dass der Kohleausstieg in NRW trotz der aktuellen Energiekrise acht Jahre früher als bisher gesetzlich vorgesehen gelingt – für die Menschen im Rheinischen Revier und das Klima. Damit wird ein zentrales Anliegen von uns Grünen und der Klimabewegung endlich Realität, nachdem wir bereits mit dem NRW-Koalitionsvertrag eine diesbezügliche Verständigung mit der CDU treffen konnten.“

red01