Stichwahl in Frankreich

Paris | dts | Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hat bei einem Wahlsieg seiner Herausforderin Marine Le Pen vor einem Auseinanderbrechen der EU gewarnt. „Es wäre das Ende der Europäischen Union und das Ende der deutsch-französischen Partnerschaft. Man muss das Kind beim Namen nennen“, sagte Macron den Zeitungen der Funke-Mediengruppe (Freitagausgaben) und der französischen Zeitung „Ouest-France“ und dem italienischen Blatt „Corriere della Sera“.

Macrons Kritik: „Sie schlägt vor, den französischen Beitrag zum EU-Haushalt zu senken, auf den Vorrang des Europarechts vor dem nationalen Recht zu verzichten, aus dem europäischen Energiemarkt auszusteigen, Franzosen bei der Jobvergabe gegenüber Ausländern zu bevorzugen, Grenzkontrollen wieder einzuführen wie zur Zeit von 1990.“ Es bedeute auch den Ausstieg aus dem europäischen Klima-Projekt. „Le Pen plädiert stattdessen für den Aufbau einer Art Allianz europäischer Nationen, die aber keine Europäische Union mehr ist, und für ein Bündnis mit Russland.“

Allianz sieht „Rückkehr des starken Staates“ in Frankreich  

Der französische Chefökonom der Allianz, Ludovic Subran, warnt davor, dass es für Deutschland trotz des erwarteten Wahlsiegs von Amtsinhaber Emmanuel Macron bei den Präsidentschaftswahlen in Frankreich eine böse Überraschung geben könnte. Anders als vor fünf Jahren habe Macron einen deutlich anderen wirtschaftspolitischen Fokus, das sei vielen Deutschen nicht bewusst, sagte Subran der „Welt“ (Freitagausgabe). Sogar eine Verstaatlichung von Konzernen sei nicht ausgeschlossen, zugleich diskutiere Frankreich unter dem Eindruck der hohen Inflation über umfassende Preiskontrollen.

„Die Stimmung im Land ist mittlerweile relativ marktfeindlich“, warnte Subran. „Wir erleben in Frankreich gerade die Rückkehr des starken Staates, weg von der sozialen Marktwirtschaft hin zu einem paternalistischen Interventionismus, der längst überwunden zu sein schien.“ Deutschland scheine diesen Wandel bisher völlig auszublenden.

Dabei bedeute der wirtschaftspolitische Wandel Frankreichs auch neues Konfliktpotenzial innerhalb der EU. „Verschuldungsregeln, Haushaltskontrolle – all das spielt keine Rolle. Es findet in Frankreich nicht einmal eine Debatte darüber statt, auf welche Zukunfts-Investitionen man verzichten muss, wenn man das Geld mit vollen Händen für die Krisenabwehr ausgibt“, sagte Subran. Es sollte in Deutschland daher niemanden überraschen, wenn der wiedergewählte Präsident Macron in naher Zukunft eine Änderung der europäischen Fiskalregeln vorschlagen werde.

Macron habe sich in den vergangenen Jahren als Gestalter Europas etabliert. „Die Saat, die er pflanzt, dürfte Deutschland auf Dauer nicht gefallen.“