Köln | Der zum ersten Mal in Köln stattfindende „Marsch für das Leben“ und die Veröffentlichung als Terminhinweis auf der Website der Kölner CDU haben politisch hohe Wellen geschlagen. Report-K fragte beim Kölner CDU-Vorsitzenden Karl Alexander Mandl nach und bei seinen innerparteilichen Kritikern. Derweil würdigt Bischof Dr. Georg Bätzing, Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz, in seinem Grußwort den „Marsch für das Leben“ und die Stadtsuperintendent Bernhard Seiger fordert einen differenzierten Umgang mit dem Thema. Neben Grünen, Volt und Jusos übt die Kölner FDP Kritik.
Das ist passiert
Die Kölner CDU veröffentlichte auf ihrer Website in der Rubrik Termine den Termin des „Marsch für das Leben“ am kommenden Samstag. Es waren die Christdemokraten für das Leben mit der Kennzeichnung CDL. In den sozialen Medien vor allem auf „X“ fanden sich zeitnah erste Kritiker, etwa aus der Grünen Jugend, die vor allem Fragen an ihre eigenen Partei hatten. Der grüne Kreisverband in Köln reagierte irritiert auf die Ankündigung der Kölner CDU. Die Grünen sind als stärkste Fraktion im Ratsbündnis mit der CDU und Volt. Auch Volt kritisierte den Vorgang und stellte die Frage nach der Unvereinbarkeitserklärung. Die ausführlichen Statements finden Sie hier in den einzelnen Artikeln aus dem Debattenprozess:
Der „Marsch für das Leben“ wird vom Bundesverband Lebensrecht veranstaltet. Diese Demonstration fand in Berlin zum 18. Mal 2022 statt. Im März 2023 fand die dritte Demonstration in München unter dem Titel „Münchner Marsch für das Leben“ statt. Jetzt finden am 16. September parallel in Berlin und Köln zum ersten Mal ein „Marsch für das Leben“ statt.
Die Kölner CDU führt Debatte in den eigenen Reihen
Es gibt kritische Stimmen aus der Kölner CDU an dem Terminhinweis und einem Statement Mandls in einer Kölner Zeitung. In einem Schreiben an Mandl kritisieren die Unterzeichner, dass Mandl nicht als Privatperson mit dieser Zeitung sprach, sondern als CDU Vorsitzender: „Sie können hier Ihre Privatmeinung nicht von der Meinung des Amtsinhabers unterscheiden“ Dies könne so die innerparteilichen Kritiker differenziert bei Debatten im Deutschen Bundestag funktionieren, aber nicht wenn sich der Vorsitzende der CDU Köln dazu entscheide, den Bundesverband Lebensrecht aktiv zu unterstützen und dies auch über die Homepage der CDU Köln. Für den Schutz des ungeborenen Lebens sich einzusetzen gehöre zur DNA der CDU stellen die Unterzeichner des Schreibens an Mandl fest. Das Schreiben erinnert an den Aufbau von „donum vitae“, bei dem sich führende Christdemokratinnen und Christdemokraten maßgeblich engagierten. Dies habe zu einer Befriedung der Gesellschaft in einer gesellschaftspolitisch zentralen Frage geführt.
Kritisch sehen die Unterzeichner allerdings die Rolle des Verbandes, der zur Demonstration aufruft: „Der Bundesverband Lebensrecht fällt hingegen durch seine aggressive Vorgehensweise in ethischen Fragen auf. Mitglieder des Verbandes bedrohen regelmäßig Beraterinnen und Berater von Schwangerschaftskonfliktberatungen, Frauen, die in ihrer Not Beratungsstellen aufsuchen, Politikerinnen und Politiker, die sich dezidiert äußern. „Babycaust“ – um nur ein Stichwort der gängigen Kultur der Auseinandersetzung dieses Verbandes zu nennen – gerne auch im Verbund mit der AfD (siehe „FAZ“, 3.9.23).“ Die Unterzeichner, darunter Ratsmitglieder, fordern von Mandl: „Als Mitglieder der CDU Köln erwarten wir von unserem Vorsitzenden klare Distanz und bitten damit auch um die Entfernung des Hinweises von der Homepage.“
Report-K befragte auch Karl Alexander Mandl, der CDU-Vorsitzende antwortete:
Report-K: Es gibt Kritik an dem Terminhinweis der CDL und deren Publikation im Termineblock auf der Homepage der CDU Köln. Diese kommt von den Bündnispartnern im Rat Grüne und Volt auf deren Parteiebene. Können Sie diese nachvollziehen?
Karl Alexander Mandl: Die Christdemokraten für das Leben (CDL) sind seit sehr vielen Jahren in unserem Kreisvorstand kooptiert. Das war auch zur Zeit des Abschlusses der Bündnisvereinbarung im Rat der Fall. Und natürlich darf auch die CDL Terminhinweise auf unserer Website veröffentlichen. Deshalb verstehe ich die Aufregung nicht. Ich verstehe aber die großen inhaltlichen Unterschiede zwischen Grüne und Volt mit der CDL. Aber die waren zu jeder Zeit bewusst. Jedem sollte klar sein, dass die CDL nur eine Meinung zu dem Themenkomplex Lebensrecht unter vielen in unserer CDU beiträgt.
Report-K: Haben Sie das Gespräch mit den Grünen und Volt nach der Kritik gesucht?
Karl Alexander Mandl: Mit der Parteispitze der Grünen habe ich am Sonntag telefoniert, nachdem mir diese am Sonntagmorgen mitteilte, dass sie dieses Thema in dieser Woche laut spielen möchten. Ich habe den Sachverhalt erklärt, aber die Grünen nicht abbringen können, das Thema trotzdem für sich zu nutzen. Wir schließen keine Meinungen aus, sondern führen diese zusammen. Offenbar im Gegensatz zu den Grünen, die gerne mal Haltungen anderer verbieten möchten. Mit Volt habe ich noch nicht gesprochen, werde dies aber sicherlich noch machen. Ich gehe davon aus, dass Volt den Sachverhalt nachvollziehen kann, wenn wir darüber sprechen.
Report-K: Es gibt zudem Kritik aus den Reihen der CDU. Wie werden Sie mit dieser Kritik umgehen und finden Sie diese gerechtfertigt?
Karl Alexander Mandl: Ich bekomme gerade jetzt sehr viel Zustimmung aus den Reihen unserer Partei. Mein Weg des Brückenbauens zwischen verschiedenen Lagern und Überzeugungen scheint der richtige zu sein.
Es gibt einen Brief von Personen, die sich darin kritisch geäußert haben. Mehr als 25 Prozent der Unterzeichner des Briefes sind Mitglied im Parteivorstand und hätten sich in diesem Gremium äußern können. Denn die CDL hatte die Veröffentlichung dort mehrfach angekündigt. Die Kritiker hatten aber nichts dazu oder dagegen gesagt. Ich möchte alle ermutigen, zukünftig mit ihrer Kritik nicht hinter dem Berg zu halten. Ich bin aber weiterhin überzeugt, dass wir die Mitglieder zusammenführen und in Köln wieder eine starke, meinungsvielfältige Volkspartei werden.
Report-K: Gegenüber Medien erklärten Sie, dass ein Terminhinweis nicht die Meinung der Partei und auch keinen Aufruf darstelle. Nun ist ein Terminhinweis für eine Demonstration, die der aktiven politischen Meinungs- und Willensbildung dient nach dem Versammlungsrecht ja nicht einfach nur eine x-beliebige Veranstaltung oder ein Event, sondern verfolgt, wie auch der Bundesverband Lebensrecht aktiv politische Ziele. Macht man sich als politische Partei so nicht automatisch die Meinung dessen der zur Demonstration aufruft zu eigen, sonst würde man diese Demonstration ja nicht bewerben?
Karl Alexander Mandl: Die politische Willensbildung geschieht in den Parteien. Sie kann nur geschehen, wenn man offen diskutiert. Wir haben viele Veranstaltungen, die unterschiedliche Ausrichtungen haben und die unterschiedlich viele Mitglieder teilen. Die CDL steht sicherlich zu 100% hinter den Zielen des Bundesverbands Lebensrecht. Alle CDU-Mitglieder sicherlich nicht, wie die parteiinternen Diskussionen damals um die Neuformulierung des § 218 StGB gezeigt haben. Das ist der Unterschied und für eine Volkspartei typisch. Deshalb macht die Meinungs- und Willensbildung in einer Volkspartei Spaß. Wichtig ist immer der Respekt. Diesen fordere ich von allen Seiten in unserer Partei ein.
Report-K: Werden Sie selbst am Marsch für das Leben in Köln teilnehmen, vielleicht sogar sprechen?
Karl Alexander Mandl: Ich werde im Team besprechen, wie wir unserer Partei und unserer Sache am meisten dienen können. Das ist meine Handlungsmaxime.
Bischofskonferenz stellt sich hinter den „Marsch für das Leben“
Am gestrigen Mittwoch veröffentlichte die Deutsche Bischofskonferenz eine Pressemitteilung mit dem Titel „Jeder Mensch hat das Recht auf Leben“. In dieser positioniert sich die Katholische Kirche zum „Marsch für das Leben“. Bischof Dr. Georg Bätzing, Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz, würdigt in seinem Grußwort für die Berliner Veranstaltung den „Marsch für das Leben“ und schreibt: „Mit dem diesjährigen Marsch für das Leben, der unter dem Motto ‚Einzigartig. Leben wagen‘ stattfindet, betonen Sie erneut den Schutz menschlichen Lebens insbesondere dann, wenn das Lebensrecht des ungeborenen, schwachen oder sterbenskranken Menschen in Wissenschaft, Politik oder durch andere Interessensgruppen infrage gestellt wird.“
Die Katholische Kirche verweist in diesem Zusammenhang auch auf die Entwicklungen der Stammzellenforschung und schreibt: „Gerade mit Blick auf die aktuellen Entwicklungen in der Stammzellenforschung, der es gelungen sei, menschliche Embryonen künstlich herzustellen, werde deutlich, wie bedeutend das Engagement für den Wert und die Würde menschlichen Lebens sei.“ Die Kirche sehe das Leben jedes Menschen als Geschenk Gottes, das von Anbeginn bis Ende zu schützen sei. Weiter sagt Bätzing: „Es ist somit unsere Pflicht, unsere Position auch öffentlich zu vertreten: Jeder Mensch hat das Recht auf Leben. Seit bald 30 Jahren setzen wir uns daher beständig in der ‚Woche für das Leben‘ für den Schutz menschlichen Lebens in allen seinen Phasen ein.“
Hinweis der Redaktion: Den Wortlaut des Grußwortes von Bischof Bätzing finden Sie am Ende des Artikels
Stadtsuperintendent fordert differenzierten Umgang
Die evangelische Kirche in Köln stellt fest, dass sie grundsätzlich für den Schutz des Lebens eintrete. So schreibt sie in einem Statement von Stadtsuperintendent Bernhard Seiger : „Gerade das schwache Leben, das sich selbst nicht schützen kann, steht unter besonderem Schutz, es hat Würde. Aber auch das Leben der Frau hat Würde.“ Er zieht in Zweifel, dass eine Demonstration die komplexe Situation richtig erfassen könne. Stattdessen befürchtet er Polarisierung und Vereinfachung des Themas. Ein Schwangerschaftsabbruch stelle einen ethischen Konflikt dar. Vor allem für die Frauen, die in einer solchen Situation, wenn sie ungewollt schwanger wurden, mit den tiefgreifenden Veränderungen durch die Mutterschaft überfordert seien.
Daher biete die evangelische Kirche Beratung und Hilfe für die Betroffenen an. Das Ziel sei es, die Frau, die die Entscheidung trifft, bestmöglich zu beraten, Hilfsmöglichkeiten beim Austragen des Kindes aufzuzeigen, das soziale Umfeld in die Betrachtung einzubeziehen, aber vor allem ihre Konfliktsituation individuell zu betrachten. Am Ende stehe die möglichst ausgereifte Entscheidung der Frau, den für sie und ihre Lage angemessenen Weg zu wählen. Keine dieser Entscheidungen sei einfach. Die evangelischen Beratungsstellen seien dafür da, in dieser schwierigen Konfliktlage ergebnisoffen zu beraten. Seiger: „Es ist wichtig, dass dieser Schutzraum erhalten bleibt und nicht durch eine Demonstration mit Polarisierungen und platte Sätze Druck und ein Klima der Angst aufgebaut wird. Ich fürchte, dass die geplante Demonstration und die Gegendemonstration ein Schwarz-Weiß-Bild zeichnen, das der eigentlichen Konfliktlage nicht entspricht. Ich hoffe darauf, dass sich alle Beteiligten um die nötige Differenzierung bemühen und damit dem Leben dienen, aber eben mit der Frau, nicht gegen sie.“
Kölner FDP kritisch
Die Kölner FDP fordert Grüne und Volt auf ihr Bündnis mit der Kölner CDU im Rat kritisch zu hinterfragen. Gleichzeitig üben die Kölner Liberalen scharfe Kritik am Aufruf der CDU zum „Marsch für das Leben“.
Maria Westphal, stellvertretende Vorsitzende FDP Köln: „Der „Marsch für das Leben“ wird maßgeblich von christlichen Fundamentalisten unterstützt, die eine restriktive Haltung in Bezug auf das Recht auf Schwangerschaftsabbruch vertreten. Als FDP stehen wir dafür, dass Frauen das Recht haben müssen, selbst über ihren eigenen Körper und ihre Gesundheit zu entscheiden, einschließlich der Möglichkeit eines Schwangerschaftsabbruchs. Diese Entscheidung sollte von Frauen in Absprache mit medizinischem Fachpersonal und unter Berücksichtigung ihrer individuellen Umstände getroffen werden können.“
Weiter fordert der Pressesprecher der FDP Joachim Krämer, dass Grüne und Volt ihre Kooperation mit der CDU kritisch hinterfragen müssen: „Ich frage mich ernsthaft, wie die Grünen und Volt, die sich für progressive und frauenfreundliche Politik einsetzen, mit einer CDU weiterhin erfolgreich zusammenarbeiten können, die solche konservativen und restriktiven Standpunkte unterstützt.“
Das Grußwort von Bischof Bätzing zum „Marsch des Lebens“ 2023 im Wortlaut (kursiv gesetzt)
Sehr geehrte Damen und Herren,
in diesem Jahr versammeln Sie sich am 16. September 2023 zum Marsch für das Leben in Berlin und zeitgleich auch in Köln. Sie machen damit deutlich, wie wichtig es Ihnen ist, sich für den Lebensschutz einzusetzen.
Mit dem diesjährigen Marsch für das Leben, der unter dem Motto „Einzigartig. Leben wagen“ stattfindet, betonen Sie erneut den Schutz menschlichen Lebens insbesondere dann, wenn das Lebensrecht des ungeborenen, schwachen oder sterbenskranken Menschen in Wissenschaft, Politik oder durch andere Interessensgruppen infrage gestellt wird. Gerade mit Blick auf die aktuellen Entwicklungen in der Stammzellenforschung, der es gelungen ist, menschliche Embryonen künstlich herzustellen, wird deutlich, wie bedeutend Ihr Engagement für den Wert und die Würde menschlichen Lebens ist.
Als Kirche sind wir der Überzeugung, dass das Leben jedes Menschen ein Geschenk Gottes ist, das es von Anbeginn bis zu seinem Ende zu schützen gilt. Es ist somit unsere Pflicht, unsere Position auch öffentlich zu vertreten: Jeder Mensch hat das Recht auf Leben. Seit bald 30 Jahren setzen wir uns daher beständig in der Woche für das Leben für den Schutz menschlichen Lebens in allen seinen Phasen ein.
Ich danke Ihnen für Ihr Engagement und wünsche dem Marsch für das Leben am 16. September 2023 in Berlin und in Köln viel Erfolg und Gottes Segen.
Bischof Dr. Georg Bätzing
Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz
ag