Köln | aktualisiert 18:15 Uhr |  Land und Stadt veranstalten im Juni wieder das Medienforum NRW und in dessen Windschatten das Medien-Fest im Mediapark, wo man mit reißerischer Headline und Copyart-Typo die Frage stellt „Wo sind die Medien-Macher von Morgen?“ Die Kosten für die gesamte Veranstaltung – finanziert durch das Land NRW, die Landesanstalt für Medien (lfm) und die Stadt Köln – belaufen sich ohne Sponsoren und Eintrittsgelder auf fast 2,4 Millionen Euro. Dabei lässt man vor allem die Köpfe der alten Medienwelt diskutieren und präsentiert der Jugend alte Zöpfe, die schon heute subventioniert werden und deren Geschäftsmodelle schon heute nicht nur in Frage gestellt werden. Irritierend bei so viel Geld ist allerdings auch, dass man wenig Zahlen hat.

Das Medien-fest für die Macher von Morgen?

Es gab eine Zeit, da wollten alle in die Medien. Heute machen alle selbst Medien, jeden Tag. Vor allem die Zielgruppe der zukünftigen Akademiker. Wenn es nicht die eigene Page oder der Blog ist, dann ist es die eigene Facebook-Seite, Twitter, Flickr oder der Youtube-Kanal. Das Video dreht man in HD-Qualität mit dem eigenen Smartphone und schneidet es. Sonst ist man nicht hipp. Schön, dass Politik, Verwaltungen und Institutionen immer noch glauben, dass es etwas Besonderes ist, einem Kameramann über die Schulter zu schauen oder mit dem Mikro ein Interview aufzunehmen – und das in einer Branche, die von Quereinsteigern und Improvisationst-Talenten lebt.

Unterdurchschnittliche Ausbildungsquote

In Köln, so die Arbeitsagentur, waren Ende 2011 von insgesamt 473.000 Menschen rund 33.000 Menschen in echten Kreativberufen sozialversicherungspflichtig beschäftigt. Das sind 6,9 Prozent aller Kölner Beschäftigten. Die Ausbildungsquote liegt, durch den hohen Akademikeranteil begründet, mit 4 Prozent unter dem Kölner Durchschnitt. Arbeitsmarktexperten sagen hinter vorgehaltener Hand, dass bei der jetzt kommenden Generation schon lange nicht mehr der Satz „alles mit Medien“ gelte. Die Branche hat Glamour-Effekt, aber auch den Nachteil, dass wenige gut verdienen, viele schlecht und nicht wenige am Rande des Existenzminimums als Freie arbeiten.

Viel alte, wenig neue Medien auf dem Medienfest

Auf dem Medien-Fest, dort wo die Medienmacher von Morgen gesucht werden, gibt es immer noch sehr viel Printjournalismus und ganz wenig Medienzukunft. Aber vielleicht kennt man die auch nicht. Der Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger (BDVZ), dessen Präsident Heinen, auch Herausgeber der Kölnischen Rundschau, auf dem Kongress zu Wort kommen wird, weist die Unique User der Online-Angebote der Zeitungen in Deutschland mit 26,1 Millionen aus. Facebook hatte in Deutschland 37,641 Millionen Unique User im September 2011 und selbst das wenig bekannte „Wer-kennt-wen.de“ hatte noch 5,207 Millionen Unique User. Der „WDR“, „RTL“, selbst „Radio Köln“, an dem die Stadt 25 Prozent hält, und auch der Regionalsender „Center TV“ sind nicht auf dem Medienfest vertreten. Ganze 26 Workshop-Plätze gibt es für Radio, Print- und Online-Journalismus. Der Chefredakteur einer Kölner Boulevardzeitung, die im letzten Jahr über 20.000 Auflage verloren hat, gibt Einblick in die Berufe bei seiner Zeitung. Aber haben die Zukunft?

Keine kritische Auseinandersetzung mit den Berufsbildern

Auf dem Medienfest präsentieren sich vor allem Aus- und Weiterbildungseinrichtungen, Verbände, Gewerkschaften und Institutionen. Die Kölner Journalistenschule etwa stellt sich die Frage, welcher Weg in die Medien der beste ist – ob Schule oder Volontariat. Alleine hieran kann man erkennen, dass die sich präsentierenden Schulen, die auch in der Regel nicht kostenlos sind, werbliche Interessen haben. Wer sich also auf dem Medienfest informiert, der sollte genau hinschauen, wer ihn berät und auf alle Fälle noch eine zweite Meinung, etwa der Berater der Arbeitsagentur, einholen. Auf dem Medienfest gibt es im Programm keine Veranstaltung, die sich kritisch mit der Branche, ihren Arbeitsbedingungen oder Verdienstmöglichkeiten auseinandersetzt. Was bedeutet es etwa in den Medien zu arbeiten? Die Festanstellungen sind rar, viele arbeiten als Freie oder in Projekten. Nicht diskutiert wird auch, auf was man als Praktikant achten sollte.

Das Medienforum: Dinosaurier-Namedropping

Das Medienforum wird zum 24. Mal ausgerichtet, der Titel in diesem Jahr: „Schöne neue Medienwelt: Vernetzt, offen, mobil.“ Die Gäste- und Diskutantenliste liest sich wie die einer Bambi-Verleihung oder Verleihung des Fernsehpreises und offenbart gleichzeitig das Dilema der deutschen Medienlandschaft. Die Alten sprechen und bestimmen, die Neuen haben keine Stimme. Ein Auszug der Liste: Die in der Kritik stehende ARD Vorsitzende Monika Piel, ZDF Intendant Dr. Thomas Bellut, RTL Geschäftsführerin Anke Schäferkordt, der Präsident des Bundesverbandes Deutscher Zeitungsverleger Helmut Heinen, WAZ-Geschäftsführer Christian Nienhaus, der Zeit Geschäftfsführer Dr. Rainer Esser, der Telekom Marketing Vorstand Christian P. Illek, Sky-Chef Brian Sullivan, Unitymedia-Geschäftsführer Lutz Schüler und natürlich ganz viel Politik, wie der Vizepräsident des europäischen Parlaments Alexander Alvaro, Staatsminister Bernd Neumann, Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar und die WDR Rundfunkratsvorsitzende Ruth Hieronymi haben sich angekündigt. Gut, Facebook schickt den Director of Policy, man verleiht die Grimme-Online Awards und hat den Wahlkampfleiter fürs Digitale von Francois Hollande eingeladen. Dazu dürfen Pressesprecher von Bischofskonferenzen, Anwälte von Ex-Bundespräsidenten mit einem Granden des deutschen Printjournalismus fachsimpeln – Hans Leyendecker.

Natürlich hat das Medienfest einen Facebook Account und einen Twitter Hashtag, den fleißige feste, freie oder festfreie Arbeitsbienen ständig füllen werden. Am Ende werden sie über 2,4 Millionen Euro ausgegeben haben. Aber ist das, wie der Titel verspricht, die „Schöne neue Medienwelt: Vernetzt, offen, mobil“? Und passt so eine Werbeveranstaltung, vor allem für private Aus- und Weiterbildner und Selbstbeweihräucherungsplattform etablierter Medienmacher in Zeiten von Sparhaushalten und Schuldenbremse? Die Medienstabsstelle der Stadt Köln wollte oder konnte trotz mehrmaliger Nachfrage die Kosten, die die Stadt Köln beim Medienfest trägt, nicht bekannt geben.

Das Medienfest NRW findet am 23. und 24. Juni im Mediapark Köln (ab 11 Uhr) statt.

Autor: Andi Goral
Foto: Die Medien-Macher von morgen?