Köln | Seit gestern sind die Nachrichten mit einem Thema geflutet: Die CDU und die K-Frage. Am Sonntag wählt Brandenburg. Seit Montag wird an den deutschen Grenzen kontrolliert. Was passiert nächsten Montag und warum hat es die CDU und die CSU so eilig? Die 2 Tage Unions-Kommunikation, die Stimmen und eine Umfrage.
Die Fakten: Am Montagabend erklärt Hendrik Wüst, dass er bei der kommenden Bundestagswahl nicht Kanzlerkandidat der Union sein möchte und Friedrich Merz unterstütze. Am Dienstagmorgen stimmt sein Ministerpräsidentenkollege aus Schleswig-Holstein ein und am Mittag macht es Söder dann perfekt und erklärt ganz Influencer er sei fein damit. Die CDU inszeniert in zwei Tagen die K-Fragen-Kür mit hehren Worten und fühlt sich natürlich zu Höherem berufen und signalisiert damit es gibt sie noch die gute alte Union mit ihrem angeborenen Machtanspruch, Ampelbashing inklusive.
Die Dramaturgie im Detail
Mit Wüst fing es an
Am Dienstagmorgen folgte CDU-Vize Prien:
Jetzt „ist es auch an der Zeit, zu Ergebnissen zu kommen“, sagte Prien dem Sender ntv. Aus ihrer Sicht läuft die Kanzlerkandidatur auf Friedrich Merz statt auf CSU-Chef Markus Söder hinaus. Zu Söders Ambitionen sagte Prien: „Da wollte ja jemand gerufen werden, aber es hat keiner gerufen.“
Dass der schleswig-holsteinische Ministerpräsident Daniel Günther, der ebenfalls als möglicher Unionskanzlerkandidat gilt, nach Wüsts Verzicht Ansprüche anmeldet, sieht Prien nicht. Die CDU-Vize, die in Günthers Kabinett Bildungsministerin ist, sagte: „Ich glaube, Herr Günther wird so wie die gesamte CDU am Ende Friedrich Merz unterstützen.“
Der Dienstagmittag
Söder macht Weg für Kanzlerkandidatur von Merz frei
Der Weg für eine Kanzlerkandidatur von CDU-Chef Friedrich Merz bei der Bundestagswahl im kommenden Jahr ist frei. Nachdem NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst am Montag seinen Verzicht erklärt hatte, zog am Dienstag der CSU-Vorsitzende Markus Söder nach.
„Um es kurz zu machen: Die K-Frage ist entschieden, Friedrich Merz macht`s“, sagte Söder am Mittag bei einem gemeinsamen Auftritt mit dem CDU-Chef in der bayerischen Landesvertretung in Berlin. „Ich bin damit fein und ich unterstütze dies ausdrücklich.“ Er fügte hinzu, dass sich beide „komplett einig“ seien. „Wir haben nur ein Ziel – die Ampel abzulösen und Deutschland endlich wieder auf Vordermann zu bringen.“ Dem muss und werde sich alles Weitere unterordnen. Söder widersprach auch Einschätzungen, wonach die Entscheidung kurzfristig getroffen wurde: „Der Termin heute ist nicht spontan, er ist länger vorbereitet“, sagte er.
Merz selbst sagte, dass man immer deutlich gemacht habe, dass sich die Situation von 2021 nicht wiederholen dürfe. Man habe sich gegenseitig fest versprochen, dass man zu einer „neuen Geschlossenheit“ finden müsse und dass CDU und CSU wieder besser zusammenarbeiten müssten. „Dieses Versprechen lösen wir mit dem heutigen Tag ein“, so Merz. Auch Söder bekräftigte die Einigkeit beider Schwesterparteien: „Wir haben keine Streitigkeiten mehr und das tut einfach gut“, sagte er.
Die Entscheidung für Merz hatte sich schon länger angedeutet, vor allem weil es kaum öffentliche Rufe aus den Reihen von CDU und CSU nach einer Kandidatur von Söder gab. Dieser hatte sich mögliche Ambitionen auf das Kanzleramt allerdings bis zuletzt offengehalten.
Die Entscheidung für Merz als Kanzlerkandidat muss in den kommenden Wochen noch von den zuständigen Gremien abgesegnet werden.
Die Umfragen
Forsa: Scholz und Merz bei Kanzlerfrage wieder gleichauf
In der vom Institut Forsa gemessenen Kanzlerpräferenz der Bundesbürger liegen Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und CDU-Chef Friedrich Merz wieder gleichauf.
Wenn sie den Bundeskanzler direkt wählen könnten, würden sich laut der Erhebung für die Sender RTL und ntv aktuell jeweils 26 Prozent der Wahlberechtigten für Merz und Scholz entscheiden. Unverändert 48 Prozent würden sich weder für Scholz noch für Merz entscheiden. Die Spitzen der Unionsparteien hatten am Dienstagmittag verkündet, dass Merz tatsächlich Kanzlerkandidat werden soll – in den Umfragewerten ist diese Ankündigung aber noch nicht berücksichtigt worden.
Bei den Parteipräferenzen verlieren die Unionsparteien laut „Trendbarometer“ gegenüber der Vorwoche zwei Prozentpunkte und sinken auf 31 Prozent. Das BSW verliert im Vergleich zur letzten Woche einen Punkt und kommt aktuell auf 6 Prozent. Die SPD (15 Prozent) und die FDP (4 Prozent) können sich jeweils um einen Punkt verbessern. Auch der Wert für die sonstigen Parteien (13 Prozent) steigt um einen Prozentpunkt. Die Werte für die Grünen (11 Prozent), die Linke (3 Prozent) und die AfD (17 Prozent) bleiben unverändert.
Die Daten zu den Partei- und Kanzlerpräferenzen wurden vom 10. bis 16. September erhoben. Datenbasis: 2.501 Befragte.
Forsa: 19 Prozent halten Merz für geeigneten Kanzlerkandidaten
Fragt man die Bundesbürger, welche Spitzenpolitiker für das Amt des Bundeskanzlers aus ihrer Sicht am besten geeignet wären, liegt Boris Pistorius mit 30 Prozent an erster Stelle. Das ist das Ergebnis des RTL/ntv-„Trendbarometers“, das vom Meinungsforschungsinstitut Forsa durchgeführt wurde.
Für 22 Prozent aller Bundesbürger gehört demnach Markus Söder, für 19 Prozent der heute zum gemeinsamen Kanzlerkandidaten der Union ausgerufene Friedrich Merz zu den Politikern, die sie für das Amt des Bundeskanzlers für am besten geeignet halten. 18 Prozent sagen das von Robert Habeck und nur 9 Prozent vom amtierenden Bundeskanzler Olaf Scholz.
Von den Anhängern der Union zählen 47 Prozent Friedrich Merz zu den am besten geeigneten Politikern für das Amt des Bundeskanzlers, 41 Prozent (auch) Markus Söder und 24 Prozent Boris Pistorius. Von den Anhängern der SPD wird am häufigsten Boris Pistorius (54 Prozent) für „kanzlertauglich“ befunden, nur 32 Prozent sagen dies von Olaf Scholz Für die Erhebung befragte Forsa am 17. September 2024 insgesamt 1.003 Menschen.
Die Stimmen aus der Union und von den anderen Parteien
FDP und Freie Wähler begrüßen Kanzlerkandidatur von Merz
Nach der Entscheidung für CDU-Chef Friedrich Merz als Kanzlerkandidat der Union haben die FDP und die Freien Wähler positiv gestimmt reagiert.
„Wir gratulieren Friedrich Merz und freuen uns auf den Wettbewerb mit ihm“, schrieb FDP-Chef Christian Lindner bei Twitter. „Nach personeller Klarheit sollte jetzt die inhaltliche folgen.“ Die Liberalen kämpften für eine Wirtschaftswende, für Freiheit sowie gegen Bevormundung und den „Schuldenstaat“. Man neugierig, ob die Union zu einer „Reformpolitik“ zurückkehre oder ob sie „die Ära Merkel fortsetzt“, so Lindner.
Der Chef der Freien Wähler, Hubert Aiwanger, begrüßte die Festlegung von CDU und CSU auf Merz als gemeinsamen Kanzlerkandidaten für die Bundestagswahl 2025 ebenfalls. „Die Würfel sind gefallen. Damit dürfte Merz der nächste Kanzler werden, wenn nicht eine dubiose Linkskoalition zum Zug kommt“, sagte Aiwanger der Mediengruppe Bayern.
Er rief die Union auf, sie müsse „jetzt klar auf eine bürgerliche Koalition aus Union, Freien Wählern und FDP setzen statt auf Schwarz-Rot oder Schwarz-Grün“. Nur so könne man „enttäuschte bürgerliche Wähler in die koalitionsfähige Mitte zurückholen, anstatt weitere Wähler an die Ränder zu verlieren“.
Union beschwört nach Entscheidung in K-Frage Geschlossenheit
Nach der Entscheidung für CDU-Chef Friedrich Merz als Kanzlerkandidat der Union beschwören CDU und CSU ihre Geschlossenheit.
So unterstützen etwa der Sozial- und der Wirtschaftsflügel der Union die Kanzlerkandidatur von Merz. „Er hat die Union geeint, der Fraktion Profil gegeben und die Partei nach vorne gebracht. Friedrich Merz hat gezeigt: Er kann Kanzler“, sagte die Vorsitzende der Mittelstands- und Wirtschaftsunion, Gitta Connemann (CDU), dem „Redaktionsnetzwerk Deutschland“. „Er ist der Richtige für die Union. Von seinem klaren Kurs werden der Standort Deutschland und unser Mittelstand profitieren.“
Auch die Christlich-Demokratische Arbeitnehmerschaft (CDA) äußerte sich positiv zur Kanzlerkandidatur von Merz: „Jetzt geht es darum, mit einer geschlossenen Mannschaftsleistung in den nächsten zwölf Monaten dafür zu sorgen, dass wir Olaf Scholz ablösen und Friedrich Merz Bundeskanzler wird“, sagte der neue CDA-Chef Dennis Radtke dem RND. „Dafür werde ich mich gerne mit ganzer Kraft einbringen.“
Der Nürnberger Bundestagsabgeordnete und CSU-Bezirkschef Michael Frieser bezeichnete die Entscheidung als „starkes Signal“ für die Bundestagswahl im kommenden Jahr. Man gehe „fest entschlossen und geschlossen“ in das letzte Jahr der „zerstrittenen Ampel-Koalition“ und werde im Bundestagswahlkampf 2025 gemeinsam um die Stimmen der Wähler werben. „Zwischen Merz und Söder, CDU und CSU passt inhaltlich kein Blatt Papier“, so Frieser.
Die frühere CDU-Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer begrüßte die Entscheidung ebenfalls. „Es ist die richtige Entscheidung“, sagte Kramp-Karrenbauer der „Rheinischen Post“ (Mittwochsausgabe). „Sie sendet das notwendige Signal der Geschlossenheit und Entschlossenheit.“ Kramp-Karrenbauer war von 2018 bis 2021 CDU-Vorsitzende.
Auch der stellvertretende CDU-Vorsitzende Andreas Jung lobte die Einigung mit CSU-Chef Markus Söder. Er sagte der „Rheinischen Post“, dass es „die richtige Entscheidung zur richtigen Zeit“ sei. „Friedrich Merz steht für die Kompetenz und Klarheit, die unser Land jetzt braucht.“
Das sagen SPD und Grüne
Deutlich negativer fielen erwartungsgemäß die Reaktionen aus den Reihen der SPD und der Grünen aus. So griff etwa der Bundesvorsitzende der SPD-Nachwuchsorganisation Jusos, Philipp Türmer, den designierten Kanzlerkandidaten der Union scharf an. „Die CDU zieht also mit Friedrich Merz in den Wahlkampf, dem unbeliebtesten der drei Männer, die im Raum standen“, sagte Türmer der „Rheinischen Post“.
„Merz ist ein Kandidat des Rückschritts, das Gegenteil dessen, was ein Land mit Modernisierungsauftrag braucht. Ein Politiker aus den 1990ern kann keine Probleme der 2020er lösen“, sagte der Juso-Vorsitzende weiter. „Es hatte ja seinen Grund, warum er erst zweimal scheiterte, bis die Union ihn im dritten Anlauf zu ihrem Vorsitzenden wählte. Im Grunde wissen auch Markus Söder und Hendrik Wüst, dass Merz es nicht kann“, so Türmer.
Aber er sei der kleinste gemeinsame Nenner, hinter dem sich auch die „teilweise völlig nach rechts abgedriftete Basis der Union“ versammeln könne. „Ich habe große Zweifel, ob die Bevölkerung am Ende diesen rückwärtsgewandten Politikertypus mit unkontrollierbaren Stimmungsschwankungen und rechtspopulistischen Totalausfällen wirklich als Kanzler will“, sagte der Juso-Chef.
Grünen-Chefin Ricarda Lang sieht Deutschland derweil vor einer Richtungswahl. Mit der Entscheidung für CDU-Chef Friedrich Merz als Kanzlerkandidaten habe sich die Union „von der Ära Merkel verabschiedet“, sagte sie dem „Tagesspiegel“. „Im nächsten Jahr geht es darum, wer wir als Land sein wollen.“ Man freue sich auf einen sportlichen Wettbewerb, „um die besten Ideen für die Zukunft des Landes, nicht für seine Vergangenheit“, sagte Lang.
Stegner: Merz steht für „Frauen an den Herd“
Die SPD kritisiert die Nominierung von Unions-Kanzlerkandidat Friedrich Merz für die Bundestagswahl 2025. „Merz steht für gesellschaftliche Spaltung und außenpolitisches Abenteurertum, Frauen an den Herd“, sagte der SPD-Bundestagsabgeordnete Ralf Stegner dem „Tagesspiegel“ (Mittwochausgabe). Die SPD wolle sozialen Zusammenhalt und eine besonnene Friedenspolitik.
„Wir sollten Friedrich Merz nicht unterschätzen, aber dennoch kann sich die SPD über seine Nominierung freuen, weil die Unterschiede zwischen ihm und Olaf Scholz klar sind“, argumentiert der Sozialdemokrat.
„Dennoch muss die Ampel sich zusammenreißen, wir dürfen die Friedens- und Migrationspolitik nicht den Populisten überlassen. So können wir in Schlagdistanz zu Union kommen, und am Ende als SPD Friedrich Merz schlagen“, so Stegner.
Der Zeitpunkt
Warum die plötzliche Eile in der Union die K-Frage noch vor der Wahl in Brandenburg öffentlich zu machen? Diese Frage bleibt aktuell offen. Hofft die CDU damit noch Boden in dem ostdeutschen Land gut zu machen? Oder wappnet sich die Union für das was passieren könnte nach der Brandenburg-Wahl und will dafür parat sein?
Mit Material der dts nachrichtenagentur