Im Interview spricht Messechef Gerald Böse über die Folgen der Krise für sein Unternehmen, über die rein digitale Gomescom und über die Messen, die im Herbst wieder vor Ort in Deutz stattfinden.

Wie erleben Sie aktuell Köln in der Krise?

Gerald Böse: Im Normalzustand ist Köln eine Stadt in Bewegung und das in jeder Hinsicht. Das betrifft das wirtschaftliche, das kulturelle und das gesellschaftliche Leben gleichermaßen. In der Krise ist das alles gedämpft und verlangsamt, wie unter einer Glocke. Das betrifft auch die Messe, die ein wichtiger Wirtschaftsmotor der Stadt ist und für viele Wirtschaftszweige Kölns große Bedeutung hat – für Gastronomie und Hotellerie, öffentlichen Verkehr, Einzelhandel und natürlich die vielen Messedienstleister vom Standbauer bis zum Caterer.

Was sind für Sie als Vorsitzender der Geschäftsführung der Köln-Messe jetzt die größten Herausforderungen?

Böse: Wir müssen dafür sorgen, dass wir genügend Liquidität und Cashflow haben, um die elementaren Funktionen des Unternehmens aufrechtzuerhalten und auch unsere Investitionen weiter tätigen zu können. Wir investieren allein in diesem Jahr 100 Millionen Euro in die Infrastruktur und die Modernisierung des Geländes. Hinzu kommt die Verantwortung für unsere Mitarbeiter, denen wir schon früh das mobile Arbeiten ermöglicht haben. Viele sehnen sich jetzt aber nach den sozialen Kontakten mit den Kollegen im Büro. Das gilt es sukzessive umzusetzen. Vor allem aber müssen wir den Kontakt zu unseren Kunden aufrechterhalten, um den Neustart im Herbst und damit das zweite Messehalbjahr vorzubereiten.

Wie gravierend war der Ausfall der Veranstaltungen im ersten Halbjahr?

Böse: Die für Anfang März geplante Eisenwarenmesse war die erste Veranstaltung, die wir schon frühzeitig für dieses Jahr abgesagt und auf 2021 verschoben haben. Weitere Absagen und Verschiebungen sind gefolgt. Dass das richtig war, hat der Verlauf der vergangenen Wochen gezeigt, in denen Messen unter den gegebenen Rahmenbedingungen nicht möglich gewesen wären. Das hat natürlich finanzielle Auswirkungen auf unser Unternehmen. Außerdem müssen wir jetzt neue Termine finden und diese mit den jeweiligen Branchen abstimmen. Da gibt es einen hohen Kommunikationsbedarf.

Wie sieht derzeit Ihr beruflicher Alltag aus?

Böse: So mancher mag denken, dass wir in der Krise weniger zu tun haben. Das ist aber definitiv nicht der Fall. Es gibt zentrale Funktionen im Unternehmen, die jetzt besonders gefordert sind – genauso wie die Messeteams, die ab September ihre Veranstaltungen wieder durchführen. Jetzt gilt es, die richtigen Weichen zu stellen und keine Fehler zu begehen. Deshalb müssen wir jede Entscheidung mit größter Sorgfalt treffen und richtig kommunizieren. So kann ich mich nicht über mangelnde Arbeit beklagen, die ich teilweise im Büro und teilweise von zu Hause im Homeoffice erledige. Für uns ist das, was gerade passiert aber auch eine wichtige Erfahrung, wenn es um das Arbeiten von morgen geht. Es wird einen Neubau unseres Verwaltungsgebäudes geben, da werden die Erfahrungen jetzt mit einfließen.

Die Gamescom wird erstmal rein digital stattfinden.

Böse: Das ist eines der spannendsten Projekte, die wir aktuell haben. Es ist die erste rein digitale Messe und entsprechend intensiv sind die Vorbereitungen für uns und unsere Partner. Wir haben schon Erfahrungen mit unserem Onlineportal zur gamescom 2019 gesammelt, mit dem wir die Neuheiten der Branche präsentiert haben. Das war eine Mischung aus Präsentation vor Ort und im Internet. Jetzt werden wir die Inhalte der Aussteller und ihre Innovationen zielgruppengerecht und rein digital präsentieren und das 24 Stunden an vier Tagen. Damit erreichen wir die Community weltweit. Das ist ein Thema für die Zukunft – denn die digitale Reichweite einer Messe ist entscheidend für ihren Erfolg.

Im Herbst werden auch wieder die ersten Messen vor Ort stattfinden.

Böse: Da arbeiten wir sehr eng mit den Wirtschafts- und Gesundheitsministerien von Bund und Land sowie mit dem Krisenstab der Stadt zusammen. Gemeinsam legen wir die Kriterien für die einzelnen Messen fest. Wichtig war uns, dass wir als Messe nicht in einen Topf mit anderen Großveranstaltungen wie Volksfeste oder Konzerte geworfen werden. Wir brauchen separate Regeln und tun alles, um die Sicherheit und Gesundheit unserer Besucher zu gewährleisten. Wir verfügen über variable Flächen, können Kontakte mit Hilfe der Teilnehmerregistrierung gut nachverfolgen und sowie die maximale Personenzahl in den Hallen, den Eingängen und an bekannten Hotspots des Geländes steuern. Jede Messe muss dazu einzeln betrachtet werden. Für uns ist das jetzt ein Übergangsjahr, in dem wir auch den Service für den Kunden entsprechend ausweiten. Gerade jetzt müssen wir ihn – Beispiel Standbau – möglichst weitgehend entlasten und ihm die Teilnahme so einfach wie möglich machen. Wir nehmen ihm als Dienstleister so viel wie nur möglich ab.

Wer wird zu den Messen im Herbst kommen?

Böse: Gut für uns ist, dass sich die Reisebeschränkungen im Schengenraum Mitte Juni signifikant entspannen. Das bringt auch für Geschäftsreisende Erleichterungen mit sich. Köln liegt zudem zentral in Europa, sodass man uns auch gut mit dem PKW erreichen kann. Für die ersten Messen im September rechnen wir vor allem mit europäischen Gästen, da es voraussichtlich noch keine interkontinentalen Flüge geben wird. Aber gerade die europäischen Märkte sind sehr wichtig für uns.

Wie wird die Messe der Zukunft aussehen?

Böse: Die Vorsicht wird noch eine Zeit lang anhalten und bis die Wirtschaft das Niveau vor der Krise erreicht hat, wird es sicher bis ins Jahr 2023 dauern. Wir haben als Koelnmesse aber sehr gute Jahre hinter uns und sind uns auch sicher, dass wir gestärkt aus der Krise herausgehen werden. Das macht auch die aktuellen Investitionen so wichtig. Es wird eine digitale Transformation von Veranstaltungen geben. Dabei spielt unser Hybridmodell, das analoge Präsenz mit einem starken digitalen Auftritt verbindet und auf das wir schon zu den Herbstmessen setzen, eine zentrale Rolle.

Welche Rolle spielt eine Messe in Krisenzeiten?

Böse: Gerade bei kleineren und mittelständischen Unternehmen hat eine Messe ganz zentrale Bedeutung für das komplette Exportgeschäft. Diese Unternehmen brauchen Messen auch jetzt dringend als Plattform, um Lieferanten und Kunden zu treffen. Hier werden Beziehungen wieder aufgebaut und gestärkt. Gerade in einer Zeit großer Herausforderungen ist es wichtig, dass Branchen vor Ort zusammenfinden. Der Nachholbedarf ist da. Das gilt nicht nur privat, wenn man mal wieder zum Lieblingsitaliener will oder sich mit Freunden im Biergarten treffen möchte. Ganz ähnlich ist das auch bei wirtschaftlichen Kontakten. Der Mensch bleibt auch in der Krise ein Sozialwesen.

Was macht Ihnen aktuell Sorgen und was Hoffnung?

Böse: Sorgen macht mir die gesamtwirtschaftliche Situation in der Krise. Da werden in den Innenstädten beim Einzelhandel und bei der Gastronomie Strukturen zerschlagen, die so schnell nicht wiederkommen. Der Onlinehandel wird gestärkt und wer bequem dort einkauft, kehrt womöglich nur ungern in die Innenstadt zurück. Hinzu kommt, dass der private Konsum insgesamt rückläufig ist – eine wichtige Säule der deutschen Konjunktur, so wie Exportwirtschaft und Immobilienwirtschaft. Anders als bei der Finanzkrise 2008 sind nahezu alle Bereiche betroffen. Hoffnung macht mir, wie Deutschland mit der Situation umgeht. Uns sind Bilder wie in den USA oder in Italien erspart geblieben. Das hat mich auch nicht verwundert, denn unser Gesundheitssystem ist in einem hervorragenden Zustand. Jetzt müssen wir die Lockerungen Stück für Stück umsetzen und dabei auch auf Kinder und Jugendliche blicken. Sie haben unter der Krise besonders gelitten und brauchen jetzt wieder ihre Normalität. Das kann ich auch als Vater eines vierjährigen Sohnes und als Ehemann einer berufstätigen Frau sagen. Für uns gab es auch zu Hause eine echte Herausforderung.

Autor: Von Stephan Eppinger | Foto: Köln Messe