Bonn | Endlos ziehen sich rote Farbschlaufen über die Leinwand. Die Handschrift von David Reed scheint erfroren, gefangen im Prozess des immer Gleichen. Es ist kein Zufall, dass sich der Blick in dem organischen Geflecht verliert. Der 1946 im US-amerikanischen San Diego geborene Maler fordert die Betrachter: Er begleitet sie auf die Suche nach dem Sinn der Malerei in einer Zeit, in der neue Medien Wirklichkeiten vielfältig einzufangen vermögen. Der Film ist dabei gelebte Referenz, wie die Großformate in der Ausstellung „Heart of Glass“ (28. Juni – 7. Oktober) im Kunstmuseum Bonn zeigen.

Dickflüssig wirken die roten Falten. Unglaublich langsam scheint eine Paste die Leinwand einzunehmen. Reed dehnt die Zeit, hängt mehrere Bewegungen wie Filmsequenzen aneinander. Den Abstrakten Expressionismus hat er inzwischen überwunden. Das subjektive Pathos und den Glauben an die absolute Individualität ersetzt Reed durch Ornamente, deren ritualisierte Gestik sich selbst genügt. „Er will nicht das Bild, er will das ewige Malen“, erklärt Kurator Christoph Schreier und legt dem schmächtigen Maler beherzt den Arm um die Schultern. Deshalb nenne er ihn auch einen „Malerei-Euphoriker“.

„Die Medien haben mich mehr beeinflusst, als mir bewusst war“

Losgesagt von den Werken Jackson Pollocks und dessen Zeitgenossen hat sich Reed in den 1970er Jahren. In „#64“ zitiert er ein letztes Mal die Handschrift des eruptiven Abstrakten Expressionismus. Schwarze Balken ziehen sich horizontal über eine nicht gespannte Leinwand. Wo hölzerne Verstrebungen eigentlich Halt bieten sollen, ist Farbe heruntergelaufen. „Ich wollte, dass die Geste das gesamte Gemälde bestimmt“, erklärt Reed. Die Bewegungen von Pollock werden seriell wiederholt und damit entwertet.

Zumindest der filmischen Darstellung ist Reed treu geblieben. Gleich mehrere Sonnen werfen in „Sunset Oliato“ ihr bläuliches, rotes und gelbes Licht auf das Papier. Das Frühwerk aus dem Jahr 1967 dokumentiert die Phasen eines Sonnenuntergangs wie im Abspann eines Westerns. Tatsächlich ist das Gemälde in einem Indianerreservat im südwestlichen US-Bundesstaat Arizona entstanden. „Ich bin damals in eine Höhle gegangen, weil es zu heiß wurde“, erinnert sich Reed. Völlig überrascht habe er festgestellt, dass er den Ort schon kannte – aus dem Westernfilm „The Searchers“ wie sich später herausstellte. „Die Medien haben mich mehr beeinflusst, als mir bewusst war.“

Reed setzt auf kühle Romantik

Der Bezug zu den Medien ist inzwischen Kalkül. Für seine Farbschlaufen wählt der US-Maler horizontale Formate, die an Filmstreifen oder Kinoleinwände erinnern. Das Rot und das Türkis bei zwei Gemälden stammen aus dem Hitchcock-Film „Vertigo – Aus dem Reich der Toten“. Rot steht für den pensionierten Polizisten John Ferguson, der sich in eine selbstmordgefährdete Frau verliebt, diese aber wegen seiner Höhenangst nicht vor dem Todessprung retten kann. Türkis spielt auf dessen neue Geliebte Judy an, die er in einem gleichfarbig ausgeleuchteten Hotelzimmer trifft.

Maßstabsgetreu sind die Gemälde auf Millimeterpapier geplant. Rote Tupfen zieren die Ränder eines Blattes. Die Skizzen dokumentieren den Schaffensprozess von der Farbwahl bis zur letzten Korrektur. „Das sind Biografien der Werke von A bis Z“, erläutert Schreier. Distanz sollen die Arbeiten durch das Kalkül jedoch nicht aufbauen. „Die Gemälde wirken manchmal kalt“, räumt Reed ein und betrachtet nachdenklich die Farbfalten. „Das ändert sich aber, aber wenn man sich näher mit ihnen beschäftigt“, fügt er an. Vielleicht erkennen dies auch die Besucher: Es ist eine der kühlsten Formen der Romantik, die in der Zeit allgegenwärtiger Medien zu erleben ist.

Autor: Sandra Hottenrott/ dapd | Foto: Hermann J. Knippertz/ dapd
Foto: Künstler David Reed vor seinem Werk „470“ (2001)