Das Foto zeigt das Museum Ludwig. | Foto: Eppinger

Grüne Zukunft: Kürbisse und Feigen auf der Dachterrasse

Köln | „Das Museum ist eine Bildungseinrichtung und hat auch einen Bildungsauftrag. Unsere Projekte und Ausstellungen haben einen hohen wissenschaftlichen Anspruch. Wir erwarten, dass wir bei möglichen Schließungen während eines Lockdowns auch entsprechend betrachtet werden“, sagt der Direktor des Museums Ludwig, Yilmaz Dziewior, bei der Präsentation des Programms für das kommende Jahr. Beim vergangenen Lockdown wurde sein Haus wie andere Museen geschlossen und die große Andy Warhol Ausstellung konnte erst mit einer deutlichen Verspätung den Besuchern zugänglich gemacht werden.

Auch für das kommende Jahr hat man sich im Museum viel vorgenommen, wo noch bis Ende Januar die Sonderschau „Der geteilte Picasso“ zu sehen ist. Insgesamt sieben Ausstellungen sind für 2022 geplant. Los geht es am 26. März mit einer Schau zum Werk des amerikanisch-japanischen Bildhauers Isamu Noguchi, der hierzulande eher als Designer bekannt ist. In seiner Heimat gehört er zu den großen Ikonen der Kunst. Nach 20 Jahren wird es die erste umfassende Retrospektive in Europa sein. Die Ausstellung zeigt erstmals mit 150 Arbeiten alle Schaffensphasen Noguchis und präsentiert ihn als experimentierfreudigen und politisch engagierten Künstler.

Erweitertes Verständnis von Skulptur

Noguchi ist mit seinem Mid-Century Design von Couchtisch und Akari-Leuchten als Designer weltbekannt geworden. Sein erweitertes Verständnis von Skulptur und die Frage nach dem Verhältnis des Menschen zur Erde prägen sein Werk ebenso, wie seine Faszination für Material und Technik. Die Ausstellung zeigt den Künstler als großen Bildhauer des 20. Jahrhunderts. Noguchis Denken war in jeder Hinsicht grenzüberschreitend, transnational und radikal interdisziplinär. Von den 1920er Jahren bis in die 80er Jahre fertigte er Denkmäler mit politischer Aussage, Lichtobjekte, Bühnenbilder, Spielplätze, Gärten – immer auf der Suche nach der Verbindung von Kunst und Alltag. Im Zentrum der Ausstellung stehen Noguchis surrealistische Skulpturen aus den 40er Jahren. Die Sonderausstellung, die den Blick auch verstärkt auf die Diversität der modernen Gesellschaft wirft, läuft bis zum 31. Juli.

Grüne Moderne

Die zweite große Sonderschau des Jahres trägt den Titel „Grüne Moderne. Die neue Sicht auf Pflanzen“. Sie läuft vom 17. September bis zum 22. Januar 2023. Die Ausstellung führt die Besucher zurück ins frühe 20. Jahrhundert und wie die Künste Pflanzen betrachteten. Die Kinos waren voll, als 1926 „Das Blumenwunder“ das Pflanzendasein ganz neu vor Augen führte. Dabei lagen dem „Wunder“ Zeitraffer-Laboraufnahmen von Experimenten mit dem ersten künstlichen Dünger zugrunde. Jagadis Chandra Boses berühmte elektromagnetische Aufnahmen vom “Puls” der Pflanzen beförderte die Entdeckung von Pflanzen als Lebewesen noch mehr.

Auch in Malerei, Grafik und Skulptur der Weimarer Republik grünte es – schließlich eröffnete die neue Architektur mit ihren größeren Fenstern ganz neue Möglichkeiten für sogenannte „Zimmergärten“. Kakteenfenster kamen in Mode, die Zierpflanze eroberte die Stadt. Aber Flora, das zeigt der Blick in Modemagazine, war eben noch im 20. Jahrhundert weiblich konnotiert. Und die Reichweite von Carl von Linnés binärer Geschlechterdifferenz der Pflanzenwelt, die anthropomorphe Pflanzendarstellung zeigt, dass über Pflanzen nachzudenken immer auch heißt, über das Menschsein nachzudenken. In der Ausstellung sind unter anderem Werke von Aenne Biermann, Heinrich Hoerle, Karl Blossfeldt, Renée Sintenis, Karl Schmidt-Rottluff, und Otto Dix zu sehen.

Die Sonderausstellung ist auch ein Experiment eines Museums, das künftig noch grüner und nachhaltiger werden möchte. Auf Leihgaben mit langen Transportwegen wird ebenso verzichtet wie auf einen Katalog in Papierform. Dieser wird nur digital, dafür kostenfrei zugänglich sein. Die Ausstellungsarchitektur wird aus recycelten Elementen bestehen. Eine wichtige Rolle spielen auch die neuen, aus früheren Transportkisten gezimmerten Hochbeete auf den Dachterrassen des Ludwig, wo Lavendel genauso angebaut wird wie Kürbisse oder Feigen. Im Restaurant des Museums wird das Angebot während der Sonderschau um eine pflanzenbasierte Speisekarte erweitert, wo auch die eigene Ernte ihre Verwendung findet. Mit den Dachgärten und einer Fassadenbegrünung soll das Gebäude im Sommer auch besser gekühlt werden.

„Hier und jetzt im Museum Ludwig“

Das achte Projekt der Ausstellungsreihe „Hier und jetzt im Museum Ludwig“ unternimmt vom 8. Oktober bis zum 5. Februar 2023 einen antikolonialen Streifzug durch die ständige Sammlung. Zusammen mit den beiden jungen Künstlerinnen Daniela Ortiz (geboren 1985 in Peru) und Paula Baeza Pailamilla (geboren 1988 in Chile) schauen die Museumsmacher mit kritisch-neugierigem Blick auf künstlerische Positionen aus Lateinamerika. Welche lateinamerikanischen Künstler findet man in der Sammlung? Wie reproduzieren Künstler der Klassischen Moderne – also in der Regel aus Europa – den exotisierenden Blick auf den globalen Süden? Welche Werke gilt es kritisch zu hinterfragen, welche bieten Gegenmodelle an? Im Sinne einer dezentralen Ausstellung machen die „antikolonialen Eingriffe“, verteilt über das ganze Haus, existierende Machtverhältnisse sichtbar – und erinnern nicht zuletzt an die lange diskriminatorische Geschichte der Institution Museum selbst.

Frank Bowling

In der vierten Sonderausstellung steht der Träger des Wolfgang-Hahn-Preises 2022, Frank Bowling vom 18. November bis zum 12. Februar 2023 im Mittelpunkt. Die Würdigung seines Schaffens erfährt der Künstler zum Ausklang einer langjährigen Karriere und zum Auftakt einer kunsthistorischen Einordnung als Klassiker. Über die Auszeichnung entschied die Jury aus Yilmaz Dziewior, Zoe Whitley, Direktorin der Chisenhale Gallery in London, sowie den Vorstandsmitgliedern des Fördervereins. Bowling schafft eine einzigartige abstrakte Malerei, die in ihrer thematischen und materiellen Vielschichtigkeit subversiv gegenüber einer eindeutigen Zuschreibung bleibt. Durch den Ankauf zum Wolfgang-Hahn-Preis erhält das Museum Ludwig den ersten Eingang von Bowlings Œuvre in eine öffentliche Sammlung in Deutschland und eröffnet so die Möglichkeit zu einer vertieften Rezeption seines Werks.

Ausstellungen im Fotoraum

Drei weitere Sonderausstellungen gibt es im Fotoraum des Ludwig. Vom 19. Februar bis zum 12. Juni finden sich dort die Werke von Felice Beato. Es sind Genreaufnahmen von Japanern in standesgemäßer Kleidung und Fotografien prominenter japanischer Landschaften und Reiserouten. Japanische Holzschnittkünstler brachten die durchscheinende Wasserfarbe in kunstfertiger Manier auf. Der westlich, exotisierende Blick auf das alte Japan, den diese Bilder transportieren, soll in der Präsentation hinterfragt werden.

Raghubir Singh

Vom 9. Juli bis zum 6. November werden Werke von Raghubir Singh gezeigt. Dieser kehrte über einen Zeitraum von zehn Jahren immer wieder nach Kolkata zurück, um ein komplexes und vielschichtiges Fotoporträt der Metropole zu erstellen. Vor allem in seinen Straßenansichten verdichtet Singh die vielfachen Eindrücke Kolkatas in farblich und kompositorisch beeindruckenden Fotografien. Die Präsentation zeigt zwölf Aufnahmen aus der Serie, die sich in der Sammlung befinden. Eine dritte Ausstellung gibt es vom 3. Dezember 2022 bis zum 12. März 2023 zur Kölner Fotografin Walde Huth. Das Museum Ludwig konnte 2020 einen Bestand von über 250 Werken der Fotografin erwerben. Bekannt wurde sie vor allem für ihre Modeaufnahmen der Haute Couture in Paris und Florenz aus den 50er Jahren. Diese Präsentation will eine behutsame Annäherung an Walde Huth aus dem Bestand der Neuerwerbungen sein.