Köln | Heute vor 100 Jahren wurde die legendäre Sonderbund-Ausstellung in Köln eröffnet. In diesem Sommer lässt das Wallraf-Richartz-Museum & Fobndation Corboud die Schau neu aufleben. 120 der damaligen Werke werden dann in ähnlicher Hängung erneut in der Domstadt zu sehen sein.

Publikum 1912 nicht genug vorbereitet

Am 25. Mai 1912 öffnete die temporäre städtische Ausstellungshalle am Aachener Tor ihre Pforte zur „internationalen Kunstausstellung des Sonderbundes Westdeutscher Kunstfreunde und Künstler“. Heute ist die Schau, die zu einer der wichtigsten Ausstellungen den 20. Jahrhunderts zählt, besser als „Sonderbund-Ausstellung“ bekannt. In mehreren Sälen präsentierte der Sonderbund rund 650 Werke der damals neuen Kunst. Die Schau sorgte für Aufregung in der Kunst-Welt. Während sich vor allem das Fachpublikum und junge Künstler von der Schau begeistert zeigten, konnte das „normale“ Publikum mit der Ausstellung wenig anfangen. „Sie waren offensichtlich noch nicht genug auf diese Kunst vorbereitet“, erklärte heute Kuratorin Barbara Schaefer.

Maßgeblich an der Schau mitgestaltet hatte 1912 der damalige Museums-Direktor des Kölner Wallraf-Richartz-Museums, Alfred Hagelstange. Er gehörte der vier-köpfigen Jury an, die entschied, welche Werke präsentiert werden sollten. Anlass genug für das Museum Wallraf die legendäre Ausstellung 100 Jahre später neu aufleben zu lassen. Unter dem Titel „1912 – Mission Moderne“ versucht Kuratorin Schaefer ein möglichst prägnantes Bild der Kunst des Jahres 1912 zu zeichnen. Zugleich blickt die Schau mit dem historischen Abstand von 100 Jahren auf die nachfolgenden Entwicklungen der Kunst der Moderne und zeigt, welche Künstler von damals heute noch bekannt und welche heute fast in Vergessenheit geraten sind. Einen neuen Blick lässt die Ausstellung auch auf die damals entstandenen Strömungen der Kunst zu – etwa die der Brücke, der Blauen Reiter oder der Fauves aus Frankreich.

Wallraf erwartet neuen Besucher-Rekord

Für die Rekonstruktion stellt das Museum Wallraf die komplette dritte Etage des eigenen Hauses zur Verfügung. Denn diese lässt einen ähnlichen Rundgang entlang der Werke zu wie die damalige Ausstellungshalle am heutigen Aachener Weiher. Zudem sollen Leisten und Türrahmen wie 1912 schwarz angestrichen werden. Im Obergeschoss präsentiert das Museum ab dem 31. August 2012 rund 120 der 650 Werke, die der Sonderbund 1912 ausstellte. Dazu gehören etwa Arbeiten von van Gogh, Gauguin, Munch, Cross, Picasso, Macke und Schiele. Die Exponate trug Schaefer aus der ganzen Welt zusammen, um sie in Köln noch einmal zu vereinen. Allein von 80 Werken von damals fehlt heute4 jede Spur. Weitere etwa 80 Werke konnte die Kuratorin nicht eindeutig identifizieren.

Auch in der Präsentation der Schau orientiert sich Schaefer an 1912. So werden die Bilder in einer recht engen Hängung zu sehen sein. Vor 100 Jahren nutzte der Sonderbund jede Wandfläche, um die 650 Werke zeigen zu können. Zudem wird Schaefer einige Konstellationen von damals neu aufleben lassen. So werden etwa drei Arbeiten von Edvard Munch auch 2012 zusammen mit Skulpturen von Ernst Barlach gezeigt. Ähnlich wie 1912 erwartet das Museum auch in diesem Jahr einen großen Zulauf zu der Schau. Museums-Direktor Andreas Blühm rechnet mit über 100.000 Besuchern. Damit könnte „1912 – Mission Moderne“ zu der erfolgreichsten Ausstellung im jetzigen Gebäude werden. Zugleich wird die Schau eine der letzten Ausstellungen sein, die Blühm eröffnen wird. Mitte Mai hatte der Direktor angekündigt, das Museum vorzeitig zu verlassen und an das Groninger Museum in den Niederlanden zu wechseln.

Wallraf schwebend erleben

Als ersten Vorgeschmack zur legendären Schau gestaltet die Seilbahn Köln ab heute eine ihrer Gondel als Wallraf-Bahn. Zudem werden in den kommenden Wochen wechselnde Reproduktionen der Meisterwerke aus der Sonderbundausstellung in den Gondeln gezeigt. Das Museum Wallraf selbst präsentiert seit heute im dritten Obergeschoss zudem zwei Werke von Edvard Munch und Henri Edmond Cross aus der eigenen Sammlung, die 1912 in der Schau zu sehen waren.

1912 – Mission Moderne
31. August bid 30. Dezember 2012
Wallraf-Richartz-Museum & Fondation Corboud
Obenmarspforten (am Rathaus)
50667 Köln

Autor: Cornelia Schlösser
Foto: Seit heute zeigt Museum Wallraf als Vorgeschmack Edvard Munchs „Vier Mädchen auf der Brücke“, das auch 1912 zu sehen war