Köln | Nach dem Anschlag von Solingen gibt es nicht nur Trauer, sondern vor allem in der Politik eine Debatte zum Verbot von Messern und über Migration. Weniger im Fokus: Die Leistung der Deutschen Sicherheitsbehörden und hier wäre auch NRW Innenminister Reul gefragt.
NRW-Innenminister zu Solingen: Alle Festgenommenen wussten etwas
Nach den Anschlag von Solingen hat NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) weitere Details bekannt gegeben. Auch der 15-Jährige und der Mann in der Flüchtlingsunterkunft, die zuerst festgenommen worden waren, waren womöglich nicht komplett unwissend.
Der mutmaßliche Attentäter und der Mann aus der Flüchtlingsunterkunft kennen sich nach Reuls worden gut. „Die haben viel zusammen gemacht – möglicherweise auch am Tattag“, sagte Reul der „Rheinischen Post“ (Montagausgabe). „Er wusste auf jeden Fall irgendetwas über den Flüchtigen, er war nicht unwissend.“
Zu der Festnahme eines 15-Jährigen am Samstagmorgen sagte Reul: „Der hat womöglich etwas von der Tat gewusst. Wenn sich das bestätigen sollte, kriegt er große Probleme. Er hätte es dann sagen müssen. Aber jemand hat gehört, wie er weit vor der Messertat darüber gesprochen hat. In welcher Verbindung er konkret zu dem Tatverdächtigen steht, kann ich noch nicht sagen.“
Zur nunmehr angeheizten Flüchtlingsdebatte sagte Reul: „Wir können nicht alle aufnehmen, die zu uns kommen wollen. Wir brauchen klare Regelungen für die Zuwanderung. Und wir brauchen eine Begrenzung. Wir müssen an den Außengrenzen Europas Lösungen finden, wir müssen an den deutschen Grenzen die Maßnahmen intensivieren.“ Auch Abschiebungen müssten schneller und einfacher gehen. „Aber wer denkt, dass sei die Lösung, der irrt auch. Wenn wir in NRW beispielsweise monatlich weiterhin so viele neue Flüchtlinge bekommen wie wir im Jahr abschieben werden, bringt das auch nicht viel“, sagte Reul. Auch von der groß von der Bundesregierung angekündigten Abschiebungswelle sei noch nichts zu sehen bisher. „Vielmehr muss die Zuwandererfrage geklärt werden“, betonte der Landesinnenminister.
Abschiebung gescheitert
Die Abschiebung des mutmaßlichen Attentäters von Solingen ist offenbar an der abgelaufenen Dublin-Überstellungsfrist gescheitert. Wie die „Welt“ unter Berufung auf Sicherheitskreise berichtet, hatte Bulgarien der Abschiebung aus Deutschland zugestimmt und die Zuständigkeit für den dort registrierten Syrer anerkannt. Die Ausländerbehörde Bielefeld wollte demnach den Syrer anschließend unangekündigt zur Abschiebung abholen. Doch dieser wurde nicht angetroffen.
Anschließend habe die Ausländerbehörde aber „nichts weiter unternommen“, heißt es aus Sicherheitskreisen. Falls die Behörde es nach einigen Tagen noch einmal versucht und ihn wieder nicht angetroffen hätte, und nach weiteren Tagen noch einmal, wäre der Syrer als untergetaucht oder flüchtig eingetragen worden. Damit hätte das Bamf die Möglichkeit gehabt, seine Überstellungsfrist von den üblichen sechs Monaten auf 18 Monate zu verlängern. Dies sei aber nicht geschehen, wegen des nur einmaligen Versuchs, ihn abzuholen, sodass die Überstellungsfrist am 20. August 2023 auslief, schreibt die „Welt“ weiter.
Folglich ging, wie es meist der Fall ist, die Zuständigkeit für den Asylantrag des Syrers von Bulgarien auf Deutschland über, wo er dann, wie üblich, als subsidiär Schutzberechtigter anerkannt wurde, heißt es.
Im Fall des Solinger Messerangriffs mit drei Toten kommt der Festgenommene in Untersuchungshaft. Ein Ermittlungsrichter am Bundesgerichtshof (BGH) habe Haftbefehl unter anderem wegen des Verdachts der Mitgliedschaft in der Terrorgruppe „Islamischer Staat“ (IS) und wegen Mordes erlassen, teilte die Bundesanwaltschaft am Sonntag in Karlsruhe mit.
Der 26-jährige Syrer teile die Ideologie der Terrorvereinigung und habe sich ihr „zu einem derzeit nicht genau bestimmbaren Zeitpunkt vor dem 23. August 2024“ angeschlossen, hieß es weiter. Aufgrund seiner „radikal-islamistischen Überzeugungen“ habe er den Entschluss gefasst, am Freitag auf dem Solinger Stadtfest eine möglichst große Anzahl aus seiner Sicht ungläubiger Menschen zu töten.
Der festgenommene mutmaßliche Attentäter von Solingen kooperiert nach den Worten von NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) mit den Behörden. „Den Eindruck habe ich“, sagte Reul am Sonntagabend in der ARD-Sendung „Caren Miosga“.
Im Übrigen sei die Beweislage auch „relativ klar“, so Reul weiter. Der NRW-Innenminister insinuierte, es sei auch wahrscheinlich, dass sich der Attentäter dem sogenannten „Islamischen Staat“ angeschlossen habe.
Wüst für Aufnahmestopp für Flüchtlinge aus Syrien und Afghanistan
Nach der Messerattacke in Solingen stellt sich NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) hinter die Forderung von CDU-Chef Friedrich Merz, die Aufnahme von Flüchtlingen aus Afghanistan und Syrien in Deutschland zu stoppen.
„Wir haben hier vom höchsten Verwaltungsgericht des Landes ein aktuelles Urteil, das sagt, dass der subsidiäre Schutz für Menschen aus Syrien […] gar nicht mehr in diesem Umfang gerechtfertigt sei“, sagte Wüst am Sonntag dem „Heute-Journal“ im ZDF. „Wir brauchen eine neue Lage-Einschätzung des Außenministeriums, um besser abschieben zu können. Und wenn es ein Land ist, in das man abschieben kann, dann stellt sich die Frage, warum sollen dann immer noch viele, viele Menschen kommen?“
Der NRW-Ministerpräsident hat noch keine Erklärungen, wieso die zuständigen Behörden den Tatverdächtigen nicht nach Bulgarien abgeschoben haben. Das müsse aufgeklärt werden, so Wüst. „Wir können diese Fragen von Flucht und Migration und die Frage des Islamismus und der weltweiten Herausforderungen freier Gesellschaften am Ende nicht in unseren Kreisausländerbehörden wegverwalten“, sagte Wüst. Das müsse „politisch in Berlin geklärt werden“.
Außerdem mahnte er an, nun die „richtige Debatte“ zu führen. Es seien „Islamisten, die unsere freien Gesellschaften attackieren“, so der NRW-Ministerpräsident und es liege „an den Kräften der politischen Mitte, eine Antwort zu geben“: „Und die richtige Debatte ist sicherlich nicht über die Frage, wie groß ein Messer sein darf, das man in Deutschland mit sich herumträgt. Man sollte überhaupt kein Messer mit sich herumtragen“, sagte Wüst.
Scholz kündigt in Solingen Verschärfung des Waffenrechts an
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat nach dem Messer-Attentat von Solingen eine Verschärfung des Waffenrechts angekündigt. „Das soll und wird jetzt ganz schnell passieren“, sagte er am Montag am Tatort nach einem Gedenken.
Bezüglich der Forderungen nach mehr Abschiebungen blieb der Kanzler eher vage. Scholz verwies auf bereits erfolgte gesetzliche Verschärfungen. Es werde aber auch weitere Maßnahmen geben. Unter anderem solle gemeinsam mit den Ländern eine Taskforce gegründet werden.
Zuvor hatte Scholz mit Helfern und Einsatzkräften vom Freitag gesprochen. Das sei „tief bewegend“ gewesen, so der SPD-Politiker. „Es gibt auch die Guten“, sagte er. Diese hätten nun in der nächsten Zeit mit der Verarbeitung der Ereignisse zu kämpfen. „Das wird keinem von uns aus den Köpfen gehen.“
Vom Bundesinnenministerium hieß es derweil, dass man aktuell „vertraulich mit verschiedenen Staaten“ verhandele, um Abschiebungen auch nach Syrien und Afghanistan zu ermöglichen. Weitere Details könne man aus Rücksicht auf die laufenden Verhandlungen nicht nennen, sagte eine Sprecherin am Montag in Berlin.
Waffengesetze: Union sieht „Scheindebatte“
Die Innenpolitikerin Andrea Lindholz (CSU) hält eine Diskussion über strengere Waffengesetze und Waffenverbotszonen für nicht zielführend.
„Was mache ich, wenn das zwei Meter neben der Waffenverbotszone stattfindet? Was unsere Polizei braucht, sind anlasslose Kontrollmöglichkeiten an bestimmten Stellen“, sagte Lindholz am Montag den Sendern RTL und ntv. Man könne über alles reden, auch strengere Gesetze und neue Verbotszonen. Nur dürfe es da nicht enden. „Das Problem ist in dem Fall nicht das Messer. Das Problem sind die Menschen dahinter“, so die CSU-Politikerin. Wichtiger sei eine Benennung der Täter und ihrer Motive und dann daraus die richtigen Konsequenzen zu ziehen.
„Da nützt es mir nichts, über Klingengrößen von sechs oder zwölf Zentimetern zu diskutieren. Seit Mannheim führen wir eine Scheindebatte. Die soll Sicherheit suggerieren, ist aber nicht das eigentliche Problem.“ Ihre Forderung: „Die Menschen in unserem Land erwarten, dass wir die eigentlichen Probleme lösen.“ Dafür sei die Union offen: „Deswegen steht auch das Angebot, hier zusammenzuarbeiten.“ Dies könne auch gegen eine Blockade der Ampel-Partner geschehen. „Wir unterstützen den Kanzler. Wir unterstützen auch diese Regierung dabei, Maßnahmen umzusetzen, die mit dem einen oder anderen Koalitionspartner nicht möglich sind.“ Wichtig sei, dass jetzt gehandelt werde.
Scholz und Merz beraten am Dienstag zur Migrationspolitik
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und Oppositionsführer Friedrich Merz (CDU) werden sich wohl am Dienstag dieser Woche treffen. Das berichtet das „Handelsblatt“ (Dienstagsausgabe) unter Berufung auf CDU-Kreise.
Das für den Morgen angesetzte Treffen im Kanzleramt sei seit längerem anberaumt gewesen. Merz habe zu einigen Themen „Informationsbedarf“ gehabt, hieß es. Nun aber werde es vor allen Dingen um den Terroranschlag von Solingen gehen und um einen Kurswechsel in der Migrationspolitik.
Merz hatte Scholz wiederholt angeboten, gemeinsam eine neue Asylpolitik zu etablieren, um eine unkontrollierte Migration zu stoppen und unter anderem ausreisepflichtige Asylbewerber auch wieder auszuweisen.
Eines fehlt in den Stimmen aus der Politik: Wie wird aufgearbeitet, dass die Sicherheitsbehörden die Gefährlichkeit des Mannes anscheinend nicht erkannten. Warum gelingt es nicht diese Personen zu identifizieren? Aber vielleicht kommt diese Debatte noch, denn die Union hat eine Sondersitzung des Innenausschusses des Deutschen Bundestages beantragt.
„Die Unionsfraktion hat am Sonntag noch eine Sondersitzung des Innenausschusses für diese Woche beantragt“, sagte Unions-Innenpolitikerin Andrea Lindholz am Montag den Sendern RTL und ntv.
Man wolle Antworten von Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) haben: „Zum einen alle Erkenntnisse, die sie zum Täter und zur Tat in Solingen hat. Zum anderen, welche Maßnahmen die Bundesregierung in diesem Zusammenhang plant, was die Innenministerin vorhat und wie sie die Sicherheitslage in Deutschland verbessern will“, so Lindholz.
Das müsse mit Blick auf Solingen und den Mord an einem Polizisten in Mannheim vor wenigen Wochen geschehen. „Was Ihre Antworten auf diese Taten sind, muss die Innenministerin im Innenausschuss erklären.“ Seit Wochen stehe die Ankündigung im Raum, dass auch nach Syrien und Afghanistan abgeschoben werden soll. „Wie weit ist die Bundesregierung da? Wie weit ist die Innenministerin? Das ist ein großes Thema“, so Lindholz.
Mit Material von dts nachrichtenagentur