London | aktualisiert | Neue Schlappe für Großbritanniens Premier Boris Johnson im Brexit-Streit: Der Supreme Court hat die von der Regierung verordnete Zwangspause für das Parlament am Dienstag für unzulässig erklärt. „The effect on the fundamentals of our democracy was extreme“, begründete die Präsidentin des Gerichts, Lady Hale, das Urteil. Die Entscheidung der elf Richter sei einstimmig gefallen, hieß es. Nach ersten Meldungen will das Britische Unterhaus am Mittwoch wieder zusammentreten.

Es sei nun den Parlamentariern überlassen, wieder zusammenzutreten. Unterhaussprecher John Bercow, der in der letzten Sitzung vor der Zwangspause bereits seinen Rücktritt angekündigt hatte, begrüßte das Urteil und sagte, das Parlament müsse „unverzüglich zusammentreten“. Er werde die Parteiführer nun „dringend“ konsultieren.

Premier Johnson hatte das Parlament für fünf Wochen suspendiert, offiziell um Zeit zu haben, seine Regierungsarbeit neu auszurichten und eine Rede zu schreiben, die die Queen bei Wiedereröffnung des Parlaments verlesen soll. Tatsächlich ging es Johnson aber offensichtlich darum, dem Parlament möglichst viel Gelegenheit zu nehmen, den für 31. Oktober geplanten Brexit noch zu konterkarieren. Der Premierminister hat im Parlament keine eigene Mehrheit, Neuwahlen versagt ihm die starke Opposition aber auch.

Zwangspause beendet: Britisches Unterhaus tritt Mittwoch zusammen

Nach dem Urteil des Obersten Gerichtshofes wird das britische Unterhaus schon am Mittwoch wieder zusammentreten. Die Sitzung werde um 11:30 Uhr eröffnet, sagte Parlamentssprecher John Bercow. „Die Bürger des Vereinigten Königreichs haben das Recht darauf, dass das Parlament seine Kernaufgaben der Kontrolle wahrnehmen kann, die Regierung zur Rechenschaft zu ziehen und Gesetze zu erlassen, wenn es dies wünscht“, sagte Bercow.

Schmid begrüßt Londoner Urteil gegen Parlamentspause

Der außenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Nils Schmid, hat das Londoner Urteil gegen den britischen Premierminister Boris Johnson und damit die Aufhebung der Zwangspause für das britische Parlament gelobt. „Das ist eine Ohrfeige für Boris Johnson. Es ist gut, dass damit die Rechte des britischen Parlaments gewahrt werden. Das ist wichtig für die Demokratie in London. Ich kann nur hoffen, dass Premier Johnson nun verantwortungsbewusst sein Amt als Regierungschef ausübt“, sagte Schmid dem „Mannheimer Morgen“ (Mittwochsausgabe). Der Staatsminister für Europa im Auswärtigen Amt, Michael Roth (SPD), plädierte zudem dafür, die Gerichtsentscheidung zu nutzen, um einen ungeregelten Brexit noch zu verhindern.

„Premierminister Johnson hat durch die eindeutige Entscheidung eine schwere Niederlage erlitten“, sagte Roth. Er fürchte, dies werde die „Zusammenarbeit zwischen Regierung und Parlament noch weiter belasten“, so der SPD-Politiker weiter. Die EU brauche aber dringend konstruktive Gesprächspartner in London, die das Schlimmste verhinderten, nämlich einen ungeregelten Austritt Großbritanniens.

„Dafür ist es noch nicht zu spät“, sagte Roth dem „Mannheimer Morgen“.

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Foto: Der britische Premierminister Boris Johnson. | Foto: Alexandros Michailidis/shutterstock.com