Köln | Die Verbrechen an Sinti und Roma gehören bislang zu den unterschlagenen Kapiteln in der Geschichte des Nationalsozialismus. Die Ausmaße der Verfolgung und des Völkermords blieben Jahrzehnte unbekannt. Mit dem Buch „Zigeunerverfolgung im Rheinland und Westfalen 1933-1945“ liegt jetzt erstmals ein umfassendes Werk vor.

Manchmal gaben auch Schülerprojekte Hinweise

„Das Buch setzt neue Standards in der Aufarbeitung der NS-Verfolgung von Sinti und Roma für ein Bundesland. Ich hoffe, dass dies auch in anderen Ländern Schule macht“, sagt Karola Fings, Mitherausgeberin und stellvertretende Direktorin des Kölner NS-Dokumentationszentrums. Im Band finden sich Beiträge über 18 Orte in NRW von Aachen über Dortmund und Remscheid bis nach Wuppertal. Als Vorbild gilt Köln, wo die Verbrechen an den Sinti und Roma bereits gut erforscht sind. „Wir konnten anderen Kollegen mit Tipps bei der Suche nach Quellen helfen“, berichtet Fings. In manchen Städten wie Hamm waren es Schülerprojekte, deren Ergebnisse Hinweise für die Forschung gaben. „Oft war man sich in den Orten gar nicht bewusst, wie umfangreich die Verfolgung vor der eigenen Haustür war“, sagt Fings.

Wichtig ist es für sie, mit dem Buch auch mit Mythen über die Sinti und Roma aufzuräumen. So waren diese nicht wie oft vermutet nur als Wahrsager und Gaukler tätig, sondern übten meist seriöse Berufs wie Händler aus oder waren als Soldaten bei der Armee. Ähnlich verhält es sich mit der Sesshaftigkeit: „Viele hatten einen festen Wohnsitz und waren fester Teil einer örtlichen Gemeinschaft. Auch die von den Tätern als Verteidigung oft angeführte Kriminalität der Sinti und Roma ist so nicht nachweisbar“, betont Fings. Somit hätten die Nazis nicht wie behauptet Kriminelle verfolgt, sondern hätten eine rassistische Verfolgung betrieben.

Erstmals hat das neue Buch ein gesamtes Bundesland im Blick und arbeitet nicht nur lokale oder regionale Verbrechen auf. „So könnten diese in einen Kontext eingebettet werden, die wichtig für das Verständnis sind“, sagt Guido Hintze, Leiter des Referats Gedenkstättenförderung und Erinnerungskultur bei der Landeszentrale für politische Bildung, die das Projekt gefördert hat.

Im Band finden sich auch fünf allgemeine Beiträge. Dazu gehört eine historische Einführung und zwei Artikel zur Zeit nach 1945. Umfangreich ist eine Chronologie im Anhang und ein Glossar mit den wichtigsten Begriffen.

Karola Fings, Ulrich Opfermann (Hrsg.)
Zigeunerverfolgung im Rheinland und Westfalen 1933-1945 – Geschichte, Aufarbeitung und Erinnerung
Schöningh
390 Seiten
29,90 Euro

Autor: Stephan Eppinger
Foto: Mitherausgeberin Carola Fings und Guido Hitze im NS-Dokumentationszentrum