Schwierigkeiten beim Einkaufen, sich keine Tickets für die Bahnfahrt ziehen können, bis hin zu Gefahren, weil man den Beipackzettel für das neue Medikament nicht lesen kann: Teilweise kann es lebensgefährlich sein, weder lesen noch schreiben zu können „Manchmal sind die Hindernisse zu groß, ein Alphabetisierungsangebot wahrzuehmen“, sagt Dr. Eike Quilling, Projektleiterin bei „Lernende Region – Netzwerk Köln“. Diese Hemmnisse soll das neue Projekt zur Alphabetisierung abbauen. Gefördert wird es mit Mitteln aus dem Bundesforschungsministerium.

Anfang in bereits vernetzten Vierteln
Dabei sollen innerhalb von drei Jahren die VHS in den Sozialräumen Meschenich/ Rondorf, Blumenberg/ Chorweiler und Ostheim/ Neubrück 38 solcher Kurse mit zirka 4.400 Unterrichtsstunden durchführen. „Diese Stadtteile haben wir gewählt, weil dort bereits entsprechende Netzwerke wie etwa Koordinatoren oder Jugendhilfen vorhanden sind“, begründet Schuldezernentin Agnes Klein.  Bislang laufen seit Januar dieses Jahres schon fünf Kurse bei der VHS. Darin werden die Dozenten der 40 Teilnehmer auch von einer Sozialpädagogin unterstützt. „Diese Kurse müssen so intensiv sein, sonst fruchten sie nicht“, erklärt Gabriele Hammelrath, Leiterin des Amts für Weiterbildung/VHS der Stadt Köln. Dabei seien die Lebenssituationen der betroffenen Teilnehmer sehr unterschiedlich, was etwa das Alter oder die Herkunft angeht.

Berufsorientierte Kenntnisse eines der Ziele
“Es gibt keine genauen Zahlen, seit Jahren liegen Schätzungen bei 47.000 Analphabeten in Köln“, sagt Professor Dr. Michael Becker-Mrotzek von der Uni Köln. Das Bewusstsein für diese Gruppe habe sich durch gestiegene Anforderungen im Beruf geschärft. Mit ihrem Part, dem Projekt „Literacy“, möchte die Universität zu Köln einerseits die Alphabetisierung fördern, andererseits aber auch die Betroffenen etwa dazu befähigen, ihre erworbenen Kenntnisse handlungsorientiert im Beruf einsetzen zu können, um etwa Bedienungsanleitungen lesen oder Formulare ausfüllen zu können. Unterstützend dazu sollen die Erfahrungen aus dem Bereich des Schriftspracherwerbs aus den letzten zehn Jahren eingebracht werden. Aufgabe der Uni Köln wird es auch sein, die Ergebnisse zu prüfen und zu bewerten.

Junge Erwachsene einer der Schwerpunkte
Die Uni Siegen widmet sich hingegen gezielt den 18- bis 25-Jährigen, von denen 20 bis 25 Prozent Analphabeten sind. „Der Wegfall von immer mehr Niedriglohnjobs, wo es reichte, nur seinen Namen zu schreiben, verringert ihre Chancen auf dem Arbeitsmarkt“, berichtet Professor Dr. Richard Huisinga von der Uni Siegen. In Mengenich/ Rondorf wird er mit seinem Team zunächst erschließen, wie die Infrastruktur in den Vierteln aussieht oder welche Unternehmen in der Nähe sind, um etwa Lehrlinge dorthin zu vermitteln. In acht Wochen soll ein Untersuchungsbericht dazu vorliegen.

Für die Teilnehmer sind die Kurse kostenlos und beruhen auf Freiwilligkeit. Im November soll eine Zwischenbilanz gezogen werden und ein Newsletter soll unter www.bildung.koeln.de  regelmäßig über weitere Entwicklungen informieren.

Nadin Hüdaverdi für report-k.de/ Kölns Internetzeitung
[Foto: hofschlaeger/www.pixelio.de]