Die Visualisierung zeigt die Pläne der DEVK in Köln-Riehl. | Illustration: DEVK


Köln | aktualisiert | Die Politik und Stadtverwaltung in Köln diskutiert seit mehr als 17 Jahren den Hochhausbau und bei jedem einzelnen Fall flammt die Debatte neu auf und immer wirft irgendein politischer Akteur das Wort „Moratorium“ in den politischen Debattenraum.

Aktuell geht es um die neue Unternehmenszentrale der DEVK-Versicherung in Köln Riehl. Die Versicherung will einen Turm bauen. Der Stadtentwicklungsausschuss beschäftigte sich am 2. Juni mit einem „Hochhausmoratorium“. Die FDP und deren Fraktionsvorsitzender Ralph Sterck findet klare Worte: „Köln mutiert zum Investorenschreck. Eine lethargische Stadtverwaltung und eine bremsende Ratskoalition aus Grünen und CDU sind eine toxische Mischung für den Wirtschaftsstandort.“

Darum geht es in Riehl

Die DEVK-Versicherung will ihre Unternehmenszentrale ausbauen und dazu einen 145 Meter hohen Turm errichten. Im Februar 2021 präsentierte das Versicherungsunternehmen die ersten Entwürfe. Der Turm entspricht in der Form etwa dem LVR Turm in Deutz. Die DEVK Versicherung sitzt schon heute direkt neben Zoobrücke und Zoo. Um ihr Neubauvorhaben zu realisieren benötigt sie das Zoo-Parkhaus. In der Präsentation 2021 sprach der Versicherer von einem Nutzungsmix aus Wohnungen, weiteren Büroeinheiten, Einzelhandel, Gastronomie, Kita, Ausstellungs- und Eventflächen sowie Konferenzräumen. Auch die Nahversorgung in Riehl solle verbessert werden.

Um eine Vorstellung zu gewinnen, wie hoch der Turm werden soll, einige Vergleiche: Der Turm wäre 12 Meter niedriger als der Kölner Dom, der 157 Meter misst. 3 Meter niedriger als der Köln-Turm im Mediapark und 121 Meter niedriger als der Colonius Fernsehturm in der Innenstadt. Der LVR-Turm in Köln-Deutz neben der Sichtachse zum Kölner Dom ist übrigens 103 Meter hoch.

Hochhäuser, Köln, die Ratspolitik und Verwaltung

Ein Blick zurück in den Anfang des neuen Jahrtausends. Fritz Schramma war Oberbürgermeister und Bernd Streitberger Planungsdezernent. Es ging damals um die Hochhäuser in Deutz. Die Debatte, die um das Jahr 2005 stattfand, rief die UNESCO auf den Plan, die der Stadt den Status als Weltkulturerbe für den Kölner Dom aberkennen wollte. Hellste Aufregung in Stadtrat, Verwaltung und Stadtgesellschaft. Schramma gab in einer aktuellen Stunde im Kölner Stadtrat das Bekenntnis ab: „er sei wahrlich kein Hochhausfanatiker“. Aber Schramma sagte am 23. Juni 2005 auch, dass es um eine Aversion gegen Hochhäuser von einigen Hardlinern gehe“.

Der Rückblick auf das Jahr 2005 lohnt: Damals sollte in Deutz ein Tower von Helmut Jahn mit einer Höhe von 130 Metern gebaut werden, dessen Schicksal auf einem CDU-Parteitag am 28. Oktober 2005 besiegelt wurde. Er wurde nicht gebaut. In diesen Tower wollte die Lufthansa mit ihrer Zentrale ziehen. Deren neue Hauptverwaltung zog stattdessen in die Deutz-Mülheimer Straße in einen schmucklosen Zweckbau gegenüber des Schotterparkplatzes, wo einst das Barmer Viertel stand. Mittlerweile sind viele Mitarbeiter aus diesem Bau nach Auslaufen des dortigen Mietvertrages nach Frankfurt umgezogen, wenngleich der Sitz der Gesellschaft in der Venloer Straße 151-153 in Köln verblieben ist.

Die Debatte um Hochhäuser lässt sich fortsetzen: Für die linksrheinische Kölner Innenstadt gilt ein Höhenkonzept, um das wild gerungen wurde. Neubauten dürfen hier eine maximale Traufhöhe von 22,5 Metern erreichen, um die Sichtachsen des Domes und der romanischen Kirchen frei zu lassen. Nach den Debatten um die Tower von Deutz beruhigte sich die Hochhausfrage und entflammte am Friesenplatz erneut. Dort sollte aus einem 39 Meter hohen bereits bestehenden Hochhaus ein 99 Meter hohes Gebäude werden. Es ist das Haus, das viele Kölner durch die früher dort betriebene Filiale des Unternehmens Strauss Innovation kennen. Proximus und die Quantum Immobilien AG erwarben dieses 2017 und wollten ein Hochhaus mit 99 Metern errichten, das das Gestaltungsbündnis aus Grünen, CDU und Volt auf 67 Meter stutzen wollte. Das Hochhaus-Projekt wurde nicht umgesetzt.

Auch neben dem Colonius Fernsehturm wird seit längerer Zeit der Neubau eines Hochhauses diskutiert, nicht nur neben der höchsten Landmarke Kölns, sondern auch neben den Hochhäusern, die von der Telekom nebenan genutzt werden und an deren Dimensionalität die Ehrenfelder Moschee ausgerichtet wurde. Auch an der Siegburger Straße wird über ein Hochhaus gesprochen.

Linke fordert im Juni im Stadtentwicklungsausschuss Hochhaus-Moratorium

Auf der letzten Sitzung vor der Sommerpause des Stadtentwicklungsausschusses beantragte Michael Weisenstein für die Linke ein Hochhausmoratorium. Der Rat sollte entscheiden: „Alle aktuellen Genehmigungsvorgänge für Hochhausbauten in Köln werden gestoppt. Eine Wiederaufnahme der Genehmigungen erfolgt nach Verabschiedung eines ‚Konzeptes zur Höhenentwicklung der inneren Stadt‘“. Die Linke wollte Erfahrungen aus anderen Städten einbezogen wissen. Dabei müsste sie nur einmal bei ihren Berliner Genossen anrufen, die dort gemeinsam mit SPD und Grünen regieren. Denn die Hauptstadt und der rot-grün-rote Senat verabschiedete bereits am 25. Februar 2020 ein Hochhausleitbild für Berlin.

So schreiben die Berliner dazu: „Berlin ist 30 Jahre nach dem Mauerfall eine dynamisch wachsende Stadt. Die Nutzungsanforderungen steigen, doch die räumlichen Entwicklungspotenziale sind begrenzt. Eine Reduzierung des Flächenverbrauchs durch Innenentwicklung wird auch aus Gründen des Klimaschutzes zur Aufgabe der Stadtplanung. Die „Hochhausfrage“ rückt damit zwangsläufig in den Fokus der Stadtentwicklungsdebatten. In einer auch vertikal gedachten Stadt können Hochhäuser einen Beitrag dazu leisten, der anhaltend hohen Nachfrage nach gut angebundenen Wohnungen und attraktiven Büros zu begegnen und Flächen für den Handel und wichtige kulturelle und soziale Angebote zu schaffen, auch vor dem Hintergrund der Bevölkerungszunahme und des Wirtschaftswachstums.“
Die Kölner SPD beantragte den Antrag der Linken mit dem „Hochhaus-Moratorium“ bis zur nächsten regulären Sitzung des Stadtentwicklungsausschusses des Kölner Rates zurückzustellen.

Regionalplan und Innenverdichtung

Bemerkenswert ist an der Debatte im Kölner Stadtrat, dass in der Juni-Ratssitzung die Stellungnahme der Stadtverwaltung zum Regionalplan beschlossen wurde. Hier meldet die Stadt Köln nun der Bezirksregierung Köln ein eingedampftes Flächenpaket zur Entwicklung der Stadt sowohl im Bereich Allgemeine Siedlungsflächen wie auch im Bereich Gewerbe und Industrie an. Federführend in der Reduktion der langfristigen Flächenplanung sind hier Grüne und CDU. Die Kölner Industrie- und Handelskammer (IHK) sprach von einer empfindlichen Einschränkung von Entwicklungsperspektiven und Gestaltungsfreiräumen. Der BUND kritisiert den Flächenfraß und forderte eine bessere Ausnutzung der versiegelten Flächen in Köln. Aber wie verträgt sich die jetzt beschlossene Regionalplan-Stellungnahme mit einem Hochhausmoratorium?

Der Plan der DEVK und wie FDP und SPD die aktuelle Entwicklung bewerten

Die DEVK wirft in die Debatte die Überlegung, die Stadt zu verlassen, wenn diese ihr nicht die für sie wichtigen Entwicklungspotenziale ermöglicht, also den Hochhausneubau neben der Zoobrücke auf dem Grund des jetzigen Zoo-Parkhauses, das sich eben im Besitz der Stadt befindet.

Ralph Sterck von der FDP stellt dazu fest: „In politischen Sonntagsreden und Koalitionsverträgen wird gern die Nachverdichtung beschworen. Aber wenn ein Investor ein höheres Haus bauen will, ruft man nach neuen Gesamtkonzepten und schiebt Projekte damit auf den St. Nimmerleinstag. Schon das Studentenwohnheim an der Ecke Subbelrather/Innere Kanalstraße und der Neubau an der Stelle des ehemaligen ‚Strauss Innovation’ am Friesenplatz wurden von desinteressierter Seite zu Fall gebracht. Auch dem letztverbliebenen konkreten Kölner Hochhausprojekt am Zoo droht dieses Schicksal, denn die Stadt ist Jahre von der Verabschiedung eines neuen Hochhauskonzeptes entfernt. Dabei entspricht der geplante Standort den bisherigen städtebaulichen Setzungen in Köln, dass Hochpunkte entlang der ringförmigen Straßenstruktur gerade an Kreuzungspunkten mit Ausfallstraßen und entlang des Rheins platziert wurden, sogar in doppelter Weise. Köln mutiert zum Investorenschreck. Eine lethargische Stadtverwaltung und eine bremsende Ratskoalition aus Grünen und CDU sind eine toxische Mischung für den Wirtschaftsstandort. Dabei sollten wir froh sein, dass nach Corona ein Unternehmen 750 Mio. Euro in seine Zentrale investieren will. Wenn am Ende die Arbeitsplätze und Steuereinnahmen weg sind, haben die Verantwortlichen endgültig gegen ihren Ratseid verstoßen, Schaden von der Stadt Köln abzuwenden.“

Die SPD fordert eine zügige Klärung der Hochhausfrage von Köln, denn sie fürchtet eine Lähmung in Fragen der Stadtentwicklung und eine Beschädigung des Wirtschaftsstandortes. Jörg van Geffen, wirtschaftspolitischer Sprecher der SPD-Ratsfraktion: „So kann man doch mit Unternehmen in unserer Stadt nicht umgehen. Die Stadtverwaltung muss sich an getroffene Zusagen halten und verlässlich sein. Selbst wenn man zum Schluss kommt, dass man ein Hochhaus an dieser Stelle nicht will, muss man das klar kommunizieren, damit weiter geplant werden kann. So droht ein Zick-Zack-Kurs, der Arbeitsplätze und Gewerbesteuereinnahmen aus der Stadt treibt.“ Michael Frenzel, stadtentwicklungspolitischer Sprecher der SPD-Ratsfraktion: „Es braucht jetzt eine Entscheidung. Es muss klare Regeln geben, ob die Stadt Hochhäuser haben will und wenn ja, wo. Sonst treiben bei jeder Hochhaus-Entscheidung weiter die Investoren die Stadtverwaltung und die Politik vor sich her, um möglichst teuer gekaufte Grundstücke zu finanzieren.“

Debatte ohne Zeitziel?

Wie aufgezeigt debattiert Köln seit mehr als 17 Jahren über Flächenfraß, fehlende Flächen, Innenverdichtung und Hochhäuser. Aber es geht keinen entscheidenden Schritt voran. Zwei Baudezernenten und drei Oberbürgermeister:innen sowie drei Stadtentwicklungsausschussvorsitzende und vier Kommunalwahlen später debattieren Stadtvorstand, Stadtverwaltung und Ratspolitik über ein „Hochhausmoratorium“ und fordern ein Hochhaus-Konzept? Vergessen zu erwähnen wurde der seit 2008 bekannte und hochgelobte städtebauliche Masterplan, den der Architekt Albert Speer entwickelte. 10 Jahre nach der Präsentation im Jahr 2018 stellte der damalige IHK-Präsident Paul Bauwens-Adenauer fest: „In allen Großstädten sind sechsgeschossige Gebäude der Standard. Die Bebauung in Köln, auch in der bevölkerten Kölner Innenstadt ist zu niedrig.“ Und Bauwens-Adenauer sprach nur von 6-geschossig. Die Frage ist also nicht, ob Köln ein Hochhauskonzept oder die Innenverdichtung ermöglicht, sondern wann die Kölner Politik und Stadtverwaltung zeitlich verbindlich – so wie Berlin es bereits geschafft hat – liefert: Ein Hochhausleitbild für Köln. Oder wenigstens bekannt gibt, wie viele Jahrzehnte dieses Thema für zukünftige Ratspolitiker:innen, Oberbürgermeister:innen, Stadtentwicklungsdezernent:innen oder Baudezernent:innen warmgehalten werden soll.

Kölner Grüne finden Konzept der DEVK wenig sinnvoll

Ergänzt, 12. Juli, 7:40 Uhr > Die Vorsitzende des Stadtentwicklungsausschusses Sabine Pakulat, Grüne, meldete sich nach der Veröffentlichung von report-K mit einem schriftlichen Statement zu Wort: „Die DEVK gehört zu Köln und wird weiter einen Platz in unserer Stadt haben. Auch wenn ein angedachtes Hochhaus von 145 Metern Höhe mit vielen Zusatznutzungen wie Hotel und Gastronomie an diesem Standort wenig sinnvoll ist, soll der Versicherer natürlich seinen Firmenbedarf für Büros oder auch Betriebswohnungen komplett verwirklichen können. Der Klimaschutz gebietet eine Lösung mit möglichst keiner Neuversiegelung. Zum Beispiel könnte eine Überbauung der bereits versiegelten Fläche des Zoo-Parkhauses ein Wachstum der DEVK ermöglichen. Die Stadtverwaltung sollte der Politik nach der Sommerpause zügig eine Vorlage zum Beschluss vorschlagen, die den Rahmen für einen städtebaulichen Wettbewerb absteckt. Die künftige Lösung für die DEVK wird auch eine wertvolle Orientierungsgröße für das neue Höhenkonzept der Stadt Köln sein.“