Düsseldorf | Die Landesvereinigung der Unternehmensverbände Nordrhein-Westfalen warnt vor den Folgen der SPD-Steuerpläne. „Der Vorschlag der SPD, künftig die Spitzenzahler in der Einkommenssteuer noch stärker zu belasten, ist ein kompletter Irrweg“, sagte Johannes Pöttering, Hauptgeschäftsführer von Unternehmer NRW, der „Rheinischen Post“.
„Diese Form der Umverteilung im Einkommenssteuertarif wäre das völlig falsche Signal an mittelständische Unternehmen und erfolgreiche Handwerksbetriebe.“ Sie seien oft als Personengesellschaften organisiert und wären daher unmittelbar betroffen. „Eine Umsetzung der Pläne würde nicht nur die Leistungsfähigkeit des Mittelstands schwächen, sondern auch seine Investitionsbereitschaft erheblich senken.“
Ebenso warnt Pöttering vor der Anhebung des Mindestlohns: „Eine Umsetzung des Vorhabens würde in deutlich mehr als 100 Tarifverträge eingreifen. Ich kann die SPD nur davor warnen, mit einem weiteren Hochtreiben des Mindestlohns ganze Tarif-Gitter in vielen Branchen der deutschen Wirtschaft nach oben zu drücken. Das würde nicht nur das Lohngefüge insgesamt ins Wanken bringen, es würde auch die Arbeitsplätze gerade jener Beschäftigtengruppen erheblich verteuern, deren Chancen auf dem Arbeitsmarkt ohnehin schlechter sind.“
Zugleich sieht Pöttering einen Angriff auf die Tarifautonomie: „Die Pläne der SPD, den gesetzlichen Mindestlohn auf 15 Euro zu erhöhen, wären ein abermaliger Eingriff in die Arbeit der unabhängigen Mindestlohn-Kommission und zugleich ein erneuter schwerer Schlag gegen die Tarifautonomie.“
Laumann offen für höheren Mindestlohn – aber gegen SPD-Beschluss
Der nordrhein-westfälische Arbeitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) ist offen für einen höheren Mindestlohn, kritisiert aber den jüngsten SPD-Beschluss für eine Anhebung auf 15 Euro. Er plädiert stattdessen dafür, eine automatische Anpassung ins Gesetz zu schreiben, die nach einem EU-Vorschlag an die Gesamtentwicklung der Löhne gekoppelt wird.
Die Mindestlohnkommission habe zuletzt keine gute Arbeit geleistet, sagte Laumann dem „Redaktionsnetzwerk Deutschland“. Sie habe die Inflation und die Lebensrealität vieler Arbeitnehmer „schlichtweg ignoriert“, so der frühere Chef des CDU-Sozialflügels. „Darum ist für die allermeisten und für mich völlig unstrittig, dass wir einen höheren Mindestlohn brauchen.“
Er sagte jedoch, dass Eingriffe der Politik wie in der jüngeren Vergangenheit in der Sozialen Marktwirtschaft „nur die absolute Ausnahme und kein Dauerzustand sein“ dürften. „Darum halte ich auch nichts von dem aktuellen Vorschlag der SPD, erneut eine politische Festlegung durchzusetzen. Am Ende resultiert daraus wahrscheinlich nur ein Überbietungswettbewerb der Forderungen“, warnte der CDU-Bundesvize.
Wenn eine Partei nach der anderen einfach nur eine höhere Summe verspreche, werde das am Ende nicht zu einem angemessenen Mindestlohn führen. „Aus dem Vorschlag der SPD spricht daher auch eine gewisse Hilflosigkeit, keinen Plan für eine langfristige Lösung zur Festlegung des Mindestlohns zu haben“, kritisierte der CDU-Politiker.
Stattdessen plädiere er dafür, den Vorschlag der EU-Mindestlohnrichtlinie als Grundlage ins Mindestlohngesetz zu schreiben. Dann würde die Lohn-Untergrenze verbindlich bei 60 Prozent des Bruttomedianlohns der Vollzeitbeschäftigten festgelegt, sagte Laumann dem RND.
Steuerexperten erwarten nur geringe Entlastung durch SPD-Pläne
Steuerexperten führender Wirtschaftsforschungsinstitute halten die Steuerpläne der SPD für unrealistisch.
„Das Problem des SPD-Steuerkonzepts ist, dass der Partei eine Gegenfinanzierung der Steuerentlastung durch das obere Prozent vorschwebt“, sagte Martin Beznoska, Steuerexperte des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW), der „Welt“. Die oben erzielbaren Mehreinnahmen seien zu gering, um unten nennenswert zu entlasten.
„Das Entlastungsvolumen einer derartigen Reform für die unteren 95 Prozent liegt bei knapp sieben Milliarden Euro – also eine Mini-Entlastung“, sagte Beznoska. Er nahm dabei unter anderem an, dass der Spitzensteuersatz später greift und der Reichensteuersatz auf 48 Prozent erhöht wird, so wie zuletzt vom Seeheimer Kreis vorgeschlagen.
Ein höheres Volumen sei nur dann möglich, wenn die Spitzensteuersätze auf mehr als 50 Prozent erhöht würden. „Wollte man eine echte Reform mit einem Entlastungsvolumen von zum Beispiel 30 Milliarden Euro von dem oberen Prozent der Einkommensteuerzahler gegenfinanzieren, so müsste der Spitzensteuersatz in Bereiche von 52 Prozent und der Reichensteuersatz auf 55 Prozent steigen“, sagte Beznoska. Das seien absurd hohe Steuersätze vor dem Hintergrund, dass diese als Grenzsteuersätze auch Fachkräfte, Führungskräfte und Einzel- und Personenunternehmen träfen, deren aktuelle Steuerbelastung im internationalen Vergleich ohnehin schon sehr hoch sei.
Kritisch sieht die Pläne auch Stefan Bach, Steuerexperte des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW). Selbst wenn man bei den obersten drei Prozent ansetzt, kommt er in einer groben Rechnung nur auf jährliche Mehreinnahmen in Höhe von vier Milliarden Euro. „Damit kann man die gebeutelte Unter- und Mittelschicht nicht nennenswert entlasten“, sagte Bach. Ein Durchschnittsverdiener spare dadurch gut 100 Euro im Jahr. „Das sind zwei Cappuccinos im Monat“, sagte der Wirtschaftsforscher des DIW.
Hintergrund
SPD im Wahlkampf: E-Autos, Deutschland-Bonus und Steuersenkungen
Die SPD setzt in ihrer Wahlkampfstrategie auf eine Kaufprämie für E-Autos, einen „Made in Germany“-Bonus für Unternehmen und Steuersenkungen für die breite Mittelschicht. Ihr Konzept, über das die „Bild am Sonntag“ berichtet, trägt den Titel „Wir kämpfen für Deutschlands Zukunft: Wirtschaft ankurbeln. Arbeitsplätze sichern, Beschäftigte entlasten“.
Am frühen Sonntagabend soll der Parteivorstand das Papier auf seiner Klausurtagung beschließen. Besondere Aufmerksamkeit legt die SPD in ihrer Wirtschaftsstrategie auf die Automobil-Branche und bekennt sich klar zur Elektromobilität: „Die Zukunft unseres Autolandes Deutschland liegt in der E-Mobilität.“
Um die Verkäufe anzukurbeln, beschließt die SPD zum ersten Mal eine Kauf-Prämie für E-Autos. „In Abstimmung mit Industrie und Gewerkschaften werden wir Kaufanreize prüfen, die zielgenau der deutschen Industrie helfen“, heißt es in dem Papier. Außerdem soll es E-Auto-Quoten für Leasinganbieter geben und Steuernachlässe für E-Dienstwagen.
Für die gesamte Industrie plant die SPD eine Art „Made in Germany“-Bonus. Eine pauschale Senkung von Unternehmenssteuern lehnen die Genossen als „zu wenig zielgenau“ ab. Stattdessen knüpfen sie Steuerprämien an Investitionen in Zukunftsbranchen und die Sicherung von Arbeitsplätzen am hiesigen Standort: „Wer in Deutschland investiert, erhält steuerliche Vergünstigungen.“
Auch Arbeitnehmer mit normalem Gehalt sollen entlastet werden. „Im Rahmen einer grundlegenden Einkommensteuerreform wollen wir nach der nächsten Bundestagswahl die große Mehrheit der Steuerzahlenden (etwa 95 Prozent) entlasten und dafür die höchsten 1 Prozent der Einkommen etwas stärker in die Verantwortung nehmen“, kündigt die SPD an.
Kritik übt die SPD an Unionskanzlerkandidat Friedrich Merz (CDU), der jüngst in der „Bild am Sonntag“ mehr Respekt für Besserverdiener und mehr Fleiß von den Deutschen eingefordert hatte. In Richtung Merz heißt es in dem Papier: „Wer die Beschäftigten in Deutschland als faul beschimpft und ihnen gute Löhne und sichere Renten verweigert, der hat den Respekt für die wahren Leistungsträger verloren.“
Der CDU unter Führung von Merz wirft die SPD vor, die Wettbewerbsfähigkeit des Landes unter anderem mit Lohnzurückhaltung und Sozialabbau verbessern zu wollen. Das sei „der falsche Weg für unser Land“.
Mit Material der dts nachrichtenagentur