Köln/Düsseldorf | NRW ist fest im Griff der Energiekrise, stellte NRW-Verbraucherschutzministerin Silke Gorißen, CDU, heute fest und machte dies am Verbraucherpreisindex für Energie, der um 62,29 Prozent im November-Jahresvergleich stieg, deutlich. Daher sei die Beratung der Verbraucher:innen der 8,7 Millionen Haushalte wichtig. Hier sieht sie NRW mit 63 Beratungsstellen gut aufgestellt. An die Energieversorger appelliert die Ministerin auf Strom- und Gassperren zu verzichten. Eines wurde auch deutlich: die Kölner Rheinenergie ist beim Gas-Arbeitspreis nicht der günstigste Anbieter in NRW.

Landesregierung stützt die Verbraucher:innen-Beratung

Die Verbraucherberatung in NRW bekommt in den Jahren 2023 und 2024 mehr Geld aus dem Landeshaushalt. Die Landesregierung stellt jährlich zur normalen Kostenübernahme 7 Millionen Euro zur Verfügung, damit der gestiegene Beratungsbedarf im Bereich Energiekosten gedeckt werden kann. Das Geld stärke die Energieberatung und solle unter anderem für Vernetzung in der Beratung gegen Energiearmut helfen. Betroffen seien nicht nur die Ärmsten der Armen, sondern auch Teile der Mittelschicht, so die Ministerin, die daraufsetzt, dass die Strom- und Gaspreisbremsen für Entlastung sorgen.

Sie appelliert an die Versorger bei unbezahlten Rechnungen nicht sofort Energiesperren zu verhängen, sondern Alternativen bei Zahlungsrückständen zu entwickeln, etwa Ratenzahlungen. Diese verschaffe den Verbraucher:innen eine kurze Atempause. Dabei gibt es zu Sperren aktuell keine Zahlen. Wolfgang Schuldzinski, Vorstand der Verbraucherzentrale NRW, sprach von einer Prognose, dass es sein könnte, dass 10 bis 15 Prozent der Haushalte ihre Rechnungen über Strom und Gas nicht bezahlen könnten. Bei 8,7 Millionen Haushalten in NRW wären dies bei 10 Prozent rund 870.000 Haushalte. Bei all diesen Haushalten etwa Stromsperren durchzusetzen, hält Schuldzinski für politisch und technisch nicht durchführbar. Denn die Energieversorger können nicht auf Knopfdruck Sperren einrichten, sondern müssen die Gebäude physisch ansteuern.

Die Verbraucherzentrale NRW sieht hier auch die kommunalen Ratsmitglieder in der Pflicht, die in den Aufsichtsräten der kommunalen Energieversorger aktiv seien. Es brauche Augenmaß, wie mit Schulden, Ratenzahlungen umzugehen ist, da sonst Verbraucher:innen Gefahr liefen enorme Schulden aufzuhäufen. Das gelte natürlich auch für die kommunalen Energieversorger.

Energieberatung nachgefragt

Das Thema Energie ist das Top-Thema bei den Verbraucherzentralen NRW. Es gibt ein Plus von 135 Prozent bei den Anfragen. Die Zahl der Nachfragen stieg bereits im Herbst/Winter 2021, als zum ersten Mal die Energiepreise – wie heute bekannt – noch moderat durch die anziehende Konjunktur anstiegen. 20.000 Beratungen, davon 86 Prozent digital, führten die Verbraucherzentralen NRW durch. Es fanden über 860 Veranstaltungen statt. Multiplikatoren wurden vor allem im Bereich der Kommunen geschult. Und die Zugriffe auf den Webangeboten lag bei der Landing Page Energie bei 8,6 Millionen. Zudem berichtet die Verbraucherzentrale NRW über eine enorme Medienresonanz zum Thema Energie.

Die Preisentwicklung

Die Nachfrage dürfte kaum nachlassen. 123 Stromanbieter gibt es in der Grundversorgung Strom in NRW. 70 Prozent von diesen werden zum 1. Januar 2023 die Preise erhöhen. Der Durchschnittspreis wird dann bei 46,5 Cent pro Kilowattstunde liegen und die Preisspanne zwischen 30 und 84 Cent zwischen dem billigsten und teuersten Anbieter. Dabei hebt der Anbieter der die meisten Nordrhein-Westfäl:innen versorgt, EON, den Preis noch gar nicht an, sondern belässt diesen bei 30 Cent pro Kilowattstunde in der Grundversorgung. Die Verbraucherzentrale NRW bemängelt, dass beim Kostenblock Beschaffung, Marge und Vertrieb, anders als bei Netzentgelt und Steuer, keine Transparenz herrsche.

Kölner Rheinenergie teuer beim Gas

Auch der Überblick der Verbraucherzentrale NRW zum Gaspreis in der Grundversorgung zeigt deutliche Preisunterschiede. So zahlen Kund:innen der Stadtwerke Münster nur 13,4 Cent pro Kilowattstunde. In Aachen sind es 14,7 Cent in Düsseldorf 17,1, bei der Kölner Rheinenergie sind es seit Oktober 2021 17,1 Cent und in Duisburg 19,3 Cent pro Kilowattstunde. Damit liegt die Kölner Rheinenergie über dem Durchschnittspreis von NRW, der rechnerisch 16,4 Cent beträgt. Der Durchschnittspreis verdreifachte sich durch die Energiekrise.

Besondere Sorge bereiten der Verbraucherzentrale NRW die Fernwärme und Nachtstrombezieher:innen. Bei der Fernwärme seien die Berechnungsformeln komplex und die Verbraucher:innen verstünden die Berechnungen nicht. In NRW heizen rund 400.000 Haushalte mit Nachtstrom. Das sind oft die Haushalte, die in Häusern lebten, deren Zustand tendenziell schlechter ist und die häufig nicht über höhere finanzielle Ressourcen verfügen. Diese Kund:innen zahlten bisher 15 bis 20 Cent pro Kilowattstunde im Niedertarif. Heute liegen die Preise im Niedertarif in der Preisspanne zwischen 35 und 50 Cent. Bei vielen Kund:innen zwischen 35 und 38 Cent. Da helfe die Preisbremse, die bei 40 Cent liege nicht, so Bereichsleiter Energie, Udo Sieverding, von der Verbraucherzentrale NRW.

Sorgen bereitet den Verbraucherschützern zudem, dass von den 8,7 Millionen Haushalten in NRW 59 Prozent Mieter:innen seien. 85 Prozent dieser Mieter:innen sind an die Zentralheizung ihres Vermieters angeschlossen und nur 15 Prozent nutzen eine Gasetagenheizung. Bei einem Teil der Mieter:innen seien die Abschläge angepasst, aber nicht bei allen. Die Verbraucherzentrale NRW befürchtet, dass hier mit großer Wucht die Kosten durch die Energiekrise erst mit den Abrechnungen ab Februar bei Mieter:innen und dann auch bei den Beratungsstellen ankomme. Die Politik stehe in der Pflicht, dass hier keiner auf der Strecke bleibe. Sieverding zeigte bereits ein aktuelles Beispiel auf: Ein Mieter erhielt die Aufforderung 3.000 Euro nachzuzahlen, was er aber gar nicht konnte.

ag