Köln | aktualisiert | Der NRW Verfassungsschutzbericht für das Jahr 2012 wurde gestern mit rund 160 Seiten veröffentlicht. Eine Kurzzusammenfassung findet sich hier in diesem Artikel, der gesammte Bericht findet sich auf der Internetseite des Ministerium für Inneres und Kommunales des Landes Nordrhein-Westfalen. Vor dem Hintergrund der aktuellen Debatte um die Teilnahme von „Pro Köln“ an der CSD-Parade 2013 fällt auf, dass sich der Verfassungsschutzbericht auch mit homophoben Tendenzen bei „Pro Köln“ beschäftigt. Die Zahl der politisch motivierten Straftaten ging allerdings in 2012 auf 4.624 zurück, dabei überwiegen die Straftaten von Rechts.

Die rechte Szene

Bei der NPD spricht der Verfassungsschutz von einer Partei in der Nische mit finanziellen Schwierigkeiten und einer stagnierenden Mitgliederzahl von rund 700 Personen in NRW. Durch die Gründung der Partei „Die Rechte“ (etwa 130 Mitglieder) erwachse der NPD zusätzlich Konkurrenz. Diese sei durch das Verbot der Kameradschaften  Hamm, Dortmund und Aachen entstanden. (23. August 2012) Die Verbindung sehe man auch daran, dass „Die Rechte“ Veranstaltungen der früheren Kameradschaften fortführe. Heute sei sie Sammelbecken für die verbotenen Kameradschaften und habe sieben Kreisverbände und einen Bezirksverband. Kennzeichen seien weiterhin Demokratiefeindschaft, Fremdenfeindlichkeit, Verherrlichung des Nationalsozialismus und Antisemitismus.
Zu den Neonazis, die im Rheinland aktiv waren heißt es im Verfassungsschutzbericht: „Die vor allem durch die Autonomen Nationalisten geprägte Neonaziszene in NRW hat sich im letzten Jahr in einem starken Umbruch befunden. Hauptursache dafür waren die Vereinsverbote durch den Minister für Inneres und Kommunales NRW am 10. Mai 2012 bzw. am 23. August 2012 gegen die vier aktivsten Kameradschaften: ‚Kameradschaft Walter Spangenberg‘ (Köln), ‚Nationaler Widerstand Dortmund‘, ‚Kameradschaft Hamm‘ und ‚Kameradschaft Aachener Land‘ (KAL). Infolgedessen verließ ein Teil der Mitglieder die Szene. So hat sich die Zahl der Teilnehmer im Aussteigerprogramm für Rechtsextremisten des Landes Nordrhein-Westfalen verdoppelt. Ein weiterer Teil der Neonazis stellte seine Aktivitäten weitgehend ein. Die entsprechenden politisch motivierten Straftaten sind seitdem rückläufig. Zur Verunsicherung der neonazistischen Szene haben ebenfalls die strafrechtlichen Verfahren gegen den ‚Freundeskreis Rade‘ sowie gegen das ‚Aktionsbüro Mittelrhein‘ beigetragen. Letzteres wird in Rheinland-Pfalz durchgeführt, betrifft aber auch führende Neonaziaktivisten aus Nordrhein-Westfalen.“

„Pro Köln“ und „Pro NRW“ weiter unter Beobachtung- Bericht beschäftigt sich auch mit den homophoben Tendenzen

Die pauschale Herabsetzung und Diffamierung von Minderheiten stünde weiter im Mittelpunkt der Politik von „Pro Köln“ und „Pro NRW“, dabei stünden Muslime im Fokus. 2012 habe man versucht der „Stigmatisierung“ zu entgehen in dem man auch auf Eurokritik und Verbraucherthemen setze. Aber im NRW Landtagswahlkampf fokussierte man sich auf das Kernthema. Beisicht kündigte die Strategie der „maximalen Provokation“ an und man organisierte eine Wahlkampftour vor die Moscheen im Land mit dem Motto „Freiheit statt Islam“. Zudem zeigte man die Mohammedkarikaturen. Durch die 1,5 Prozent Stimmen die man in NRW erzielen konnte, rekrutierte man finanzielle Mittel aus der Wahlkampfkostenerstattung. „Pro Köln“ und „Pro NRW“ kommen laut dem Verfassungsschutzbericht insgesamt auf rund 1.000 Mitglieder in NRW. „Pro Köln“ und „Pro NRW“ grenzt neben Muslimen auch andere Minderheiten aus, so der Verfassungsschutzbericht. Die Interessensverbände der Roma und Sinti wurden, so der Bericht, als „Interessensverbände für organisierte Kriminalität“ bezeichnet. In der aktuellen Debatte um die Teilnahme am CSD 2013 in Köln dürfte es auch interessant sein, dass der Verfassungsschutzbericht auch erwähnt, dass „Pro Köln“ gegen sexuelle Minderheiten agitiere. Der Bericht: „So werden Fördermaßnahmen für Homosexuellen-Projekte abgelehnt und durch eine entsprechende Wortwahl der Lächerlichkeit preisgegeben. Folgende beispielhafte Aussagen in einem Artikel auf der Homepage von „Pro Köln e.V.“ sind geeignet, Aversionen und Vorurteile zu schüren: „„Homo-Lobbyisten“ – „ein besonderer Nutzen für das Fortbestehen des Gemeinwesens (Kindernachwuchs!) ist beim besten Willennicht zu erkennen“  – „’Wunschlosglücklichmachung‘ für homosexuelle Senioren“ „zusätzliche 40.000 Euro müssen her, um nur ja viele Jugendliche auf den richtigen sexuellen Weg zu bringen“. (Quelle: www.pro-koeln-online.de/artikel4/homo-lobby.htm.) In diesem Zusammenhang verweist der Verfassungsschutzbericht auch auf die Verbindungen einer „Pro Köln“ Aktivistin, die Vorstandsmitglied bei „Pro Deutschland“ und Sprecherin des Arbeitskreises „Christen Pro Köln“ ist, zur Internetpräsenz „kreuz.net – katholische nachrichten“, die bis November 2012 online war. Seit 2006 habe die Aktivistin dort über zehn Beiträge mit überwiegend homophoben Inhalten verfasst, alleine 2012 vier Artikel. Das Internetportal erlangte traurige Berühmtheit, als man zum Tod eines berühmten Schauspielers titelte: „Jetzt brennt er in der ewigen Homo-Hölle“.

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Richtigstellung:

Hinweis der Redaktion: An dieser Stelle dieses Artikels befand sich eine Aussage zum Vereinsvorsitzenden von Pro Köln Markus Beisicht. Dieser hat der Redaktion von report-k.de nach Veröffentlichung dieses Artikels weitere Informationen zur Verfügung gestellt. Wir müssen an dieser Stelle unseren Artikel richtig stellen und haben dies in einer ausführlichen Richtigstellung getan, die Sie hier finden >

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Zu einem Fazit kommt der Verfassungsschutzbericht: „Es ist zu erwarten, dass angesichts mangelnder personeller Ressourcen ‚pro NRW‘ und ‚pro Köln e.V.‘ ihre Aktivitäten nicht ausweiten werden. Stattdessen werden sie weiterhin Anlässe suchen, um gesellschaftliche Konflikte menschenverachtend zu dramatisieren und mediengerecht zu inszenieren.“

Die linke Szene

Die Deutsche DKP schätzt der aktuelle Bericht als bedeutungslos ein, wie auch die Marxistisch Leininistische Partei Deutschlands (MLPD). Bei der „Linken“ spricht der Bericht über einen Verdacht von Organisationen innerhalb der Partei, die finanziell unterstützt werden und Sonderrechte durch die Satzung haben und meint damit „Antikapitalistische Linke“ (AKL), „Sozialistische Linke“ (SL), „Kommunistische Plattform“ (KPF) und „Linksjugend [’solid]“. Das Bestreben dieser Vereinigungen sei es eine sozialistische Staats-, Gesellschafts- und Wirtschaftsordnung, die nicht mit der freiheitlich demokratischen Grundordnung zu vereinbaren sei etablieren zu wollen, so der Verfassungsschutz. In der autonomen Szene so der Bericht, seien der Antifaschismus und Antikapitalismus Hauptthemenfelder. Die Finanz- und Wirtschaftskrise sei als aktuelle Entwicklung und Bewegungen dagegen, wie die Demonstrationen und Camps in Frankfurt zeigten dazu gekommen. Man agitiere gegen Veranstaltungen der Bundeswehr an Schulen und Gewalt gegen Polizeibeamte als „Vertreter des Repressionsapparates“ gelte weiterhin als hoffähig.

Islamismus

Hier nennt der Verfassungsschutzbericht die am 14.Juni 2013 verbotene „Millatu Ibrahim“, die im Umfeld der Demonstrationen gegen das Zeigen der Mohammed-Karikaturen durch „Pro NRW“ auffiel. Durch ein Mitglied der Organisation wurde bei einer Demonstration zwei Polizeibeamte schwer verletzt. Der Täter wurde zu sechs Jahren Freiheitsstrafe verurteilt. Nach dem Verbot reisten der Anführer aus und mit ihm zahlreiche Mitglieder. Der Verfassungsschutz vermutet, dass sie sich im Ausland bewaffneten salafistischen Gruppen angeschlossen haben. Neben den gewaltbereiten Salafisten, die der Verfassungsschutz mit 10 Prozent angibt, gebe es politische Salafisten, die Propaganda betrieben. Beispielhaft nennt der Bericht hier die Koranverteilaktion „Lies!“. Danaben stellt man „Jihadismus im Internet“ fest, der sich durch Drohbotschaften und Jihad verherrlichenden Content auszeichne und aus dem Ausland, aber auch aus Deutschland gesendet werde. Diese Videos fielen auf fruchtbaren Boden, denn im März 2013 habe man eine mit Waffen und Sprengstoff ausgerüstete Terrorzelle aufgedeckt, die einen Mordanschlag auf den Vorsitzenden von „Pro NRW“ geplant habe. Die Botschaften über das Internet richteten sich vorwiegend an junge Muslime,  die dadurch auch für den bewaffneten Kampf im Ausland rekrutiert werden sollen. In diesem Zusammenhang nennt der Bericht die „Islamische Bewegung Usbekistan“ (IBU). In seinem Fazit kommt der Bericht zur Erkenntnis, dass es in Deutschland eine „hohe, abstrakte Gefährdung durch islamistischen Terrorismus“ gebe. Dabei sei die Bundesrepublik nicht mehr nur Ruhe- und Rückzugsraum, sondern auch Zielraum. Die Gefahr läge dabei vor allem auf motivierten Einzeltätern und Kleinstgruppen, die sich, so der Bericht, „ohne großen planerischen und logistischen Aufwand zu Terrorakten entschließen und diese durchführen könnten“.

Die Zahlen zu politisch motivierten Straftaten

Im Jahr 2012 wurden insgesamt 4.624 politisch motivierte Straftaten begangen. Darunter 3.024 vom rechten, 963 vom linken Spektrum. 201 Straftaten von Ausländern und 436 Sonstige. Auch im Bereich der politisch motivierten Gewaltdelikte ist ein deutlicher Rückgang von 20 Prozent zum Jahr 2011 zu verzeichnen. Insgesamt waren es 398 Straftaten, von denen 280 aufgeklärt werden konnten. Die Zahl der antisemitischen Straftaten ist ebenfalls gesunken auf 216 Fälle. Der Bericht geht davon aus, dass es derzeit 3.660 Mitglieder von rechtsextremistischen Organisationen und Gruppierungen in NRW gibt. Die linke extreme Szene habe 2.630, die Organisationen extremistischer Ausländer 4.700 und islamistische Organisationen 10.320 Mitglieder. Unter Beobachtung des Verfassungssschutzes steht auch die Scientology Organisation und die Spionageabwehr gehört zum Aufgabengebiet. 2012 hatte der Verfassungsschutz NRW 335 Mitarbeiter und es standen ihm Mittel von 4,3 Millionen Euro zur Verfügung.

Autor: Andi Goral
Foto: Symbolfoto