Köln | Holocaust – mit diesem monströsen Verbrechen verbindet sich in der Regel zuallererst das Bild von Gleisen, die in das Vernichtungslager Auschwitz führen. Weniger im Bewusstsein ist, dass jedes dritte der rund sechs Millionen Opfer Massenerschießungen zum Opfer fiel. Daran erinnert eine Wanderausstellung der Berliner Holocaust-Gedenkstätte und des Dokumentationszentrums „Topographie des Terrors“, die jetzt im NS-Dokumentationszentrum in Köln zu sehen ist.

Starke Nerven braucht, wer die wichtige Ausstellung „Massenerschießungen. Der Holocaust zwischen Ostsee und Schwarzem Meer“ besucht. Denn die Täter von damals – Angehörige der SS, der Wehrmacht und deutscher Polizeieinheiten – scheuten sich nicht, ihre Verbrechen im Foto festzuhalten. Fotos, die nicht wenige auch voller Stolz beim Heimaturlaub ihren Familien und Freunden gezeigt haben dürften. Wer die Fotos heute sieht, dem stockt der Atem.

Die Massenmorde geschahen in der Regel in der Nähe der Wohnorte

Die Massenerschießungen nach dem Einmarsch in die Sowjetunion gingen der systematischen, industriell geplanten Ermordung in den Vernichtungslagern voraus. Sie folgten zum einen der Nazi-Ideologie, nach der der eroberte Raum – er sollte künftig die Wehrmacht versorgen – freigemacht werden sollte von „unnützen Essern“. Zum anderen versprach die Ermordung der Juden den Sieg über den Bolschewismus, der vor allem als eine jüdische Erfindung gesehen wurde. Die Erschießungen fanden in der Nähe der Wohnorte der Opfer statt. Sie waren – so gesehen – ohne große Umstände durchzuführen. SS-Führer Himmler soll gestaunt haben, wie „erfolgreich“ und schnell dies in einzelnen Fällen umgesetzt wurde.

Die wohl bekannteste, weil größte Massenerschießung ist die von Babi Jar, einer Schlucht nahe Kiew. Dort wurden am 29. und 30. September 1941 über 30.000 Juden von Einsatzgruppen der Sicherheitspolizei und des SD ermordet. Doch sind viele Dörfer und Kleinstädte bekannt, in denen solche Verbrechen stattfanden. Eine Landkarte in der Ausstellung zeigt nur die Orte, an denen es mindestens 500 Opfer gab – und fast schwarz ist der Streifen, der im Wesentlichen das damalige Ostpolen abdeckt.

Im Zentrum steht die Massenerschießung von Mizocz

Mit fünf Fotos am besten dokumentiert, ist das Massaker von Mizocz (heute Ukraine): hier wurden am 14. Oktober 1942 etwa 1.500 jüdische Kinder, Frauen und Männer gruppenweise in einer Mulde ermordet. Das erste zeigt etwa 300 Menschen, die unten von SD-Leuten mit Waffen, vom oberen Rand von ukrainischen Hilfskräften bewacht werden.

Auf dem nächsten sind die nackten Menschen zu sehen, die zur Ablage ihrer Kleider gezwungen wurden. Es folgt ein Bild, bei dem sich neue Opfer ihren Weg durch die schon Toten suchen müssen, die durch Genickschüsse getötet wurden. Schließlich ist dokumentiert, wie ein Deutscher noch einzelne Menschen, die den ersten Schuss überlebt hatten, erschießt.

Auch Hans Rosenthals Bruder war unter den Opfern

Die Ausstellung erinnert mit historischen Fotos und Schriftdokumenten auch an andere Massenerschießungen. Mehrere Medienstationen liefern vertiefende Informationen. Biografien von Tätern und Opfern personalisieren das Geschehen. Unter den Opfern ist auch Gert Rosenthal, der Bruder des beliebten Fernsehmoderators Hans Rosenthal. Er wurde als 10-Jähiger am 19.10.1942 mit 1.000 anderen Berliner Juden nach Riga deportiert, die sofort nach ihrer Ankunft in einem nahen Wald erschossen wurden.

Viele Täter kamen nach 1945 relativ milde davon. In der Sowjetunion wurden sie zum Tode oder langer Haft verurteilt, doch entsprachen diese Schauprozesse oft keinen rechtsstaatlichen Ansprüchen, der antisemitische Hintergrund spielte kaum eine Rolle. Die in Polen Verurteilten wurden oft nach 1956 verurteilt.

In der Bundesrepublik fand der einzige Prozess, der die Massenerschießungen zum Hauptanklagepunkt machte, 1948 in Nürnberg statt. Es gab 14 Todesurteile und acht Haftstrafen. Hingerichtet wurden vier Angeklagte, der letzte Verurteilte wurde 1958 vorzeitig entlassen. 4.000 Menschen protestierten 1951 in Landsberg, Sitz des US-Militärgefängnisses, gegen die Hinrichtungen. 300 Holocaust-Überlebende kamen als Gegendemonstranten – ihnen gegenüber skandierte man „Juden raus!“.

[infobox]„Massenerschießungen. Der Holocaust zwischen Ostsee und Schwarzem Meer“
6. April bis 25. Juni 2017
NS-Dokumentationszentrumder Stadt Köln
Appellhofplatz 23-25
50667 Köln
Katalog: 19 Euro

Öffnungszeiten:
Di-Fr 10-19 Uhr
Sa und So 11-18 Uhr
erster Donnerstag im Monat 10-22 Uhr.

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Autor: ehu
Foto: Blick in die Ausstellung „Massenerschießungen. Der Holocaust zwischen Ostsee und Schwarzem Meer“ im NS-Dokumentationszentrum