Inhaltliche Impulse für vergessene Themen
„2010 war ein hervorragendes und erfolgreiches Jahr“, freute sich Werner Jung, Direktor des NS-Dokumentationszentrums heute. Insgesamt besuchten rund 53.800 Menschen im vergangenen Jahr das Haus. Auch die Ausleihe der Audio-Guides wurde gesteigert. So liehen sich über 5.100 Menschen im vergangenen Jahr einen Audio-Guide aus – so viele wie noch nie. In diesem Jahr soll der Guide, der bereits in sechs Sprachen angeboten wird, um das Niederländische erweitert werden. Zudem sollen alle Guides erneuert und der Neugestaltung der Gedenkstätte und der Dauerausstellung angepasst werden. Neben einem Besucherrekord konnte das Haus zudem einen Rekord bei der Anzahl der Veranstaltungen (insgesamt 182) und bei den Einnahmen verzeichnen. Insgesamt wurden über 124.000 Euro eingenommen.

Auch inhaltlich konnte das NS-Dok 2010 neue Impulse setzen. Mit der Sonderausstellung „Die Dritte Welt im Zweiten Weltkrieg“ rückte das Haus eine bislang oft verdrängte Hälfte dieser Zeit in den Fokus. Die beeindruckende Schau ließ die Millionen Menschen zu Wort kommen, die als Soldaten, Opfer, aber auch Kollaborateure aus Asien, Ozeanien, Afrika und Lateinamerika kamen. Insgesamt präsentierte das NS-Dok 2010 sechs Sonderausstellungen. Zudem wurden in der Dauerausstellung die beiden Bereiche „Jugend“ und „Krieg“ modernisiert und mit aktuellen Forschungsergebnissen ergänzt. Im Bereich „Krieg“ erhalten Besucher seitdem nicht nur Informationen zu der Situation in Köln, sondern auch zu dem Schicksal der 100.000 Kölner, die während des Krieges an der Front dienten, sowie über die Kölner, die aus ihrer Heimat fliehen mussten. Damit konnte das Haus die Neugestaltung der gesamten Dauerausstellung abschließen.


Sonderausstellung „Die Dritte Welt im Zweiten Weltkrieg“


Sonderausstellung zum Jugend- und Schüler-Gedenktag 2010


Ibs entwickelt sich zu zentraler Anlaufstelle
Mit der Info- und Bildungsstelle gegen Rechtsextremismus (ibs) hat sich das NS-Dok inzwischen zu der Anlaufstelle in dieser Region entwickelt. In ihrem dritten Jahr bot die ibs wieder zahlreiche Workshops und pädagogische Formate an. Darüber hinaus unterstützte die Bildungsstelle Akteure in Köln, die sich gegen Rassismus einsetzten. Neben seiner Bedeutung als Gedenkort und Lernstätte versteht sich das NS-Dok auch als Forschungseinrichtung. Derzeit führt das Haus neun Forschungsprojekte durch – unter anderem über die Opposition und den Widerstand in Köln sowie über das Ghetto Litzmannstadt, zu dem 2.000 Kölner deportiert wurden. Weitere Projekte sind Recherchen zur Jugend während der NS-Zeit und zu Lebengeschichten von jüdischen Emigranten aus der ehemaligen Sowjetunion.


Foto aus dem Buch: "Alaaf und Heil Hitler", das im Januar 2010 erschien


Besucheransturm erreicht „Schmerzensgrenze“
Neben all der Freude über die gelungene Arbeit des Hauses, blickte Werner Jung auch mit Sorge in die Zukunft. Mit dem Besucheransturm im vergangenen Jahr „ist die Schmerzgrenze erreicht“, betonte Jung. Dabei hätte das Haus auch 2010 wieder zahlreichen Schulklassen absagen müssen. Die Öffnungszeiten seien einfach zu kurz, um allen Anfragen gerecht werden zu können. Tatsächlich ist das NS-Dok dienstags bis freitags nur von 10 bis 16 Uhr und samstags von 11 bis 16 Uhr geöffnet. Im Monat entspricht das rund 146 Stunden. Die meisten anderen städtischen Museen hätten dabei viel längere Öffnungszeiten – das Wallraf-Richartz-Museum etwa 205 Stunden, das Römisch-Germanische Museum 173 Stunden und das Museum für ostasiatische Kunst immerhin 149 Stunden.

Als eine mehrfach preisgekrönte Einrichtung, die auch von Besuchern immer wieder Bestnoten erhält, müsste das NS-Dok zumindest den Mindeststandart der anderen Häuser für sich beanspruchen können. Erst vergangenen Herbst wählten die Besucher der „Langen Nacht der Museen“ das NS-Dok zu ihrem beliebtesten Museum. „Das hat mich wirklich überrascht“, sagte Jung heut, schließlich sei dieser Abend eher für Museumsbesuche mit Event-Charakter bestimmt. 2010 wurden nun die Gelder für das Wachpersonal, das nötig ist, um das Haus zu öffnen, jedoch sogar noch gekürzt. Im Moment nimmt das Haus daher Gelder aus anderen Etats, um die Öffnungszeiten bis 16 Uhr zu gewährleisten.

Pflege der Sammlung unterbesetzt
Sorgen bereitet Jung auch die Arbeit des Hauses zur Dokumentation, Pflege und Aufbewahrung der Sammlung. Dafür hat das NS-Dok derzeit nur eine halbe Stelle. Das reiche jedoch lange nicht aus. Denn täglich würden dem Haus neue Dokumente oder ganze Nachlässe übergeben. 2010 überbrachten etwa ein Kölner Edelweißpirat und ein Kölner, der als Schüler während der NS-Zeit im Widerstand tätig war, ihre gesamten Nachlässe. „Wir haben hier unvorstellbare Schätze“, betonte Jung, die es zu bewahren und auszuwerten gelte.

Ausblick: NS-Dok plant Erweiterung für 2012
Im kommenden Jahr erwartet das Haus nun die Planung für die Erweiterung. 2008 hatte die Stadt beschlossen, dass das NS-Dok die derzeit noch von einer Galerie genutzten Räumlichkeiten übernehmen kann. Im Juli 2012 beginnt der Mietvertrag für die rund 1.000 zusätzlichen Quadratmeter. In den neuen Räumen will das Haus einen Raum für Sonderausstellungen einrichten. In dem bisherigen Raum dafür soll dann ein Lernzentrum und Geschichtslabor entstehen. Zudem soll in einem neuen Gewölbe im Keller der neuen Räume ein Veranstaltungsraum für Konzerte und Theatervorführungen eingerichtet werden. Im Innenhof des Gebäudes, der dann ebenso dazu kommt, soll schließlich eine Gedenkstätte errichtet werden. Denn hier befand sich damals die Hinrichtungsstätte des Gestapo-Gefängnisses. Die Finanzierung des Innenhofes ist jedoch noch nicht gesichert, so Jung. Eröffnet werden sollen die neuen Räume dann 2012.

Der gut 180 Seiten starke Jahresbericht des NS-Dokumentationszentrums ist ab sofort für 3 Euro an der Kasse erhältlich. Darüber hinaus kann er kostenlos im Internet auf der Seite des NS-Dok eingesehen werden.

Das war das NS-Dok 2010:
Beeindruckende Ausstellung über die verdrängte Hälfte des Zweiten Weltkrieges >>>

Überarbeitete Broschüre – Antisemitismus in der politischen Bildungsarbeit >>>

Weitere Teile des Nachlasses von Bertha Sander aufgetaucht >>>

Partnerstadt Lille zeigt Ausstellung des NS-DOK >>>

Neues Buch: „Verbrechensbekämpfung“ im nationalsozialistischen Köln >>>

Ausstellung im NS-Dok: Köln und seine jüdischen Architekten >>>

Neue Publikation zur Varusschlacht: „Die Erfindung der Deutschen“ >>>

Ausstellung und Mahnmalführer zu Gedenkorten in Köln >>>

Neues Buch: Zwangssterilisation in Köln 1934 bis 1945 >>>

Beeindruckende Ausstellung zum Jugend- und Schülergedenktag >>>

Karneval in der NS-Zeit: "Alaaf und Heil Hitler" – ein neues Buch >>>

Cornelia Schlößer für report-k.de/ Kölns Internetzeitung