Symbolbild Waffe

Berlin | dts | Zehn Jahre nach der Selbstenttarnung des Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU) haben die Behörden noch immer nicht alle Betroffenen darüber informiert, dass sie auf sogenannten Todeslisten der rechten Terrorzelle standen.

Das zeigt eine gemeinsame Recherche des Magazins „Stern“ und des Recherchezentrums Correctiv. Demnach wussten Menschen, die vom NSU in einer Sammlung möglicher Anschlagsziele vermerkt worden sind – teilweise mit Privatadresse und Telefonnummer – bis heute nicht darüber Bescheid.

Hunderte Namen

In Ermittlungsunterlagen finden sich dem Bericht zufolge Hunderte Namen möglicher Opfer, insgesamt soll der NSU Informationen über mehr als 10.000 Personen und Institutionen gesammelt haben. Der „Stern“ hatte in den vergangenen Wochen mit 15 von ihnen gesprochen. Darunter ist etwa Hans-Jürgen Papier, ehemaliger Chef des Bundesverfassungsgerichts, dessen Name ebenso auf einer Todesliste des NSU auftaucht wie der von Hans-Christian Ströbele, ehemaliger Bundestagsabgeordneter der Grünen.

Beide gaben gegenüber dem Magazin an, davon nichts gewusst zu haben. „Ich hätte eigentlich erwartet, dass man mich informiert“, sagte Papier. Auch weil er zu dieser Zeit keinen Personenschutz mehr hatte.

Grüner Ströbele kritisiert Polizei

Ströbele ging in seiner Kritik sogar noch weiter: Dass er nicht informiert wurde, sei „überhaupt nicht in Ordnung“, die Polizei hätte „Schutzmaßnahmen ergreifen müssen“. Andere Betroffene wurden zwar in Kenntnis gesetzt, allerdings unvollständig: So hat ein Mann, dessen Name sich auf einer der Todeslisten findet, zwar damals einen Brief vom Bundeskriminalamt (BKA) erhalten, dass der NSU aber zwei seiner Privatadressen kannte, schrieb die Behörde ihm nicht. Stattdessen wurde er gebeten, bei weiterem „Erörterungsbedarf“ seinerseits sich an die lokale Polizeidienststelle oder das zuständige Landeskriminalamt zu wenden.

Das Bundeskriminalamt (BKA), welches damals die Ermittlungen leitete, teilte dem „Stern“ mit, man habe die Listen nach Bekanntwerden im Jahr 2011 „einer individuellen Gefährdungseinschätzung“ unterzogen. Dabei hätten sich „keine Anhaltspunkte dafür ergeben, dass die Betroffenen einer konkreten Gefährdung unterliegen“.