Köln | Die Sozialistische Selbsthilfe in Köln Mülheim (SSM) übt scharfe Kritik an der Zwangsräumung und äußerte diese in einem offenen Brief an die Deutsche Bahn, die Eigentümerin des Gebäudes. Auch die Stadt und die Kölner Polizei steht in der Kritik, vor allem weil drei ältere obdachlose Frauen betroffen waren. Das Gebäude steht jetzt wieder leer, wie schon lange Zeit zuvor. Polizei und Stadt stellen ihre Bewertung auf Nachfrage dieser Internetzeitung dar.

Der Vorwurf der SSM

Die SSM schreibt an die Deutsche Bahn zu der von ihr veranlassten Räumung und Strafanzeige: „Damit haben Sie von Ihrem Recht als Eigentümer Gebrauch gemacht. Sie wissen allerdings genauso gut wie wir, dass die Freiheit des Eigentums in unserem Lande durch verschiedene Gesetze beschränkt ist. Eines davon ist das Ordnungsrecht. Danach sind Behörden verpflichtet, obdachlose Personen unterzubringen, erforderlichenfalls durch eine ordnungsrechtliche Verfügung der zuständigen städtischen Stellen, hilfsweise auch der Polizei. Aus diesem Gedanken der sogenannten Sicherheit und Ordnung ist es im Umkehrschluss auch nicht zulässig, Menschen obdachlos zu machen. Diese klare Forderung des Ordnungsrechts wird von den Behörden in Köln seit einiger Zeit damit umgangen, dass sie den betroffenen Personen Notschlafstellen zuweisen. Das bedeutet, dass diese älteren und teils kranken Frauen morgens auf die Straße gesetzt werden und den Tag über Wind und Wetter ausgesetzt sind oder etwa in Bahnhöfen Schutz suchen.“

Die SSM forderte die Bahn, auch vor dem Hintergrund der Mitmenschlichkeit und christlichen Nächstenliebe dazu auf, die drei obdachlosen Frauen wieder in das geräumte Haus zu lassen oder in einer anderen Immobilie der Bahn für eine Unterbringung zu sorgen.

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Das sagt die Stadt Köln

Der SSM übt zudem Kritik gegen die Polizei und die Stadt Köln. Report-K fragte bei der Stadt Köln nach. Die Antworten der Stadt.

report-K.de: Wurden im Zuge der Räumung der Vogelsanger Straße 230 Personen obdachlos?
Stadt Köln: Das Amt für Soziales, Arbeit und Senioren geht davon aus, dass durch die gestrige Räumung Menschen obdachlos geworden sind.

War das Wohnungsamt der Stadt Köln vor Ort?
Das Amt für Soziales, Arbeit und Senioren war nicht vor Ort. Die Fachstelle Wohnen des Amtes hat sich umgehend telefonisch mit den Ansprechpartnern des SSM in Verbindung gesetzt. Hierbei wurde darum gebeten, die persönlichen Daten der obdachlos gewordenen Menschen zu übermitteln, um schnellstmöglich Lösungen zur Überwindung der Obdachlosigkeit zu finden. Eine Übermittlung der Daten erfolgte nicht. Auch wurde ein Ansprechpartner benannt, der jederzeit erreichbar war.

Hat das Wohnungsamt der Stadt Köln Personen, die durch die Räumung obdachlos wurden, eine Ersatzwohnung angeboten?
Bei bestehender oder eintretender akuter Obdachlosigkeit kann derzeit ausschließlich die Unterbringung in einer Notversorgung (ordnungsrechtliche Unterbringung oder Unterbringung bei den Trägern der Wohnungslosenhilfe) angeboten werden.

Wurden den Obdachlosen Notschlafplätze angeboten?
Zur Beseitigung der akut bestehenden Obdachlosigkeit wurde über dem SSM die Unterbringung in einer Notschlafstelle angeboten. Daran anschließend hätte am nächsten Morgen über die Fachstelle Wohnen oder über die ResoDienste eine Anschlussversorgung vermittelt werden können, die auch einen Tagesaufenthalt ermöglicht. Grundsätzlich besteht auch bei einer ordnungsbehördlichen Notunterbringung das Angebot, mit adäquater Unterstützung regulären Wohnraum zu suchen.

Wenn ja, bedeuten Notschlafplätze nicht de fakto Obdachlosigkeit?
Jede Form der ordnungsbehördlichen Unterbringung und auch die Unterbringung in Wohnprojekten bei Trägern der Wohnungslosenhilfe bedeutet, dass weiterhin Obdachlosigkeit besteht, da Obdachlosigkeit immer dann besteht, wenn ein eigener, mietvertraglich abgesicherter Wohnraum nicht vorhanden ist.

Handelte es sich bei den Obdachlosen um Frauen, die schon älter sind?
Im Zusammenhang mit der Besetzung der Vogelsanger Str. 230 wurden vom SSM 4 wohnungslose ältere Frauen benannt.

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Kölner Polizei stellt ihre rechtliche Bewertung dar

Die Kölner Polizei erklärte auf Nachfrage dieser Internetzeitung ihre rechtliche Bewertung. Durch die Strafanzeige der DB liege ein Hausfriedensbruch vor. Dieser sei als Straftat zu werten. Daher sei die Kölner Polizei gehalten diesen Unrechtszustand zu beenden. Aus Sicht der Polizei könne im Zuge einer Zwangsräumung keine Obdachlosigkeit entstehen, da die Besetzerinnen und Besetzer keine gültige Meldeadresse in dem besetzten Objekt haben. Dazu gebe es eine eindeutige Rechtssprechung des Bundesgerichtshofes, so ein Sprecher der Kölner Polizei. Daher habe die Polizei keine Kenntnis ob Menschen nach der Zwangsräumung obdachlos geworden seien. Auch zu den Vorwürfen der Hausbesetzer, die Polizei habe bei der Räumung „brachiale Gewalt“ angewandt, äußerte sich der Polizeisprecher und negierte dies eindeutig. Der Vorwurf „brachiale Gewalt“ entbehre jeder Grundlage.

Autor: Andi Goral