Köln | 14 Monate hat Bernd Streitberger, technischer Betriebsleiter der Bühnen, gebraucht, um das Chaos der Opernsanierung zu durchforsten. Jetzt legte er – ohne Gewähr – die Zahlen vor: Mit 571 Millionen Euro wird es mehr als doppelt so teuer wie geplant. Und die Eröffnung wird wohl erst Ende 2022 erfolgen.

Geplant waren 2010 noch 260 Millionen Euro Sanierungskosten. Mit einem Jahr Verspätung für die Eröffnung hatte man sich schon abgefunden – bis der dann verkündete Termin November 2015 über Nacht auf unbestimmte Zeit verschoben wurde, die Bauarbeiten so gut wie eingestellt werden mussten.

OB Reker: Die vorgelegten Zahlen erfüllen die Forderung nach Transparenz

Im Mai 2016 übernahm dann Streitberger sein Amt – und legte jetzt seine Zahlen vor. Für OB Henriette Reker erfüllt er damit das, was sie auch hinsichtlich des Opern-„Desasters“ versprochen hatte: Transparenz. Danach wurden bislang schon 271 Millionen Euro ausgegeben, für weitere 64 Millionen wurden Verpflichtungen eingegangen.

Um die Sanierungsmaßnahmen zu bündeln und zu beschleunigen, wurden die 8.500 erfassten Baumängel zu 33 Hauptproblemen zusammengefasst. Einer der größten dieser „big points“, wie Streitberger sie nennt, ist neben der Planung die Haustechnik. Und hier der Brandschutz. Ein delikates Problem: Hier muss saniert werden – ein Totalabriss erforderte eine neue Baugenehmigung und eine neue Planung nach den neuesten Vorschriften. Was wieder Zeit kosten würde.

So gut wie fertig ist die Bühnentechnik. Sie soll so schnell wie möglich in Betrieb genommen werden, um nötigenfalls Gewährleistungsansprüche geltend machen zu können.

Regressansprüche werden zunächst an die Versicherung gerichtet

Etwa ein Drittel der Verhandlungen mit den beteiligten Baufirmen steht noch aus. Die beiden anderen sind abgeschlossen oder in Arbeit. Ob es Regressansprüche gibt, bleibt abzuwarten. Vorerst hält man sich an die Versicherung, die allerdings nur bis zu einer Höhe von 40 Millionen Euro gilt. Ein Beweissicherungsverfahren mit 3D-Lasern ist eingeleitet. Doch im Zweifelsfall würde sich Streitberger immer gegen Beweissicherung und für Termineinhaltung entscheiden. Eine juristische Auseinandersetzung mit dem Ingenieurbüro Deerns – es war für die Planung der Haustechnik zuständig, ihm wurde schon im November 2015 gekündigt – schließt er nicht aus.

Bleibt ein kleiner Trost : Die beiden Interimspielstätten – das Staatenhaus für die Oper, das Carlswerk für das Schauspiel – sind bis zu diesem Zeitpunkt gesichert. Ob Schauspiel-Intendant Stefan Bachmann bis dahin im Amt bleibt? „Ich weiß es nicht“, sagte er, die Frage treffe ihn ins Herz. Und Opernchefin Birgit Meyer wollte diese Frage erst gar nicht beantworten.

Allerdings: Der Betrieb der Interimsstätten kostet insgesamt noch einmal rund 110 Millionen Euro, berechnet aus Mietkosten und Mindereinnahmen. Hinzukommen auch noch rund 214 Millionen Euro Zinsen für Kreditaufnahmen – verteilt auf 50 Jahre.

Erst nach dem Sommer steht die Verantwortungskette für das „Desaster“ fest

Wer aber ist für diesen Bauskandal verantwortlich? Streitberger übte schon etwas Selbstkritik: Bei Sanierungsbeginn noch Baudezernent, hätte er die zuständige Abteilung wohl personell besser ausstatten müssen. Die endgültige Antwort auf die Frage nach der Verantwortung wird wohl frühestens am Sommerende vorliegen. Der Rechnungsprüfungs-Ausschuss hat dafür ein externes Gutachten in Auftrag gegeben, Kosten: 60.000 Euro. Daraus will Reker dann die entsprechenden Konsequenzen ziehen – strukturell und wenn nötig auch personell.

Im Mittelpunkt vor allem der medialen Kritik steht derzeit Kulturdezernentin Susanne Laugwitz-Aulbach. Seit 2015 verfolgt sie ihr Spruche, sie werde sich nicht den „Oberverantwortungshut anziehen“. Auch jetzt verweist sie wieder darauf, dass sie für „Inhalt“ und Arbeitsfähigkeit von Oper und Schauspiel zuständig und damit verantwortlich sei. Nicht für die Sanierung – da müsse sie sich auf Fachleute verlassen können.

Autor: ehu | Foto: ehu
Foto: Allen Katastrophenmeldungen zum Trotz: An der Oper wird gearbeitet – zumindest wird Bauschutt weggeräumt.