Berlin | Die Türkische Gemeinde in Deutschland zeigt sich irritiert über die Dialogbereitschaft der deutschen Politik mit der „Pegida“-Bewegung. Bundesfinanzminister Schäuble und der Ministerpräsident Baden-Württembergs Kretschmann zeigten sich offen für Gespräche. Ex-Politiker Jürgen Todenhöfer analysiert die Rolle von „Pegida“ vor dem Hintergrund der IS-Milizen. Im Internet werden Unterschriften gegen die Pegida-Bewegung gesammelt.

Türkische Gemeinde verurteilt Dialogangebote an „Pegida“-Anhänger

Der Vorsitzende der Türkischen Gemeinde in Deutschland, Safter Cinar, hat Dialogangebote der Politik an die Anhänger der islamfeindlichen „Pegida“-Bewegung scharf verurteilt: „Was für ein Dialog ist gemeint: Sollen wir den Demonstranten sagen, dass Muslime auch Menschen sind?“, sagte Cinar dem „Tagesspiegel am Sonntag“. „Und wofür soll man Verständnis haben? Dass in der Hauptstadt Sachsens, wo es ein Prozent Muslime gibt, angeblich das Abendland untergeht?“ Nötig, so Cinar, sei vielmehr „ein Tabu gegen Fremdenfeindschaft und Rassismus“.

Schäuble zu Pegida: Politik muss mehr erklären

Vor dem Hintergrund der Pegida-Demonstrationen hat Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) die Politik aufgefordert, Sinn und Nutzen von Zuwanderung besser zu erklären. In einem Interview mit „Bild“ (Samstag) sagte Schäuble: „Wo wir alle besser werden müssen, das ist beim Erklären der vielen Veränderungen im Alltag und in der Welt. Wir leben in einer besseren Welt als alle Generationen vor uns. Die Welt ist offener und Zuwanderung nützt allen. So wie uns nach dem Zweiten Weltkrieg Millionen Flüchtlinge und Vertriebene beim Aufbau unseres Land genützt haben und später die Gastarbeiter, so brauchen wir auch heute Zuwanderung. Aber natürlich müssen wir mit Zuwanderern auch zusammenleben. Das wird unseren Alltag verändern, aber nicht verschlechtern, sondern meistens verbessern. `Fürchtet Euch nicht`, wie es der Engel in der Weihnachtsgeschichte sagt, das muss unsere Botschaft sein.“ Gleichzeitig räumte Schäuble ein, der islamistische Terror viele Bürger ängstige: „Wovor sich die Menschen zu Recht fürchten, ist nicht der Islam, sondern der islamistische Terror. Da haben wir aus meiner Sicht in der Politik alles Erdenkliche unternommen und haben ja auch mehrfach Anschläge verhindert. Aber wir müssen weiter wachsam sein.“

Kretschmann: Politik muss mit „Pegida“-Anhängern reden

Baden-Württembergs grüner Ministerpräsident Winfried Kretschmann hat zum Dialog mit den Anhängern der sogenannten Pegida-Bewegung aufgerufen. „Ängste und Vorurteile von Menschen kann man nicht verurteilen. Wir müssen mit ihnen reden und sie von etwas Besserem überzeugen“, sagte Kretschmann dem „Tagesspiegel“ (Samstagausgabe).

Aufklärung sei das einzige Mittel. Dies gelte aber nicht für die Drahtzieher von „Pegida“, die die Vorurteile der Menschen für niedere politische Zwecke missbrauchten. Mit Blick auf die wachsende Zahl von Flüchtlingen sprach sich Kretschmann dafür aus, die Bevölkerung bei der Einrichtung von Flüchtlingsunterkünften stärker mit einzubeziehen, um Ängsten zu begegnen.

„Man darf nicht warten, bis einem die Probleme auf die Füße fallen. Die Bürger müssen in jedem Fall einbezogen werden. Sonst haben Demagogen freie Bahn.“

Todenhöfer: Deutsche IS-Kämpfer freuen sich über Pegida

Nach Meinung des Publizisten und Ex-Politikers Jürgen Todenhöfer profitiert die Terrormiliz „Islamischer Staat“ von den deutschen Pegida-Demonstrationen. Im Interview der „Welt“ erklärte Todenhöfer nach seinem Besuch im IS-Herrschaftsgebiet: „Ich war im Islamischen Staat viel mit deutschen Dschihadisten zusammen. Die freuen sich über Pegida und hoffen, dass es dadurch zu Gegenreaktionen von radikalen Muslimen kommt.“

Todenhöher ist überzeugt: „Eine Eskalation treibt ihnen neue Kämpfer zu. Pegida spielt letztlich das Spiel des IS. Natürlich ungewollt.“ Über seine Begegnungen „mit der gefährlichsten Gruppe der Welt“ äußerte sich Todenhöfer enttäuscht: „Bei manchen Gesprächen mit Führern der afghanischen Taliban und anderen radikalen Gruppen hatte ich eine Chance, Nachdenklichkeit zu erzielen.“ Beim IS sei er „chancenlos“ gewesen. „Die sind völlig überzeugt davon, eine historische Mission zu erfüllen.“

Pegida-Gegner sammeln zehntausende Unterschriften im Internet

Gegner der Pegida-Bewegung haben über die Weihnachtstage mehrere Zehntausend Unterschriften im Internet gesammelt. Eine an Heiligabend gestartete Petition unter der Überschrift „Für ein buntes Deutschland – eine Million Unterschriften gegen Pegida“ kamen bis zum 2. Weihnachtsfeiertag schon gut 35.000 Unterschriften zusammen. „Jetzt ist die Zeit, zu bekennen, dass „Wir sind das Volk!“, unabhängig von Herkunft, Hautfarbe, Religion – oder was auch immer – gilt und weiter gelten muss“, heißt es im Petitionstext. Konkrete Forderungen werden darüber hinaus jedoch nicht aufgestellt.

Autor: dts