Bernd Petelkau, CDU, Christiane Martin, Grüne und Christin Achtelik, Volt stellten die Veränderungswünsche des Gestaltungesbündnisses am 29. September im Spanischen Bau des Kölner Ratshauses vor.

Köln | Die drei Fraktionen des Kölner Ratsbündnisses Grüne, CDU und Volt stellten gestern in trauter Dreisamkeit und äußert gelassen – man ist versucht, das Wort tiefenentspannt zu nutzen – ihre Veränderungen für den Kölner Haushalt vor. Die Fraktionsvorsitzende der Grünen Christiane Martin spricht zwar von einem Balanceakt und die Zeiten werden durchaus als schwierig und herausfordernd beschrieben, aber es vermittelt sich der Eindruck des „business as usual“. Die Linke, SPD und die FDP stellten ihre politischen Zielsetzungen schriftlich vor. Heute debattieren die Parteien im Finanzausschuss des Kölner Rates über die Stadtfinanzen. Ein Überblick von report-K.

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Die Gelassenheit des Gestaltungsbündnisses

Es ist bemerkenswert wie gelassen das Kölner Ratsbündnis auf den Sturm blickt, der aktuell tobt. Um das zu verdeutlichen: Gestern gab das Statistische Bundesamt seine Prognose für die Inflationsrate im September mit 10 Prozent ab, die Bundesregierung stellte ihren „Abwehrschirm“ in Höhe von 200 Milliarden Euro vor und die führenden deutschen Wirtschaftsinstitute erwarten für 2023 eine Rezession und einen Rückgang des Bruttoinlandsprodukts im Jahresmittel von 0,4 Prozent. Die Gasumlage ist zwar vom Tisch, aber offen ist, wann der Gaspreisdeckel kommt und wie die Hilfen vom Bund aussehen. Eines machte das Gestaltungsbündnis allerdings gestern deutlich: Köln wird keinen Hilfsfonds für private Haushalte und Unternehmen in Köln aufsetzen.

Kein Dissens mit der Stadtverwaltung

Das Wort „umschichten“ fällt bei der Vorstellung der Liste des Gestaltungsbündnisses. Es sind rund 20 Millionen Euro, die in neue Töpfe fließen. Wer jetzt glaubt, dies ist aber sehr wenig bei einem Gesamtetat von rund 5,8 Milliarden Euro, der verkennt, dass ein Großteil der Mittel in Pflichtaufgaben der Kommune gebunden ist. Es geht also hier nur um den Teil der freiwilligen Mittel, mit dem Politik gestalten kann und dieser Pott ist eher klein. Und es fällt auf, dass das Gestaltungsbündnis bis auf Ausnahmen vor allem Töpfe bildet, die noch konkret ausgestaltet werden müssen und nicht in allen Fällen transparent machen, wer etwa von den Trägern direkt profitiert. Bernd Petelkau, CDU, betonte, dass er es richtig finde, Teile der Mittel aus der Gemeindefinanzierung als Risiko-Rücklage zu nutzen.

Kultur, Karneval und Bürger:innenbudget

Den größten Anteil an den Umschichtungen hat der „Strukturstützungstopf Freiwillige Förderungen“ von je 5 Millionen Euro pro Jahr. Hier sollen Vereine oder Kulturinstitutionen, freie Träger unterstützt werden, die etwa von der Energiekrise und den daraus resultierenden hohen Preisen betroffen sind. Wer und wie gefördert wird ist derzeit unklar. Hier soll die Stadtverwaltung ein Procedere aufsetzen und erarbeiten. Die Umsetzung wird also dauern. Privathaushalte werden nicht gestützt und entlastet, sowie kommerzielle Unternehmen. Diese verweist das Gestaltungsbündnis auf die Landes- und Bundesprogramme. Ähnlich verfuhr Schwarz-Grün auch in der vergangenen Wahlperiode in der Corona-Pandemie. Christian Achtelik, Volt, merkte dazu an, dass nicht alle gerettet werden könnten. Aber das Gestaltungsbündnis will die Energie, Energieschulden- und Schuldnerberatung im kommenden Jahr ausweiten und dafür 500.000 Euro ausgeben. Anders die Linke, die einen Topf von 10 Millionen Euro für 2023 fordert, um den Kölner Vereinen, Institutionen und Trägern in der Energiekrise stützend unter die Arme zu greifen. Die SPD in Köln will Gemeinnützige Organisationen und Unternehmen mit Energiezuschüssen aus einem Fonds in Höhe von 7,5 Millionen Euro stützen und fordert einen Härtefallfonds für Kölner Privathaushalte von 7,5 Millionen Euro.

Die Mittel aus der Kulturförderabgabe sind teils klar vergeben, teils in Töpfen. So will das Gestaltungsbündnis den Kölner Karneval im kommenden Jahr mit 300.000 Euro fördern. Zusätzliche öffentliche Toiletten in Köln, Volt spricht auch vom Einsatz von Kompost-Toiletten, sollen in beiden Haushaltsjahren mit je 500.000 Euro gefördert werden. Über viel Geld freuen darf sich das Jazzfestival und die Darstellende Kunst von je insgesamt einer halben Million Euro. Projekte der Kreativwirtschaft – welche dies sind bleibt im Verborgenen – erhalten 600.000 Euro. Es wird einen Fonds Festivals mit insgesamt 550.000 Euro und einen Fonds Open Air mit 400.000 Euro geben. 250.000 Euro sollen in 2024 für die Digitalisierung von Kulturprojekten ausgegeben werden. Das Gestaltungsbündnis verzichtet auf eine mögliche Erhöhung der Kulturförderabgabe, die, so die Schätzung, 5 Millionen Euro Mehreinnahmen gebracht hätte. Erhöhen will das Bündnis allerdings die Spielgeräte-Steuer um 20 Prozent und rechnet dies schon zum Teil zur Finanzierung in den Haushalt 2023 und vollumfänglich in den Haushalt 2024 ein.

Neben den 100 Millionen Euro für den Klimaschutz, die die Stadtverwaltung in den Haushalt einstellte, werden jährlich weitere 1,75 Millionen Euro für den Klimaschutz reserviert, so Martin. Dabei geht es vor allem um Klimafolgenanpassung, wie etwa die Nachpflanzung von Straßenbäume und Sofortentsiegelungsprogramm. Auch die Klimaschutzstrategie, die Klimabildung und der Klimaschutzpreis sind dort hinterlegt. Weitere 350.000 Euro pro Jahr werden in den Landschaftsschutz, Artenschutz und die Umweltbildung investiert. Sowie 90.000 Euro ins Ehrenamt und Klimaschutz.

Intransparent bleibt wofür 400.000 Euro Einzelhandelsförderung vorgesehen sind. Zudem soll es ab 2024 ein Bürger:innenbudget in Höhe von 100.000 Euro geben, dies ist so eine Art Nachfolgemodell für den krachend gescheiterten Bürger:innenhaushalt. Warum diese Mittel nicht den bezirklichen Mitteln zugeschlagen werden, wo sie direkter für Bürgerinteressen ausgegeben werden könnten, erschließt sich nicht auf den ersten Blick.

Volt will die Digitalisierung fördern. 400.000 Euro sollen für ein Open Data Portal investiert werden. 50.000 Euro für eine GießApp und 25.000 Euro Games House 2.0 Konzept. Und 250.000 Euro sollen für die Umsetzung einer Ersthelfer-App ausgegeben werden.

Im Bereich Soziales wird der Anonyme Krankenschein mit 800.000 Euro und die Streetwork und der Drogenkonsumraum am Neumarkt mit 600.000 Euro gefördert. 600.000 Euro werden in die Strukturförderung des Rennvereins gesteckt. 120.000 Euro bekommt das Jugendzentrum anyway. Die Freie Musikszene wird über die Strukturförderung mit 500.000 Euro unterstützt und es gibt einen Fond „Kulturelle Bildung“ mit 275.000 Euro. Das Programm kostenlose Menstruationsartikel soll mit 100.000 Euro gefördert werden.

Die SPD will die Soziale Stadt erhalten

Christian Joisten, Vorsitzender der SPD-Ratsfraktion: „Jetzt entscheidet sich, ob wir gut durch die nächsten beiden Winter kommen. Nicht nur finanziell, sondern gerade auch bei den Themen Soziales, Kinder- und Familienfreundlichkeit, Kultur sowie Bildung. Wir schlagen deshalb Änderungen zum Haushaltsentwurf vor, die genau diese wichtigen Bereiche stärken und den Bürgerinnen und Bürgern ganz konkret helfen. Dazu gehören Energiezuschüsse und Personalkostenausgleiche für gemeinnützige Träger, Vereine und Einrichtungen. Kürzungen in den Bereichen Kultur, Soziales, Integration und Jugend müssen zurückgenommen und die Strukturen in diesen Bereichen erhalten und zukünftig gesichert werden. Ein Energiehilfsfonds für Kundinnen und Kunden aller Energieversorger, Mittel für zwei neue Schwimmbäder und die Sanierung der Schulschwimmbecken sowie zusätzliche Stellen für mehr Schulsozialarbeit, eine schnelle Bearbeitung der aktuell besonders bedeutsamen Wohngeldanträgen und mehr Streetwork sind weitere wichtige Elemente einer Stadt, die ihre Bürgerinnen und Bürgern gerade in dieser Zeit unterstützt und fördert.

Gemeinnützige Organisationen und Unternehmen sollen mit Energiezuschüssen aus einem Fonds in Höhe von mindestens 7,5 Mio. € unterstützt werden, wenn sie aufgrund der wirtschaftlichen Entwicklung, insbesondere durch die Preissteigerungen für Energie, drohen, in existenzielle Notlagen zu geraten.

Bestehende Förderungen in den Bereichen Soziales, Kultur, Integration und Jugendhilfe sollen insgesamt erhöht werden, um die in den kommenden zwei Haushaltsjahren erwarteten Kostensteigerungen für Personal und Energie auszugleichen. Diese schätzen die Kölner Wohlfahrtsverbände auf mindestens 5 %.

Viele Menschen wissen jetzt schon nicht, wie sie ihre Gas- und Stromrechnungen im Winter bezahlen sollen. Deshalb wurde von der RheinEnergie ein Härtefallfonds in Höhe von einer Million Euro für die eigenen Kundinnen und Kunden zur Verfügung gestellt. Aus Sicht der SPD darf die Unterstützung wegen der gestiegenen Energiekosten aber nicht bei den Kundinnen und Kunden der RheinEnergie halt machen. Deshalb fordert die SPD-Ratsfraktion die Auflage eines 7,5-Millionen-Härtfallfonds für alle Kölnerinnen und Kölner, die ihren Versorgungsvertrag bei anderen Unternehmen haben.

Für Planung und Bau zweier neuer Schwimmbäder – je eins im Rechts- und eins im Linksrheinischen – beantragt die SPD ebenso Haushaltsmittel wie für die Sanierung der Schulschwimmbecken. Denn jedes Kind muss Schwimmen lernen. Alles andere bedeutet eine tödliche Gefahr für jedes Kind, das nicht schwimmen kann.“

Die Linke in Köln fordert Erhalt sozialer Strukturen

„Soziale Strukturen müssen erhalten bleiben, Benachteiligte besonders geschützt werden. Ansonsten riskieren wir eine deutliche Verschärfung der sozialen Spaltung in Köln“, warnt die Kölner Linke. 10 Millionen Euro fordert die Linke für das Jahr 2023 als Rücklage für Strom- und Heizkostenbeihilfe für Träger, Vereine und Initiativen. Also das doppelte, wie es das Gestaltungsbündnis einplant.

Die FDP spricht von einem fahrlässigen Haushalt im Licht der Energiekrise

Die FDP-Fraktion wird in der Haushaltssitzung des Finanzausschusses den Doppelhaushalt 2023 und 2024 ablehnen.

Dazu erklärt FDP-Fraktionsgeschäftsführer Ulrich Breite: „Trotz steigender Einnahmen in der Haushaltsplanung bekommt die Kämmerin die Ausgaben einfach nicht in den Griff. Die Jahresergebnisse bleiben tiefrot. Die städtische Rücklage schmilzt dadurch um über 824 Mio. Euro in den nächsten fünf Jahren auf nur noch 4,5 Mrd. Euro. Wenn das so weiter geht, ist die Stadt bald blankgezogen.

Ganz übel sieht es auch mit der Kreditentwicklung in den nächsten Jahren aus. Nahm Köln 2021 „nur“ 2.193 Mrd. an Krediten auf, sollen es 2027 gar 7.193 Mrd. sein. 5 Mrd. neue Schulden in so kurzer Zeit ist eine wahrliche Negativleistung. Bei Wirtschaftsunternehmen würde bei solchen Zahlen der Insolvenzverwalter anklopfen. Dabei sind die Aufwendungen durch Corona noch gar nicht miteingerechnet, da das Land den Kommunen als Bilanzierungshilfe die Isolierung der Coronakosten erlaubt.

Die FDP würde für diese Horrorzahlen noch ein gewisses Verständnis aufbringen, wenn in den beiden Haushalten die Energiekrise mit ihren exorbitant steigenden Kosten eingepreist wären. Doch weit gefehlt.

Die Kämmerin verweist dabei selber auf die Prognose der Bundesnetzagentur mit einer Erhöhung der Heizkosten um den Faktor 3 hin. Diese Energiekostenerhöhung fließt jedoch nur bei den Kosten der Unterkunft nach dem Sozialgesetzbuch und den Schulgebäuden ein. Doch was ist mit den weiteren städtischen Gebäuden, wie z.B. den Kitas und den Museen? Für diese Einrichtungen sind im Haushalt keine Mehraufwendungen vorgesehen.

Noch schlimmer trifft es die Jugend-, Sozial- und freien Kultureinrichtungen, für die kein einziger Cent für die höheren Energiekosten im Haushalt vorgesehen ist. Wir reden hier um Millionenbeträge, die diese unmöglich finanziell stemmen können. Die Stadt lässt diese Einrichtungen und ihre Träger mit ihren Sorgen allein. Die Wohlfahrtsverbände haben schon Alarm geschlagen und vor dem Rathaus eine Mahnwache abgehalten. Weitere Aktionen werden sicherlich folgen.

Wer beim Veränderungsnachweis zur Haushaltseinbringung am 5. September (!) die höheren Energiekosten durch die Prognose der Bundenetzagentur nur bei den Zuwendungen nach dem Sozialgesetzbuch und den Schulgebäuden korrigiert und nicht bei allen, die es betrifft, handelt vorsätzlich nicht seriös. Solch eine Vogelstraußpolitik, die vor den harten Realitäten den Kopf in den Sand steckt, wollen wir als Freien Demokraten nicht mittragen. Darum werden wir den Doppelhaushalt 2023 und 2024 auch ablehnen.“