Köln | Die Brille mag für viele Menschen mit Sehschwäche lästig sein. Für Politikerinnen und Politiker kann sie mitunter karrierefördernd sein, wie nun eine Studie des Social Cognition Center Cologne unter Beweis stellt.

Demnach zählt bei Wahlen vor allem das individuelle Gesicht von Bewerberinnen und Bewerbern. In einer Studie von Alexandra Fleischmann und Joris Lammers bestätigte sich, dass das Tragen einer Brille durchaus zu einer höheren Wählerzustimmung führen kann. In früheren Studien haben Wissenschaftler bereits herausgefunden, dass jugendlich wirkende, runde Gesichter – so genannte „Baby Faces“ – zwar hohe Sympathiewerte haben, nicht jedoch für politische Seriösität stehen. Hier haben eher „markante“ Gesichter eine Chance, gewählt zu werden.

In ihrer Studie haben die beiden Kölner Sozialforscher lediglich den Einfluss von Brillen auf den Wahlerfolg untersucht und dabei Erstaunliches festgestellt. „Dieser Effekt hat uns deshalb so besonders interessiert, weil er im Gegensatz zur Gesichtsphysiognomie viel leichter zu manipulieren ist – entweder man setzt eine Brille auf oder eben nicht“, erklärt Alexandra Fleischmann, Autorin der Studie und Doktorandin in der Arbeitsgruppe von Dr. Joris Lammers.

Das Forschungsdesign

Für die Studie manipulierten die Psychologen Bilder von schwedischen Politikerinnen und Politikern durch ein Bildbearbeitungsprogramm mit und ohne Lesehilfe. Die Studienteilnehmerinnen und -teilnehmer bewerteten die Bilder danach, ob sie die Person wählen würden oder nicht. „Es zeigte sich, dass die Personen mit von uns reingeschnittenen Brillen als kompetenter eingeschätzt wurden und es leichter hatten, gewählt zu werden.

Dieser Effekt stellte sich erstaunlicherweise auch dann ein, wenn wir den Probandinnen offen gesagt hatten, dass der Politiker die Brille nur deshalb aufsetzt, um kompetenter zu erscheinen“, so Fleischmann weiter.

Die Brille als Kulturgut des Westens

In mehreren Experimenten wurde weiterhin untersucht, in welchen Situationen Brillen besonders einflussreich sind, ob Brillen den Wahlerfolg unabhängig von der Parteizugehörigkeit befördern und ob Brillen in unterschiedlichen Kulturen (USA, Indien) zum Wahlerfolg verhelfen. Außerdem prüften die Kölner Forscher, ob der größere Wahlerfolg eine Folge davon ist, dass Brillenträgerinnen intelligenter oder menschlich wärmer aussehen.

Das Phänomen, dass das Tragen einer Brille dem Träger offenkundig Pluspunkte in Sachen Kompetenzvermutung verschafft, ist aber offenbar auf westliche Kulturkreise beschränkt. In Indien beispielsweise, auch das ergab die Studie, hat das Tragen einer Brille keinen vergleichbaren Effekt. Möglicherweise spielt das deshalb keine Rolle, weil in Indien anteilig deutlich weniger Personen eine Brille tragen, so die Mutmaßung der Wissenschaftler.

Die Studie ist in englischer Sprache in der Fachzeitschrift Social Psychology, Ausgabe Juli 2018, veröffentlicht. Sie trägt den Titel: You Can Leave Your Glasses on: Glasses Can Increase Electoral Success.

Autor: Ralph Kruppa
Foto: Auch wenn die Brille dem SPD-Spitzenkandidaten bei den Bundestagswahlen 2017 wenig geholfen hat. Ohne sie hätte seine Partei möglicherweise noch weniger Stimmen erhalten, wie eine Studie Kölner und Groninger Wissenschaftler zeigt.  Bild: Archiv