Köln | „Feuerteufel von Pesch ermittelt und verhaftet – Zeugensuche in Vingst“ veröffentlicht die Polizei Köln am 25. Juni nicht nur auf der offenen Plattform der „dpa“, sondern auch auf ihren sozialen Netzwerken. Mit dieser Meldung missachtet die Polizei Köln nicht nur das Gebot der Unschuldsvermutung, sondern auch den Erlass des NRW-Innenministeriums zur Öffentlichkeitsarbeit. Sie veröffentlicht diese reißerische Meldung sogar bevor ein Haftrichter entschieden hat. In der Meldung selbst nennt sie die Nationalität der mutmaßlichen Täter, obwohl dies nichts mit dem Fall zu tun hat. Verantwortlich: Polizeipräsident Uwe Jakob.

Hinweis der Redaktion: Die Kopie des Originaltextes der Polizeimeldung finden Sie am Ende des Artikels.

Die Meldung der Polizei

Der Fall ist einfach, schnell und nüchtern so erklärt: Die Kölner Polizei wertete vorhandenes Videomaterial aus und nahm daraufhin zwei Männer fest, denen sie zur Last legt, im Gewerbegebiet in Köln-Pesch am Samstag den 20. Juni sechs PKW und einen LKW in Brand gesetzt zu haben. Sie plant, diese beiden Männer einem Haftrichter vorzuführen und vollstreckte zuvor erwirkte Haftbefehle. Das ist in zwei Sätzen und neutral zusammengefasst der Inhalt einer Polizeimeldung. Klingt jetzt irgendwie nicht fancy, sexy oder reißerisch und sorgt auf Social Media oder in Medien nicht unbedingt für viele Clicks, denn es fehlen die richtigen reißerischen Keywords.

Die Sprache in der Polizeimeldung

Aus mutmaßlichen Brandstiftern werden „Feuerteufel“. Das Wort „mutmaßlich“ steht schon mal gar nicht vor den „Feuerteufeln“, wo es eigentlich hingehört. In der Meldung selbst wird zwar ein klein wenig relativiert „zwei dringend der Brandstiftung Verdächtige“ aber da ist der „Feuerteufel“ schon in den Hirnen der Rezipienten gesetzt. Umgangssprachlich und reißerisch geschrieben, damit all das, was bei dieser Wortsetzung im Unterbewusstsein mitschwingt gesetzt wird: Begriffe wie Unwesen treiben oder wie es die Wortdefinition selbst sagt – eine Person die zum Spaß oder wegen einer psychischen Störung Dinge in Brand setzt. Dabei ist all dies noch unbewiesen, vor allem die Motivlage.

In Deutschland gilt die Unschuldsvermutung und die hat Verfassungsrang, leitet sich aus der Europäischen Menschenrechtskonvention ab und der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte. Alle Menschen gelten in Deutschland solange als unschuldig bis das Gegenteil bewiesen ist. Die Polizei beschuldigt in dem vorliegenden Fall zwei Männer der Brandstiftung. Mit dem Titel „Feuerteufel“ verurteilt die Kölner Polizei die beiden Männer vorschnell, veröffentlicht dies, gibt dies für weitere Veröffentlichung frei und stempelt diese so vor dem rechtsstaatlichen Verfahren als Kriminelle ab. Es ist sogar noch schlimmer, denn die Polizei schreibt in ihrer Meldung selbst: „Das wegen gemeinschaftlicher Brandstiftung gegen die Festgenommenen ermittelnde Kriminalkommissariat 13 führt beide heute einem Haftrichter vor.“ Im Klartext bedeutet dies, ein Haftrichter hatte – trotz vorliegender Haftbefehle – noch keine endgültige Entscheidung getroffen und dennoch veröffentlichte die Kölner Polizei diese „Feuerteufel“-Meldung vor der Entscheidung des Haftrichters?

Sachlichkeit gefordert

Im Runderlass des für die Polizei Köln zuständigen NRW-Innenministeriums ist unter 4.2. unmissverständlich geregelt: „Mitteilungen an die Presse haben sich grundsätzlich auf die Wiedergabe des Sachverhalts zu beschränken. Dies gilt insbesondere für Ermittlungsvorgänge.“ und weiter „Äußerungen zur Vorwerfbarkeit eines Verhaltens oder über die Verantwortlichkeit von Personen unterbleiben grundsätzlich.“ Da der Runderlass des Innenministeriums eindeutig Bezug zum gültigen Pressekodex herstellt, wird dieser von der Polizei Köln missachtet, denn dort steht: „Ziel der Berichterstattung darf in einem Rechtsstaat nicht eine soziale Zusatzbestrafung Verurteilter mit Hilfe eines „Medien-Prangers“ sein. Zwischen Verdacht und erwiesener Schuld ist in der Sprache der Berichterstattung deutlich zu unterscheiden.“ Dies gilt umso mehr für eine amtliche Mitteilung der Strafverfolgungsbehörde Polizei Köln, da diese anders als journalistische Medien nicht über den Strafprozess an sich berichtet, wie die Presse. Denn die Presse ist dazu verpflichtet, wenn sie über eine noch nicht rechtskräftige Verurteilung berichtet, auch über einen abschließendes Urteil oder einen Freispruch zu berichten.

Auch der Absatz „Nachdem sich der Tatverdacht gegen die Männer, die bislang polizeilich nicht in Erscheinung getreten waren, erhärten ließ, schlugen die Ermittler heute um 6 Uhr zu.“ zeugt von einer reißerischen und nicht sachlichen Darstellung.

Was hat die Nationalität in dieser Meldung zu suchen?

Es gibt eine aktuelle Debatte in Deutschland zum Thema Rassismus und Polizei. Die Kölner Polizei schreibt in ihrer „Feuerteufel“-Meldung dann folgenden Satz und verstößt damit erneut gegen den Runderlass des Ministeriums: „Den beiden Osteuropäern wird zur Last gelegt, in der Nacht auf Samstag (20. Juni) im benachbarten Gewerbegebiet Pesch gemeinschaftlich sechs geparkte Pkw sowie einen Lkw in Brand gesetzt zu haben.“ Welcher Nationalität die mutmaßlichen Brandstifter sind oder waren spielt in diesem Fall überhaupt keine Rolle, zumindest ist dies aus der Meldung der Polizei nicht ersichtlich. Der Runderlass des Ministeriums ist hier eindeutig: „Auf die Zugehörigkeit zu einer Minderheit wird in der internen und externen Berichterstattung nur hingewiesen, wenn sie für das Verständnis eines Sachverhalts oder für die Herstellung eines sachlichen Bezugs zwingend erforderlich ist. Die „Leitlinien für die Polizei des Landes Nordrhein-Westfalen zum Schutz nationaler Minderheiten vor Diskriminierungen“ (Runderlass des Innenministeriums vom 15.12.2008 (SMBl. NRW. 2051)) sind zu beachten.“ Auch der gültige Pressekodex ist eindeutig: „In der Berichterstattung über Straftaten ist darauf zu achten, dass die Erwähnung der Zugehörigkeit der Verdächtigen oder Täter zu ethnischen, religiösen oder anderen Minderheiten nicht zu einer diskriminierenden Verallgemeinerung individuellen Fehlverhaltens führt. Die Zugehörigkeit soll in der Regel nicht erwähnt werden, es sei denn, es besteht ein begründetes öffentliches Interesse. Besonders ist zu beachten, dass die Erwähnung Vorurteile gegenüber Minderheiten schüren könnte.“

Neben der Erwähnung der Nationalität findet eine weitere Herabwürdigung statt. So heißt es in der Meldung, dass die Festnahme per Haftbefehl an der Wohnung der beiden Männer stattgefunden habe und weiter: „Gleichzeitig vollstreckten die Fahnder einen gerichtlichen Durchsuchungsbeschluss für die Unterkunft an der Donatusstraße.“ Im Runderlass zur polizeilichen Öffentlichkeitsarbeit des NRW-Innenministeriums heißt es dazu: „Über Ermittlungsvorgänge wird so berichtet, dass die Identität betroffener Personen nicht preisgegeben wird. Insbesondere unterbleibt die Bekanntgabe von Namen, Namenskürzeln und Anschriften.“ Mit Nennung des Straßennamens, dem Begriff „Unterkunft“ und des Alters der beiden Männer ist durchaus deren Identität erkennbar.

Warum schreibt die Polizei so reißerisch?

Diese Meldung richtet sich ja nicht mehr nur an Pressevertreterinnen und Pressevertreter, sondern ist Teil der polizeilichen Öffentlichkeitsarbeit auf der „dpa“-Plattform, für deren Veröffentlichung die Kölner Polizei Geld bezahlt. Zudem betreibt die Polizei Köln einen gut laufenden Facebook-Kanal auf dem alle diese Meldungen auch veröffentlicht werden. Langweilig geschriebene amtliche Mitteilungen bringen aber nicht so viel Faves, Likes, Clicks, Kommentare und werden seltener geteilt. Eigentlich müsste der Polizei Köln selbst auffallen, dass sie mit solchen Mitteilungen einen „Medien-Pranger“ – beziehungsweise in diesem Fall besser als „Social-Media-Pranger bezeichnet – betreibt, denn die Kommentare sind eindeutig. Da geht es mit Volkes Seele durch. Nur ein paar Kommentare zu diesem einen Fall (im Wortlaut, Rechtschreibfehler wurden mit übernommen):

„J. S.: Selbst wenn sie es waren kommen die wieder auf freien Fuß und da sie kein Geld haben bezahlt der Steuerzahler

H. B.: Du weißt schon wie die Richter bei schwerer Brandstiftung urteilen?

J. S. an H. B.: in Deutschland 3 stunden Stubenarrest

J. M. an H. B.: selber als Zeuge erlebt: Du Du Du, mach das nie wieder. Bewährungsstrafe

oder

V. J. J.: Super ab hinter Gitter. Und danach ab zurück….

H. B.: nach Chorweiler oder Mühlheim?“

Schön für die Beamten ist natürlich auch, dass sie sich in Ihrer Filterblase ihres eigenen Facebook-Kanals viel Lob abholen, denn auch in diesem Fall kommentiert eine H.B.: ja, genau, großartige Polizei – mit einem dicken roten Herz-Emoij.

Wer trägt die Verantwortung?

Auch das regelt das Land NRW im Runderlass des Innenministeriums klar und eindeutig: „Die Verantwortung für die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit trägt die Behördenleitung.“ Im Kölner Fall ist dies Polizeipräsident Uwe Jacob.

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Originalmeldung der Kölner Polizei im Wortlaut

„Polizei Köln

POL-K: 200625-3-K Feuerteufel von Pesch ermittelt und verhaftet – Zeugensuche in Vingst
Köln (ots)

Die Kripo Köln hat am frühen Donnerstagmorgen (25. Juni) zwei dringend der Brandstiftung Verdächtigte (48, 33) in deren Wohnung im Ortsteil Pesch per Haftbefehl festgenommen. Gleichzeitig vollstreckten die Fahnder einen gerichtlichen Durchsuchungsbeschluss für die Unterkunft an der Donatusstraße. Den beiden Osteuropäern wird zur Last gelegt, in der Nacht auf Samstag (20. Juni) im benachbarten Gewerbegebiet Pesch gemeinschaftlich sechs geparkte Pkw sowie einen Lkw in Brand gesetzt zu haben. Gegen 0.40 Uhr hatten Anwohner die brennenden Fahrzeuge bemerkt und umgehend Feuerwehr sowie Polizei alarmiert. Zeugenhinweise und Videoaufnahmen einer Überwachungskamera gaben den Ermittlern erste Hinweise auf das Duo. Nachdem sich der Tatverdacht gegen die Männer, die bislang polizeilich nicht in Erscheinung getreten waren, erhärten ließ, schlugen die Ermittler heute um 6 Uhr zu. Bei der Durchsuchung stellten sie Beweismittel sicher. Das wegen gemeinschaftlicher Brandstiftung gegen die Festgenommenen ermittelnde Kriminalkommissariat 13 führt beide heute einem Haftrichter vor.“

Hinweis der Redaktion: Der zweite Absatz dieser Polizeimeldung befasste sich mit einem anderen Fall, der aus Verständlichkeitsgründen hier nicht wiedergegeben wird.

Autor: Andi Goral