Die so genannten "Autonomen Nationalisten" sind seit dem vergangenen Jahr im Kölner Umland auf dem Vormarsch. Dies gab heute die Polizei Köln bekannt. So habe man 2011 im Vergleich zum Vorjahr etwa doppelt so viele von ihnen verübte Straftaten registriert. In Leverkusen hätte sich die Zahl ihrer Delikte sogar vervierfacht. Insgesamt schreibt die Polizei Angehörigen der "Autonomen Nationalisten" im vergangenen Jahr 50 Straftaten zu. Zu der Vereinigung sollen etwa 40 Personen in Leverkusen, Pulheim und Radevormwald gehören. In Köln sind sie dagegen weniger aktiv. Zu den Delikten gehören vor allem Sachbeschädigungen und Propaganda-Delikte, vereinzelt aber auch Gewaltdelikte.

Insgesamt zählte die Polizei im Kölner Bezirk 2011 rund 270 politisch motivierte Straftaten aus der rechten Szene. Zwar gilt Leverkusen mit 30 Delikten als Zentrum der Szene, betrachtet man die Zahl der Delikte relativ zur Einwohnerzahl der Stadt. Absolut wurden im Stadtgebiet Köln mit 110 Delikten jedoch weitaus mehr begangen. Erst am vergangenen Wochenende hatte eine bislang unbekannte Frau eine jüdische Gedenktafel in der Kölner Innenstadt mit einem Hakenkreuz besprüht. Im Juli 2011 wollten die "Autonomen Nationalisten" in Köln demonstrieren, sie kamen jedoch aus dem Kölner Hauptbahnhof gar nicht heraus [report-k.de berichtete].

Polizei richtet neue Ermittlungsgruppe für rechte Szene ein
Mit der rechten Szene in Köln, Leverkusen und Erftkreis, Rheinisch-Bergischer Kreis und Oberbergischer Kreis soll sich eine neu gegründete Ermittlungsgruppe beschäftigen. Sie ist Teil des "8 Punkte-Plans" von NRW-Innenminister Ralf Jäger [report-k.de berichtete]. In Köln sollen nun Erkenntnisse über Tatverdächtige aus der rechten Szene gebündelt werden. Bislang wurden verschiedene Straftaten wie etwa Sachbeschädigung und Körperverletzung eines Tatverdächtigen in verschiedenen Dezernaten behandelt, künftig sollen sie nun gebündelt von der neuen Ermittlungskommission bearbeitet werden. Diese Arbeitsweise bezeichnet die Polizei Köln als "täterorientiert". So soll ein Wissenszentrum über die rechte Szene entstehen. Zudem soll die Verbreiterung der "Autonomen Nationalisten" gestoppt werden.

Dazu will die Polizei in den kommenden Monaten unter anderem Razzien durchführen und an den bekannten Treffpunkten der Szene mehr Präsenz zeigen. "Wir müssen ihnen auf den Füßen stehen", fasste Kölns Polizeipräsident Wolfgang Albers zusammen. Darüber hinaus soll die neue Ermittlungsgruppe den Opferschutz und Präventionsarbeit verbessern. Erarbeitet werde derzeit etwa eine Ausstellung, die geschulte Polizeibeamte an Schulen vorstellen wollen. So sollen Jugendliche für das Thema sensibilisiert werden.

Infobox „Autonome Nationalisten“
Das Bundesamt für Verfassungsschutz hat im Mai 2009 eine Informationsschrift mit dem Titel „Autonome Nationalisten“– Rechtsextremistische Militanz“ herausgegeben. Das Amt unterzieht dabei die Gruppierung einer sehr analytischen Wertung und auch deren Bedeutung innerhalb rechtsextremer Kreise in Deutschland. Report-K.de zitiert aus dem Papier, dass man auch hier beim Bundesamt für Verfassungsschutz herunterladen kann.

Der Verfassungsschutz beschreibt die „Autonome Nationalisten“ so: „Seit einigen Jahren treten vermehrt Personen bei rechtsextremistischen Demonstrationen auf, die in ihrem Erscheinungsbild dem traditionellen Habitus der Neonazi-Szene nicht entsprechen: mit einer Kleidung, die ursprünglich den eher „linken“ oder von Migranten geprägten Bereichen entstammt, Transparenten und Sprüchen, die Anglizismen verwenden, vor allem aber mit Forderungen nach einer offensiveren, gewaltbereiten Auseinandersetzung mit dem politischen Gegner und der Polizei. Diese Rechtsextremisten sind mit ihrer schwarzen Kleidung,Turnschuhen, Sonnenbrillen, Baseball-Kappen und Kapuzenpullovern auf den ersten Blick von „linken“ Gegendemonstranten kaum zu unterscheiden. Sie bezeichnen sich oftmals als „Autonome Nationalisten“. IhrAnteil an der Neonazi-Szene ist angestiegen. Aktuell sind den „Autonomen Nationalisten“ 400-500 Personen zuzurechnen (ca. 10% der 4.800 Neonazis). Gerade das Auftreten aber sorgt immer wieder für Zwist mit den Altvorderen etwa der NPD. Allerdings sieht der Verfassungsschutz die Rolle der „Autonome Nationalisten“ zumindest 2009 als gestärkt an, weil eine der größten rechten Demonstrationen mit rund 1.200 Teilnehmern in Dortmund 2008 aus deren Reihen organisiert wurde. 

Die „Autonome Nationalisten“ wollen dem rechtsextremen Spektrum gerade unter jungen Menschen neue Zielgruppen erschließen, in dem sie ein offeneres Angebot formulieren, als etwa die Skinhead Szene. Die „Autonome Nationalisten“ haben ihre Schwerpunkte daher auch im ehemaligen Westdeutschland, vor allem in Berlin. So schreiben Sie nicht vor welche Musik man cool finden muss, thematisieren die soziale Frage, lehnen das aktuelle politische System ab und fordern von Sympathisanten und Mitgliedern lediglich rechte politische Gefolgschaft.

Der Verfassungsschutz kommt zu folgender Wertung und Prognose: „„Autonome Nationalisten“ stellen weniger eine ideologische als vielmehr eine strategisch-aktionistische Neuerung im Rechtsextremismus dar. Diejenigen Neonazis, die an einer eigenständigen Politik festhalten, sind in der Mehrzahl eher traditionell ausgerichtet, lehnen aber den provokativ-militanten Stil „Autonomer Nationalisten“ nicht mehr in der Schärfe früherer Jahre ab.“ Die Aktionen der „Autonome Nationalisten“ haben einen stärker politischen Charakter, wie etwa der Überfall auf die DGB Kundgebung am 1. Mai 2009 in Dortmund, als bei den Skinheads, die sich vor allem gegen „Fremde“ richten.

Der Verfasssungsschutz weiter: „Revolutionäres Pathos, antibürgerlicher und provokativer Habitus zielen vornehmlich auf Jugendliche und Heranwachsende. Die Protagonisten übernehmen Insignien der „linken“ Protestkultur, einschließlich ihrer militanten Aktionsformen und versuchen sich als Avantgarde einer neuen Jugendrevolte zu inszenieren – bislang jedoch weitgehend erfolglos. Der Versuch eine neue Klientel für rechtsextremistische Inhalte zu gewinnen, muss gleichwohl ernst genommen werden. „Autonomen Nationalisten“ setzen dabei weniger auf Inhalte, sondern eher auf „erlebnisorientierte“ Aktionen, wenngleich mit einem „sozialrevolutionären Nationalismus“ auch neue Politikfelder in den Vordergrund rücken, die auf ein gesellschaftliches Potenzial zielen, das auch von linksextremistischer Seite agitiert wird.“

[cs]