Bad Neuenahr | Der scheidende Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland, Nikolaus Schneider, hat Lehren aus dem Finanzskandal beim kircheneigenen Beihilfe- und Bezügezentrum (bbz) gefordert. Zwar könne die Ordnung der Kirche nicht vor individuellen Fehlern schützen, sagte Schneider in seinem letzten Jahresbericht auf der Landessynode am Montag in Bad Neuenahr. Es müsse aber auf allen Ebenen sichergestellt werden, dass Berichtspflichten eingehalten würden und die Umsetzung von Beschlüssen überwacht werde.

Schneider sagte, eine Besonderheit der Landeskirchenordnung sei die fehlende Gewaltenteilung. Die umfassende Leitungsfunktion der Synode könne jedoch nur gelingen, wenn bestehende Verfahrensregeln strikt eingehalten und auch ungeschriebene Regeln beachtet würden, mahnte Schneider. Dazu gehöre, dass Entscheidungen kollegial gefasst würden. Das bbz in Bad Dürkheim war 2011 durch riskante Anlagegeschäfte in Finanznöte geraten. Mehreren Mitarbeitern wurden Untreue, Betrug und Bilanzfälschung vorgeworfen.

Energiewende für viele nicht bezahlbar

Darüber hinaus kritisierte der Präses in seinem Jahresbericht einen „grundlegenden sozialpolitischen Perspektivwechsel“ der Bundesregierung. „Statt aktiv zu handeln, Regelsätze zu erhöhen, Mindestlöhne einzuführen, Kinderarmut zu beseitigen, streicht man einfach Sätze im Armutsbericht“, rügte Schneider und nannte die verfestigte Langzeitarbeitslosigkeit als einen Grund für Armut. Es sei ihm völlig unverständlich, dass die Mittel für öffentlich geförderte Beschäftigung seit 2010 drastisch zurückgefahren würden. Arbeitslose Menschen würden ihrer letzten gesellschaftlichen Teilhabemöglichkeiten weitgehend beraubt.

Ein weiteres Problem sei die Energiewende, sagte Schneider. Der Ausstieg aus der Atomenergie sei zwar ein Meilenstein, die Energiewende selbst jedoch für viele Menschen nicht bezahlbar. Die steigenden Kosten seien ein ernstes gesellschaftliches Problem. Daher müsse nach Wegen gesucht werden, die Wende sozial gerecht umzusetzen. Energie müsse für alle bezahlbar bleiben. Zur Glaubwürdigkeit der evangelischen Kirche gehöre, auch das eigene Handeln ökologisch auszurichten.

Kritik an Umgang der EU mit Asylsuchenden

Darüber hinaus rief Schneider zu einem menschenwürdigeren Umgang mit Flüchtlingen auf. Die Einrichtung von Haftanstalten für Asylsuchende an den europäischen Außengrenzen sei eine Schande für die EU. Auch im Rheinland ankommende Asylbewerber würden teilweise an Länder überstellt, in denen sie in Haft genommen würden. Schneider forderte, Mindeststandards für Menschenrechte müssten in allen EU-Staaten eingehalten werden – sonst mache sich Deutschland mitschuldig an dem Unrecht, das Asylbewerbern angetan werde.

Schneider geht Anfang März nach zehn Jahren Amtszeit offiziell in den Ruhestand. Am Donnerstag (10. Januar) wird auf der Synode ein Nachfolger für den 65-jährigen Theologen gewählt.

Autor: Hanna Jochum, dapd