Kölner Traditionsunternehmen wird von der Politik ausgebremst. Foto: Claudia Hessel

report-K präsentiert ausgewählte Beiträge aus dem Newsletter des Kölner Presseclubs, den Sie hier abonnieren können. Für die redaktionellen Inhalte ist der Kölner Presseclub verantwortlich. Die Autorin dieses Newsletters Claudia Hessel ist Chefmoderatorin von RTL West und verfasst als Journalistin und Autorin Beiträge für verschiedene Magazine und Publikationen.

WIE EIN ENGAGIERTES KÖLNER TRADITIONS-UNTERNEHMEN VON DER POLITIK AUSGEBREMST WIRD

Wer hätte gedacht, dass die Zukunft eines wichtigen Industriezweiges auch von Zuckerrübenschnitzeln abhängt. Es geht um die eigenständige Energieversorgung der Zuckerindustrie und damit auch um einen Marktführer: das Familienunternehmen Pfeifer & Langen aus Köln, deren Verpackung mit den markanten zwei Dom-Zuckerhüten in fast jedem Haushalt zu finden ist. Da steht zwar mittlerweile Diamant-Zucker drauf, aber wir alle sind mit Kölner-Zucker groß geworden. Und jetzt wird’s bitter für die Süßmacher aus Köln.

Doch von vorne: Mit der Zuckerrübe begann am 19. April 1870 die erfolgreiche Geschichte des Kölner Familienunternehmens Pfeifer & Langen: Würfelzucker, Gelierzucker – alles Erfindungen der Gründungsväter Valentin Pfeifer und Eugen Langen und ihrer nachfolgenden Generationen. Darüber hinaus war Langen maßgeblich an der Entwicklung des Ottomotors in Deutz und der Wuppertaler Schwebebahn beteiligt. So viel kurz zum historischen Exkurs. Bis heute ist das Unternehmen in Familienhand und beschäftigt rund 2.500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter  in Europa. Der Gesamtumsatz im Jahr 2021 betrug rund 975 Millionen Euro.  An sechs Standorten in Deutschland und weiteren zehn Werken in Europa wird alles rund um den Zucker produziert. Von der erdigen Rübe auf dem Feld bis zum weißen Zucker im Kuchen oder Kaffee wird viel Energie benötigt. Und bei den aktuellen Preisen ist es nachvollziehbar, dass sich das energieintensive Unternehmen unabhängig von fossiler Energie machen will, nicht zuletzt um wettbewerbsfähig zu bleiben.

„Wir könnten sofort Zucker klimaneutral produzieren, wenn die Rahmenbedingungen dies zuließen“, sagt mir der Geschäftsführer Michael Schaupp im Gespräch am Firmensitz im Kölner Stadtteil Junkersdorf.  „Aus 50 % – 70 %  der Rübenschnitzel, die bei der Zuckergewinnung immer als Reststoffe anfallen, kann genug Biogas erzeugt werden, um den Energiebedarf aller Werke vollständig zu decken.“

Klingt gut, wo ist das Problem? Das lag zunächst in Brüssel. Dort wurde zwei Jahre lang bis April dieses Jahres die Neufassung der Erneuerbaren-Energien-Richtlinie, RED III, erarbeitet. Darin sollten u.a. auch Zuckerrübenschnitzel als emissionsfrei eingestuft werden, damit sie ohne CO²– Abgabe zur klimaneutralen Energieerzeugung herangezogen werden können. Das hat in Teilen geklappt,  aber wie immer steckt der Teufel im Detail. 

„RED III ist ein Bürokratiemonster“, sagt Michael Schaupp.  Schon seit Jahren steht die Bagasse als fortschrittlicher, also emissionsfreier, Energieträger drin. Bagasse fällt als Reststoff an, wenn in Brasilien, Indien oder Thailand Zuckerrohr verarbeitet wird. Sie ist vergleichbar mit Rübenschnitzeln der heimischen Zuckerindustrie. Und jetzt wird es völlig absurd: Würde Pfeifer & Langen Reststoffe zur Energiegewinnung aus Brasilien mit 10.000 km Transportweg verwerten, wären keine CO²-Zertifikate nötig und die Bagasse ist auch steuerlich bessergestellt als Erdgas. Die Wege der EU-Vorschriften sind manchmal unergründlich …

Pfeifer & Langen-Geschäftsführer Michael Schaupp: „Wir können sofort Zucker klimaneutral produzieren, wenn die Rahmenbedingungen dies zuließen.“ Foto: Pfeiffer & Langen GmbH & Co.KG

Ein solches Greenwashing kommt aber für das Kölner Familienunternehmen nicht in Frage.„Wir stehen zu unserem Ziel, klimaneutral zu werden und achten darauf, woher der Energieträger für unsere Fabriken kommt.“ versichert Schaupp. Er fordert die Gleichbehandlung von Reststoffen bei der Zuckerproduktion, denn sonst drohen Wettbewerbsnachteile für die heimische Zuckerindustrie, fürchtet der Geschäftsführer: „Wir kämpfen hier auf allen politischen Ebenen für ein Grundnahrungsmittel. Und das muss in Deutschland und in Europa verfügbar sein.“ Und am Ende auch bezahlbar, denn unsere Lebensmittelkosten werden nach Einschätzung von Experten auf hohem Niveau bleiben.

Noch ist bei der EU nicht alles verloren:  So haben mir die Europa-Abgeordneten Dr. Markus Pieper (EVP) und Tiemo Wölken (SPD) auf meine Nachfrage mitgeteilt, dass nach jetzigem Sachstand die Richtlinie RED III den EU-Mitgliedstaaten Spielraum gibt, Zuckerrübenschnitzel als emissionsfreien Biokraftstoff anzuerkennen.

Nun ist die Bundesregierung am Zug. Es geht jetzt um die Umsetzung der europäischen Richtlinie in deutsches Recht. Angesichts der bisherigen Ampel-Politik ist allerdings Zweifel angebracht, dass diese Chance für die deutsche Zucker-Industrie aufgegriffen wird. Denn auch an den aktuellen Überlegungen für ein Werbeverbot von zuckerhaltigen Lebensmitteln wird meines Erachtens deutlich, dass das Grundnahrungsmittel Zucker in der Bundesregierung offenbar nicht hoch angesehen ist. Mag sein, dass der Mensch nun mal bei Zucker schwach wird und 34 Kilo pro Jahr laut WHO zu viel sein mögen, aber der Grund des möglichen Werbeverbots ist, dass Kinder am Ende weniger Süßigkeiten essen sollen. Eigentlich eine Erziehungsaufgabe von Eltern und nicht vom Staat. Und da wird nun bei einem Werbeverbot alles in einen Topf geworfen mit Konsequenzen für viele – angefangen von der Werbeindustrie bis hin zu den Zuckerproduktherstellern. Werbeverbot für Süßes? Michael Schaupp ist sauer: „Das ist –  überspitzt formuliert – ein staatliches Diktat, was ich essen soll und was nicht. Wo leben wir eigentlich?“ 

Von Zuckerrübenschnitzel als fortschrittlicher Energieträger bis Werbeverbot für Süßes – die heimische Rübe muss ganz schön viel Politik aushalten. Hoffentlich schmeckt sie am Ende nicht bitter….