Digitalexperte Karl-Heinz Land: »Darauf sind wir in Deutschland nicht vorbereitet.« Foto:Neuland

report-K präsentiert ausgewählte Beiträge aus dem Newsletter des Kölner Presseclubs, den Sie hier abonnieren können. Für die redaktionellen Inhalte ist der Kölner Presseclub verantwortlich. Die Autorin dieses Newsletters Claudia Hessel ist Chefmoderatorin von RTL West und verfasst als Journalistin und Autorin Beiträge für verschiedene Magazine und Publikationen.

KI und ChatGPT verändern die Arbeitswelt radikal – sind wir darauf vorbereitet? Nein, sagt ein renommierter Kölner Digitalexperte
 

Dies hier ist mein eigener Text. Warum erwähne ich das? Weil Sie in naher Zukunft nicht mehr sicher sein können, aus welcher Feder ein Artikel stammt. Der schreibende Konkurrent von uns Journalisten heißt ChatGPT.  Jeder kann es nutzen und damit komplizierte Matheaufgaben lösen, Texte, Präsentationen, Hausaufgaben, Drehbücher oder Doktor-Arbeiten schreiben lassen. Was daraus folgt, ist absehbar: Die neue KI-Technologie wird wirtschaftliche, soziale, politische und ökologische Auswirkungen für uns alle haben – ob wir wollen oder nicht.
 
Der berühmte Geist ist aus der Flasche. Aber es ist kein Märchen mehrUnd ein Zurück gibts nicht, meint der Kölner Karl-Heinz Land, Buchautor und Digitalexperte. Über Chancen und Herausforderungen der KI sprach ich mit ihm im Video-Call. „Wir haben es mit dem Dampfmaschinen-Moment der Digitalisierung zu tun“, sagt er. „Die Technologie hat das Potenzial, die Welt erneut radikal zu verändernDie KI ist die neue Antriebsfeder der Wirtschaft. Die Produktivität wird erheblich steigen und das BIP um 7–10 % nach oben gehen.“
 
Ökonomisch und ökologisch bietet Künstliche Intelligenz durch die Automatisierung eine ganze Reihe von Vorteilen. Monotone und zeitraubende Routinearbeiten beispielsweise werden von KI-Programmen übernommen „Unser Problem wird aber kein Technisches sein, wir werden ein Zeitproblem bekommen. Die Veränderung mit KI wird so schnell passieren, dass Gesellschaft und Wirtschaft sich kaum anpassen können“, prophezeit Land.

Millionen von Arbeitsplätzen stehen auf der Kippe

Nach seinen Schätzungen stehen weltweit 200 bis 300 Millionen Arbeitsplätze auf der Kippe. „Jobs wie Buchhalter, Journalisten, Juristen, Dolmetscher, Steuerberater, Wirtschaftsprüfer, Versicherer – 30 bis 40 % der heutigen Büroarbeiten werden ersetzbar, und zwar in naher Zukunft.“ Eine Herausforderung nicht nur für den Betroffenen, sondern auch für die Gesellschaft. Was passiert, wenn so viel Arbeitsplätze wegfallen? Wer zahlt dann noch in unsere Sozialsysteme ein, wenn alles automatisiert wird? Und wer partizipiert an dieser neuen Wertschöpfung? „Darauf sind wir in Deutschland nicht vorbereitet“, sagt Land und ergänzt: „Ich fürchte, unsere Politik hat die komplette Tragweite der neuen Technik überhaupt noch nicht verstanden.“

Und nicht nur diese Entwicklung bereitet Kopfschmerzen. Auch der sinnvolle Umgang mit KI und Chat-Programmen macht vielen Sorgen.  Was ist wahr und welcher Information kann ich noch vertrauen? Eigentlich ein Job von uns Journalisten. Ach ja, das soll der ChatGPT-Kollege übernehmen. Der „Geister, die ich rief“- Moment ist da.  Selbst der Erfinder von ChatGPT, Sam Altman, warnen davor, dass die Sache mit KI und ChatGPT völlig schiefgehen kann. Altman schlägt in den USA die Gründung einer Regierungsbehörde vor, die alle KI-Modelle auf den Prüfstand stellen soll. Denn tatsächlich gibt es bislang keinen transparenten Einblick in den Aufbau und in die Datengrundlage von ChatGPT. Das Programm lernt von Daten, mit denen es gefüttert wird. Und kommen aus dem World Wide Web.

„Bei dem Datenmüll, der im Netz ist, habe ich mehr Sorgen vor der menschlichen Dummheit als vor künstlicher Intelligenz.“ konstatiert Land und fordert, wie viele, eine Kennzeichnungspflicht für KI-generierte Erzeugnisse. Ob ein Text, Bild, Musik oder ein Video durch KI erstellt – und damit aus dem Werk eines anderen Menschen im Netz -, muss auf den ersten Blick erkennbar sein. Diese Transparenz dient auch dem Urheberrecht. „Künstliche Intelligenz sollten wir immer nur unterstützend verwenden“, meint Land, „sie sollte uns nicht komplett ersetzen.“ Bei einer Steuererklärung mit ChatGPT wäre er noch sehr vorsichtig und schlägt eine kollaborative Methode vor: „Die KI bereitet vor, der Steuerberater prüft. Nur das Vieraugenprinzip zwischen Mensch und Maschine wird uns weiterbringen.“

Auf die Frage, wie digital die Stadt Köln aufgestellt ist, lacht er: „Wir sind hochgradig ineffizient. Köln ist zu bürokratisiert. Es gibt so viele nicht digitalisierte Prozesse. Eine echte digitale Vision für die Kölner Verwaltung würde den Bürger in den Mittelpunkt stellen und den Service um ihn herum. Erst dann hätten wir in Köln einen Bürgerservice, der 24/7 erreichbar ist.“ Für die Stadt Köln plant er zurzeit einen KI-Kongress. Damit auch Köln vorbereitet ist auf das, was kommt und uns hoffentlich nicht überrollt. Die schöne neue Welt darf nicht zum Alptraum werden. 

Fest steht, der Flaschengeist ist längst entwichen. Jetzt gilt es, ihn rasch zu kontrollieren. Und wenn‘s tröstet: ChatGPT kann vieles, aber wirklich „intelligent“ ist das Programm und seine KI dahinter nicht. Es fällt ihm offenbar schwer, Sinnzusammenhänge  zu entdecken. Das ist und bleibt wahrscheinlich noch lange Zeit eine menschliche Domäne. Hoffentlich.