Köln | Für die meisten Fans des 1. FC Köln ist das Rhein-Energie-Stadion ein absoluter Kulttempel. Nach Müngersdorf pilgern regelmäßig 50.000 Zuschauer, um sich die Spiele des FC anzuschauen. Doch das Schmuckkästchen ist mehr als nur der Rasen und die Tribünen. Zusammen mit Ex-Profi Matthias Scherz und FC-Anhängern besuchte report-K das Innere des Stadions.
„Herzlich willkommen, hier habe ich so einige Tage in meiner Karriere verbracht“, begrüßt der ehemalige Kölner Offensivspieler die Besucher und lässt sie an seinem früheren Fußball-Leben teilhaben. „Ich habe viele Geschichten erlebt und werde euch einige Anekdoten erzählen.“
Erste Station des Rundgangs ist der Presseraum, in dem nach den Spielen die Trainer den Medienkollegen Rede und Antwort stehen. Das tut auch Scherz und beantwortet Fragen der Fans.

Er spricht über seine besten Mitspieler und Gegenspieler in seiner FC-Zeit. „Rigobert Song war ein richtiger Brecher, Thomas Broich war ein unfassbarer Techniker und Lukas Podolski hat mich mit seiner Schnelligkeit fasziniert“, erzählt Scherz. „Unangenehme Gegenspieler waren Franck Ribery oder Arjen Robben. Aber auch Bernd Hollerbach. Der wurde für seine fiese Art auf dem Platz von den Schiedsrichtern viel zu selten bestraft.“
Matthias Scherz erzählt Geschichten über Milivoje Novakovic
Wenige Bestrafungen von Seiten des Vereins erhielt auch Milivoje Novakovic. Der Stürmer, der zwischen den Jahren 2006 und 2014 74 Tore in 166 Spielen erzielte, hatte aufgrund seiner Treffsicherheit bei den Trainern eine gewisse Narrenfreiheit. Scherz erinnert sich: „Nova hat seine Tore gemacht, aber es war schon grenzwertig mit ihm. Ich erinnere mich daran, dass wir an einem Freitag ein Spiel hatten und dann zehn Tage Pause. In der Zeit kam er Samstag, Dienstag und Freitag betrunken zum Training. Ich bin an seiner Alkoholfahne vorbeigelaufen und fühlte mich ekelhaft“, sagt Scherz mit einem Schaudern.
Aber er sagt auch: „Milivoje hatte keine leichte Zeit in Köln. Jeder hat auf ihn geschaut, der Druck war immens. Dazu kamen seine Verletzungen. Er hat sich dreimal am Tag massieren lassen, er war Dauerpatient auf der Liege. man musste ihm auch häufiger ein paar Blut-Infusionen geben.“
Kein gutes Verhältnis pflegte Scherz auch zu seinem Kontrahenten Andrej Voronin. „Wir wussten vor der Saison immer, dass wir nur als Einheit unsere Ziele erreichen konnten. Aber wir waren auf dem Rasen fast immer nur mit zehn Spielern, da Voronin nie mit nach hinten gearbeitet hat. Dafür war er arrogant und hat seinen Luxus auch genüsslich ausgelebt.“
Scherz plaudert weiter: „Nachdem er seinen dritten Gehaltsscheck bekommen hatte, hat er sich Krokodillederschuhe gekauft und diese überall präsentiert. Ich bin komplett durchgestartet und habe ihm meine Meinung gesagt. Denn die Kohle hatte er nicht verdient, weil er auf dem Feld nicht alles gegeben hat. So kommt es nicht überraschend, dass ich die einzige Rote Karte meiner Karriere nach einem Foul an Voronin bekommen habe. Damals spielte er für Leverkusen.“

Aber auch mit seinen Trainern war der Ex-Bundesligaspieler nicht immer einer Meinung. „Ich bin ein Mann mit zwei Gesichtern. Auf dem Rasen bin ich manchmal wegen meines unbändigen Siegeswillen völlig ausgetillt im Kopf. Neben dem Platz bin ich ein umgänglicher Typ.“
Matthias Scherz spricht über seine Trainer beim 1. FC Köln
Zu seinen Übungsleitern verrät er: „Für mich persönlich war Marcel Koller eine Katastrophe. Wir haben nie miteinander harmoniert, er konnte mir selbst in einem Vier-Augen-Gespräch nicht sagen, was er von mir wollte. Uwe Rapolder und Huub Stevens waren auch nicht besser. Bei ihnen habe ich oft nicht gespielt.“
Deshalb legte er teilweise harte Bandagen an den Tag: „Ich habe intern Konkurrenzkämpfe oder sogar Psycho-Kriege angezettelt. Ich habe es Stevens auf den Kopf zugesagt. Warum soll ich einen Kampf eingehen, in dem ich gar keine Chance habe? Warum soll ich dafür Energie aufwenden? Dann habe ich ihn stehen lassen. Stevens ist daran beinahe zerbrochen.“
Und nennt ein Beispiel: „In den Trainingsspielen war das grenzenlose Arbeitsverweigerung von mir. Ich habe nichts gemacht, ich habe nur in den läuferischen Einheiten alles rausgehauen, damit ich fit bin. Und in den Testspielen habe ich geschaut, dass ich mehr Tore geschossen habe als die anderen Stürmer – damit die Journalisten nachher schreiben konnten, wer die meisten Tore in der Vorbereitung geschossen hat.“
Der schlimmste Trainer war allerdings Christoph Daum für Scherz. „Von ihm wurde ich nur negativ beachtet. Ich sei die graue Eminenz des 1. FC Köln“, sagte er zu mir. Und das Kölner Urgestein erzählt dazu eine Geschichte aus Hamburg am 33. Spieltag der Saison 2008/09. „Es war das letzte Auswärtsspiel von Scherz vor dem Ende seiner FC-Karriere. „Wir haben kurz vor dem Ende 1:0 geführt und die 7.000 mitgereisten Fans haben die ganze zweite Halbzeit meinen Namen gerufen und wollten mich spielen sehen. Aber Daum hat mich nicht eingewechselt. Ich war ziemlich enttäuscht und habe auf der Rückfahrt einige Bier getrunken. Auf einem Rastplatz kam Daum dann zu mir und sagte zu mir, dass er mich nicht einwechseln werde, solange die Fans meinen Namen schreien würden. Das war erniedrigend. Ich war kurz davor, ihm eine zu schallern. Aber Faustrecht ist nicht die beste Lösung.“

Es kam jedoch noch dicker. „Am nächsten Tag bin ich nicht zum Training gegangen, denn ich hatte einen richtigen Kater. Irgendwann am Mittag hatte ich gesehen, dass ich mehrere Anrufe in Abwesenheit vom Verein auf meinem Handy hatte. Ausgerechnet an diesem Sonntag wurde ich von dem Kontrolleur für die Dopingkontrolle gezogen. Ich habe mich dann hinbringen lassen, denn ich wollte nicht eine Woche vor dem Ende meiner sportlichen Karriere als Dopingsünder gelten. Der Kontrolleur musste aber erstmal eine lange Zeit warten, bis ich die Probe abgeben konnte.“
Zwei Trainer sind Scherz aber besonders positiv in Erinnerung geblieben. Zu Friedhelm Funkel und Ewald Lienen hatte er ein vertrauensvolles Verhältnis. „Beide waren echt cool und haben mich gefördert. Unter Lienen haben wir den perfekten Konterfußball für mich gespielt. Ewald war es auch, der mich nach Köln geholt hat.“
Matthias Scherz wollte eigentlich nicht zum 1. FC Köln
Dabei wollte der Offensivspieler eigentlich nicht ins Rheinland. „Ich hatte nach meiner Zeit beim FC St. Pauli 1999 schon einen Vertrag bei Werder Bremen. Als Felix Magath dann gehen musste und Thomas Schaaf sein Nachfolger wurde, war für mich kein Platz mehr“, so Scherz. Er erhielt danach Angebote von Arminia Bielefeld und Eintracht Frankfurt. Aber am Ende sagte Scherz dank Lienen beim 1. FC Köln zu.
Dort verbrachte Scherz zehn Jahre mit Höhen und Tiefen, vier Aufstiegen und drei Abstiegen. 147 Mal spielte er in der Bundesliga (19 Tore), 209 Partien im Unterhaus (56 Treffer).

Nach den vielen Anekdoten zeigte Scherz der Gruppe die Logen, die rund 500.000 Euro Miete pro Jahr kosten, und das Heiligste des Stadions – die FC-Kabine. Danach ging es unter dem Abspielen der FC-Hymne mit den Fans über den Treppenaufgang in Richtung Rasen. Nach zwei kurzweiligen Stunden und vielen Erinnerungsbildern gingen die Fans dann begeistert zum FC-Fanshop, indem sie sich mit Fanartikeln eindeckten.
Wer gerne einmal an einer Stadionführung teilnehmen möchte, kann dies unter www.koelnticket.de tun. Dabei gibt es nicht nur Führungen mit Matthias Scherz, sondern auch mit Stadionsprecher Michael Trippel, Meisterspieler Harald Konopka und Schiedsrichter-Legende Walter Eschweiler. Tickets sind ab 12,50 Euro erhältlich.