Köln | aktualisiert | In seinem Science-Fction-Klassiker „Schöne neue Welt“ von 1926 entwickelt Aldous Huxley eine bedrückende Zukunftsvision: Alle Menschen sind glücklich – doch das wird nur durch rigide Maßnahmen erreicht, die von Geburt an jeden freien Willen ausschalten. Regisseur Bassam Ghazi hat die Dystopie jetzt mit dem „Import Export Kollektiv“ des Schauspiels Köln auf die Bühne gebracht.

In Huxleys Zukunft sind alle Menschen glücklich. Jeder weiß wo er in der Gesellschaft steht – ein Entkommen aus einer der fünf Klassen gibt es nicht. Schon vor der Geburt wird den Menschen die entsprechende Zufriedenheit angezüchtet. Dauerhafte Beziehungen, Kinder werden durch künstliche Befruchtung in der Petrischale erzeugt – und aus jeder Eizelle werden bis zu 96 identische „Individuen“ produziert.

Dank Drogenkonsum immer im Meer der Glückseligkeit

Die Droge Soma sorgt – regelmäßig verteilt – für glückselige Gefühle. Der Tod wird aus der Öffentlichkeit ausgeblendet. Die Welt, in der Huxley und wir heute leben, gibt es in einem Reservat zu besichtigen. Eine Welt, die mit ihren Gefühlen, mit Geburt und Tod bei den Besuchern insbesondere am lebenden „Beispiel“ Linda (Schauspielensemble-Mitglied von Jansen) Faszination und Ekel weckt.

Es wäre banal, diese Dystopie 1:1 auf die Bühne zu bringen. Der Anspruch des Kollektivs – gut zwei Dutzend junge Schauspielerinnen und Schauspieler – ist ein anderer: Die Schülerinnen und Schüler der nahen Mülheimer Tages- Abendschule haben sich in der „Schule des Lebens“ zusammengefunden, um über das Theaterspielen die eigene Persönlichkeit zu entwickeln und ein Lebensziel zu finden. Eine Selbstreflexion, bei der die drei großen Spiegel helfen, die das Bühnenbild bestimmen und auch das Publikum einbeziehen.

Was ist an der Zukunftsvision wünschenwert?

So wird die Führung durch die schöne neue Welt immer wieder durch Szenen unterbrochen, in denen das Geschehen kritisch hinterfragt und den realen Wünschen und Vorstellungen des Ensembles gegenüber gestellt wird. Und nicht nur nebenbei erfährt das Publikum, dass die Besichtigung von Eingeborenen in Form sogenannter Völkerschauen in Europa noch bis zur Weltausstellung 1958 angeboten wurde.

Zentraler Diskussionspunkt ist das Zusammenleben zwischen Mann und Frau – dürfen Lenina und Bernard über die Klassenschranken hinweg ein Paar sein? Die Inszenierung endet mit einem Gerangel zwischen beiden Gesellschaftsvorstellungen – Ausgang offen.

Knapp 80 Minuten dauert der Theaterabend. In dieser Zeit überzeugen die 15 Kollektivisten – verstärkt durch das Schauspiel-Ensemble-Mitglied Yvon Jansen das Publikum durch ihr engagiertes und kraftvolles Spiel, durch perfekte Synchronität bei Tanz und Gestik. Dank ihrer Rollen herauszuheben sind Jasmin Mokhtari (Lenina), Sabri Spahija (Bernard) und Erenay Gül als „Führer“ durch die schöne neue Welt.

[infobox]„Schöne neue Welt“ – die nächste Vorstellungen: 12. und 25. Oktober, jeweils 20 Uhr. e im Trend. Schauspiel Köln, Außenspielstätte am Offenbachplatz

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Autor: ehu
Foto: „Schöne neue Welt“: Beim Blick in den Spiegel wird das junge „Import Export Kollektiv“ auf die eigene Sicht auf die Wlet zurückgeworfen.|  Foto: Ana Lukenda / Schauspiel