Berlin | Artikel ergänzt und aktualisiert | Das Ende der Ampel-Koalition ist besiegelt. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) entlässt Finanzminister Christian Lindner (FDP). Die Union will das die Vertrauensfrage so schnell wie möglich gestellt werde. Alle FDP Minister verlassen die Regierung.

Damit dürfte die FDP die Koalition verlassen. Wie es weitergeht, war zunächst vollkommen unklar. Scholz kündigte für 21:15 Uhr ein Statement im Bundeskanzleramt an. Dabei dürfte es auch darum gehen, ob bzw. wann es zu Neuwahlen kommt. Eine Minderheitsregierung wäre theoretisch möglich, da aber der Haushalt für 2025 noch nicht beschlossen ist, dürfte das keine langfristige Lösung sein.Das Ampel-Aus hatte sich in den vergangenen Tagen angedeutet. Eine Entscheidung über die Zukunft der Regierung war im Koalitionsausschuss am Mittwoch erwartet worden.


Scholz will am 15. Januar Vertrauensfrage stellen   

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat die Entlassung von Finanzminister Christian Lindner (FDP) bestätigt und für den 15. Januar die Stellung der Vertrauensfrage im Bundestag angekündigt. Die Abgeordneten könnten dann entscheiden, ob sie den Weg für vorgezogene neue Wahlen frei machen, sagte er am Mittwochabend nach dem Ampel-Koalitionsausschuss in Berlin.

„Diese Wahlen könnten dann unter Einhaltung der Fristen, die das Grundgesetz vorsieht, spätestens bis Ende März stattfinden.“ Er werde zuvor auch das Gespräch mit Oppositionsführer Friedrich Merz suchen. Dabei solle es unter anderem um die Stärkung der Wirtschaft gehen.

In den verbleibenden Sitzungswochen bis zum Jahresende will Scholz derweil offenbar nur mit den Grünen „alle Gesetzentwürfe zur Abstimmung stellen, die keinerlei Aufschub dulden“. Dazu zählten der Ausgleich der kalten Progression, die Stabilisierung der gesetzlichen Rente, die schnelle Umsetzung der Regeln des gemeinsamen europäischen Asylsystems sowie Sofortmaßnahmen für die Industrie. Wie er dafür Mehrheiten organisieren will, ließ Scholz aber offen.

In seinem Statement schob Scholz die volle Verantwortung für das Ampel-Aus auf Lindner. Dieser habe zu oft „Gesetze sachfremd blockiert“. Zu oft habe er „kleinkariert parteipolitisch taktiert“ und zu oft sein Vertrauen gebrochen, so Scholz. „Es gibt keine Vertrauensbasis für die weitere Zusammenarbeit.“ Eine „ernsthafte Regierungsarbeit“ sei nicht möglich. Lindner gehe es nur um die eigene Klientel. „Ihm geht es um das kurzfristige Überleben der eigenen Partei“, sagte er Kanzler, der dem FDP-Chef zudem Respektlosigkeit vorwarf. Zu den anderen FDP-Ministern äußerte er sich nicht.


Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck bei seinem Besuch in NRW am 22. Februar 2022

Habeck nennt Ampel-Aus „geradezu tragisch“ 

Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) hat die Entlassung von Finanzminister Christian Lindner (FDP) durch Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) als „folgerichtig“ verteidigt.

Das Ampel-Aus sei „geradezu tragisch, an einem Tag wie diesen, wo Deutschland in Europa Geschlossenheit und Handlungsfähigkeit zeigen muss“, sagte er am Mittwochabend vor dem Bundeskanzleramt. Es sei auch nicht nötig gewesen, aber man habe es nicht geschafft, die Haushaltslücke zu schließen. Die FDP sei nicht bereit gewesen, die nötigen Schritte zu gehen.

„Wir werden jetzt zügig den Weg zu geordneten Neuwahlen frei machen“, fügte Habeck hinzu. Im Frühjahr werde Deutschland eine neue Entscheidung zu treffen haben für die nächste Regierungskonstellation. „Bis dahin sind wir im Amt und wir sind fest entschlossen, die Pflichten des Amtes vollumfänglich zu erfüllen und aus dem Amt heraus die Stabilität zu geben, die Deutschland in Europa geben kann und geben muss.“


Das Archivfoto zeigt Bundeskanzler Olaf Scholz und Christian Lindner. | Foto: via dts Nachrichtenagentur

Lindner rechnet mit Scholz ab

Nach seiner angekündigten Entlassung durch Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat der scheidende Bundesfinanzminister Christian Lindner (SPD) die Verantwortung für das Ampel-Aus von sich gewiesen.

Der Bundeskanzler habe in der Sitzung des Koalitionsausschusses am Abend die Zusammenarbeit mit ihm und der FDP „aufgekündigt“, sagte Lindner am Mittwoch auf der Fraktionsebene des Bundestages. „Sein genau vorbereitetes Statement vom heutigen Abend belegt, dass es Olaf Scholz längst nicht mehr um eine für alle tragfähige Einigung ging, sondern um einen kalkulierten Bruch dieser Koalition.“

Damit führe er Deutschland in eine Phase der Unsicherheit. Er habe Scholz stattdessen einen gemeinsamen Weg zu Neuwahlen vorgeschlagen, „um geordnet und in Würde eine neue Bundesregierung zu ermöglichen“. Dieses Angebot habe der Bundeskanzler „brüsk“ in der Sitzung des Koalitionsausschusses zurückgewiesen.

Als Grund für das Scheitern der Koalition nannte Lindner, dass Scholz von der FDP verlangt habe, die Schuldenbremse des Grundgesetzes auszusetzen. „Dem konnte ich nicht zustimmen, weil ich damit meinen Amtseid verletzt hätte.“ Zur Zukunft der weiteren FDP-Minister im Kabinett machte Lindner zunächst keine Angaben.

Das Archivbild zeigt Bettina Stark-Watzinger und Volker Wissing. | Foto: via dts Nachrichtenagentur

Alle FDP-Minister erklären Rücktritt 

Neben dem von Bundeskanzler gefeuerten Finanzminister und FDP-Chef Christian Lindner wollen nun auch die anderen FDP-Minister Marco Buschmann (Justiz), Volker Wissing (Verkehr) und Bettina Stark-Watzinger (Bildung) die Bundesregierung verlassen.

Die Minister würden ihren „Rücktritt einreichen“, sagte FDP-Fraktionschef Christian Dürr am Mittwochabend nach einer Fraktionssitzung im Bundestag. Dies sei auch schon im Zuge des Koalitionsausschusses klar gemacht worden.

Dürr beschrieb die Situation in der gemeinsamen Sitzung mit SPD und Grünen am früheren Abend im Bundeskanzleramt so, dass Scholz erklärt habe, er sei zu Wirtschaftsreformen nur bereit, wenn Lindner erkläre, die Schuldenbremse auszusetzen. „Es war offensichtlich, dass das kein Angebot sein konnte“, sagte Dürr.

Lindner habe für seine Haltung zur Schuldenbremse in der Fraktion „stehenden Applaus“ bekommen. Er gehe davon aus, dass Lindner als Parteichef in der offenbar nun anstehenden vorgezogenen Bundestagswahl auch Spitzenkandidat der FDP sein werde, so der Fraktionschef.

Auf der Fraktionsebene war zu hören, dass auch der Bundeskanzler Applaus bekam, als er die ebenfalls tagende SPD-Fraktionssitzung betrat. Der Kanzler hatte zuvor erklärt, dass er den Finanzminister entlassen und im Januar im Bundestag die Vertrauensfrage stellen wolle. Neuwahlen wären dann im März 2025 möglich, so der Kanzler.


Das Archivbild zeigt Bundeskanzler Olaf Scholz im Deutschen Bundestag. | Foto: via dts nachrichtenagentur

Union will Vertrauensfrage „so schnell wie möglich“ 

Nach dem Bruch der Ampel-Koalition dringt CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt auf schnellstmögliche Neuwahlen. „Es braucht die Vertrauensfrage so schnell wie möglich“, sagte Dobrindt der „Rheinischen Post“ (Donnerstagsausgabe). „Regierungsvakuum ist keine Option für Deutschland. Wir sind bereit für schnelle Neuwahlen“, so der CSU-Politiker.

Die Vorsitzende der Mittelstandsunion und Bundestagsabgeordnete, Gitta Connemann, forderte Scholz unterdessen auf, die Vertrauensfrage noch in dieser Woche zu stellen. „Die Ampel ist gescheitert“, sagte die CDU-Politikerin dem „Handelsblatt“. Rot-Grün vertrete nur noch einen Bruchteil der Wähler. „Eine Minderheitsregierung wäre eine Missachtung des Wählerwillens“, sagte Connemann. Deutschland benötige eine handlungsfähige Regierung.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hatte die Vertrauensfrage zuvor für den 15. Januar angekündigt. Ob sich dieser Zeitplan halten lassen wird, ist noch unklar.

Der konservative Seeheimer Kreis in der SPD-Fraktion rief die Union derweil indirekt zur Zusammenarbeit auf. „Jetzt müssen die Fraktionen der Mitte der Verantwortung für Deutschland gerecht werden und das Land vor Parteitaktik stellen“, sagte Seeheimer-Sprecher Dirk Wiese dem „Handelsblatt“. „Wir haben eine große Verantwortung für unsere Land, unsere Sicherheit, Industrie und Arbeitsplätze“, so der SPD-Fraktionsvize. Der Bundeskanzler sei sich dessen sehr bewusst. Deswegen habe er das auch zur Chefsache gemacht.

Scharfe Kritik übte Wiese an Bundesfinanzminister Christian Lindner. Mit dem FDP-Chef gebe es „keine Basis mehr für eine vertrauensvolle Zusammenarbeit“. „Er hat wiederholt den Koalitionsvertrag ignoriert, Einigungen, um die wir gerungen haben, aufgeschnürt. Und immer wieder diese Indiskretionen.“

Der SPD-Wirtschaftspolitiker Sebastian Roloff sprach derweil von einer bedauerlichen Entwicklung. „Aus meiner Perspektive wäre es insbesondere in der Wirtschaftspolitik noch gut möglich gewesen, einen Konsens zu erreichen, wenn die FDP nicht auf stur geschaltet hätte“, sagte das Parteivorstandsmitglied dem „Handelsblatt“.


Lindner schlägt bei Koalitionsausschuss Neuwahlen vor

Der Koalitionsausschuss im Bundeskanzleramt steht einem Medienbericht zufolge offenbar kurz vor dem Abbruch. Der FDP-Vorsitzende Christian Lindner habe bei dem Treffen Neuwahlen vorgeschlagen, schreibt die „Bild“ am Mittwochabend unter Berufung auf Teilnehmerkreise.

Die Gespräche der vergangenen Tage hätten gezeigt, dass keine ausreichende Gemeinsamkeit für einen Agenda-Moment in der Wirtschafts- und Finanzpolitik herzustellen sei, wird Lindner zitiert. Nach dem Wahlsieg Donald Trumps in den USA sei eine Wirtschaftswende noch dringlicher geworden.

Lindner soll demnach vorgeschlagen haben, dass die Ampel-Parteien gemeinschaftlich schnellstmöglich Neuwahlen für Anfang 2025 anstreben sollten. Ziel müsse sein, „geordnet und in Würde“ eine neue Regierung für Deutschland zu ermöglichen. Wie die „Bild“ weiter schreibt, soll Lindner in diesem Fall bereit sein, den Nachtragshaushalt 2024 zu beschließen und eine geschäftsführende Bundesregierung zu tragen, bis eine neue Bundesregierung im Amt ist.