Bundeskanzler Olaf Scholz bei der Pressekonferenz am 21. Dezember 2021. Foto: Screenshot

Berlin | dts | Im Koalitionsstreit zwischen FDP und Grünen hat Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) von seiner sogenannten „Richtlinienkompetenz“ Gebrauch gemacht. Er habe die Entscheidung getroffen, dass die gesetzliche Grundlage geschaffen werden soll, „um den Leistungsbetrieb der Kernkraftwerke Isar 2, Neckarwestheim 2 sowie Emsland über den 31.12.2022 hinaus bis längstens zu 15.4.2023 zu ermöglichen“, schrieb Scholz am Montag in einem Brief an Umweltministerin Steffi Lemke (Grüne), Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und Finanzminister Christian Lindner (FDP).

Bislang hatte Habeck geplant, nur Isar 2 und Neckarwestheim 2 in einem Reservebetrieb zu halten, das AKW Emsland sollte am 31. Dezember, wie ursprünglich für alle Atomkraftwerke geplant, komplett heruntergefahren werden.

Die FDP forderte dagegen einen längeren Betrieb aller drei AKW.

Scholz nutzt „Richtlinienkompetenz“ im AKW-Streit – Kritik von Merz

Im Koalitionsstreit zwischen FDP und Grünen um einen möglichen Weiterbetrieb der noch verbliebenen drei Atomkraftwerke hat Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) von seiner sogenannten „Richtlinienkompetenz“ Gebrauch gemacht. Er habe die Entscheidung getroffen, dass die gesetzliche Grundlage geschaffen werden soll, „um den Leistungsbetrieb der Kernkraftwerke Isar 2, Neckarwestheim 2 sowie Emsland über den 31.12.2022 hinaus bis längstens zu 15.4.2023 zu ermöglichen“, schrieb Scholz am Montag in einem Brief an Umweltministerin Steffi Lemke (Grüne), Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und Finanzminister Christian Lindner (FDP). Bislang hatte Habeck geplant, nur Isar 2 und Neckarwestheim 2 in einem Reservebetrieb zu halten, das AKW Emsland sollte am 31. Dezember, wie ursprünglich für alle Atomkraftwerke geplant, komplett heruntergefahren werden.

Die FDP forderte dagegen einen längeren Betrieb aller drei AKW. Von einer „Einsatzreserve“ ist in dem Schreiben von Scholz keine Rede. Gleichzeitig kündigte der Kanzler aber auch an, dass „ein ambitioniertes Gesetz zur Steigerung der Energieeffizienz vorgelegt werden solle“. Außerdem solle der bereits zwischen Bund, Land NRW und dem Energiekonzern RWE ausgehandelte Kohle-Deal „gesetzgeberisch umgesetzt“ werden, so Scholz in seinem Brief weiter.

Dieser Deal sieht vor, dass der Betrieb von bestimmten Kohlekraftwerken bis 2024 fortgesetzt wird, dafür aber der Kohleausstieg im Rheinischen Revier auf das Jahr 2030 vorgezogen werden soll. Die „entsprechenden Regelungsvorschläge“ für alle Maßnahmen sollten „dem Kabinett nun zeitnah“ vorgelegt werden. Explizit berief sich Scholz auf Paragraph 1 der Geschäftsordnung der Bundesregierung; darin heißt es: „Der Bundeskanzler bestimmt die Richtlinien der inneren und äußeren Politik. Diese sind für die Bundesminister verbindlich und von ihnen in ihrem Geschäftsbereich selbständig und unter eigener Verantwortung zu verwirklichen. In Zweifelsfällen ist die Entscheidung des Bundeskanzlers einzuholen.“ Mit dem Kompromiss dürften vorerst alle Ampel-Partner zufrieden sein: Die Grünen, weil sie ihren Parteitagsbeschluss vom Wochenende fast vollständig umsetzen können – lediglich der befristete Weiterbetrieb des AKW Emsland über den 31. Dezember hinaus war darin nicht vorgesehen; und die FDP dürfte wohl darauf hoffen, im Frühjahr den Weiterbetrieb der drei dann noch am Netz befindlichen Meiler erneut diskutieren zu können.

Kritik kam umgehend von Friedrich Merz, Fraktionsvorsitzender der Union im Bundestag und CDU-Bundesvorsitzender. „Dieses Machtwort des Bundeskanzlers war wohl notwendig, um die Ampel auf Kurs zu bringen. Trotzdem greift diese Entscheidung zu kurz“, sagte Merz der „Welt“ (Dienstagausgabe).

„Die deutschen Atomkraftwerke müssen – wie es die FDP gefordert hat – bis 2024 mit neuen Brennstäben weiterlaufen“, sagte er. CSU-Chef Markus Söder schrieb auf Twitter: „Ist das alles? Was für eine Enttäuschung“. Das Problem sei nur vertagt.

„Das ist zwar eine Lösung im Ampelstreit, aber nicht für das Stromproblem in Deutschland“, so der bayerische Ministerpräsident. Die Gefahr eines Blackouts im kommenden Jahr bleibe bestehen.

Grünen-Fraktionsspitze gibt sich nach Scholz-Machtwort reserviert   

Die Grünen haben betont reserviert auf die Entscheidung von Bundeskanzler Olaf Schloz (SPD) reagiert, die Laufzeit aller drei noch laufenden Atomkraftwerke bis 15. April 2023 verlängern zu wollen. „Wir nehmen zur Kenntnis, dass Bundeskanzler Olaf Scholz seine Richtlinienkompetenz ausübt“, hieß es in einer Erklärung der Grünen-Fraktionsvorsitzenden Katharina Dröge und Britta Haßelmann. „Wir werden nun mit unserer Fraktion beraten, wie wir mit der Entscheidung des Kanzlers umgehen.“

Es sei „bedauerlich“, dass Olaf Scholz und die SPD offenbar bereit seien, das AKW Emsland in den Reservebetrieb zu nehmen, „obwohl es sachlich und fachlich dafür keinen Grund gibt“. Tatsächlich hatte der Kanzler in seinem Brief an die Umweltministerin, den Wirtschaftsminister und den Finanzminister aber noch nicht einmmal von einem „Reservebetrieb“ gesprochen, sondern wörtlich von „Leistungsbetrieb“ bis längstens 15. April 2023. „Klar ist jetzt, dass keine neuen Brennstäbe beschafft werden und alle deutschen AKWs bis spätestens zum 15.04.2023 endgültig vom Netz gehen“, heißt es in der Stellungnahme der Grünen-Fraktionsspitze weiter. Noch kritischer äußerte sich der frühere Bundesumweltminister Jürgen Trittin (Grüne), der persönlich auf dem Bonner Parteitag am Wochenende dafür gesorgt hatte, dass der 15. April als finales Datum im Grünen-Beschluss festgeschrieben wird.

Er sagte in einem Interview den Zeitungen des „Redaktionsnetzwerks Deutschland“: „Mag sein, dass der Brief von der Geschäftsordnung der Bundesregierung gedeckt ist, vom Grundgesetz ist er es nicht“. Und weiter: „Danach führen die Minister ihre Ressorts in eigener Verantwortung. Die Geschäftsordnung der Bundesregierung bindet auch nicht die Fraktionen bei der Umsetzung einer Formulierungshilfe für ein Gesetz.“

Bartsch nennt Atom-Entscheidung „absurdes Schmierentheater“

Linken-Fraktionschef Dietmar Bartsch hat die Entscheidung von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) zu den Atomlaufzeiten scharf verurteilt. „Was für ein absurdes Schmierentheater“, sagte er den Zeitungen der Funke-Mediengruppe (Dienstagausgaben). Bartsch verwies drauf, dass die Entscheidung erst nach der Niedersachsen-Wahl und nach dem Grünen-Parteitag gefallen sei.

Dabei sei es nicht um die Versorgungssicherheit, sondern ausschließlich um die Egos von Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und Finanzminister Christian Lindner (FDP) gegangen. „Dass der Bundeskanzler dieses Trauerspiel in die Nachspielzeit geschleppt und lange nicht entschieden hat, setzt dem ganzen Vorgang die Krone auf.“

RWE will unverzüglich Weiterbetrieb von AKW Emsland ermöglichen  

Der RWE-Konzern akzeptiert die Entscheidung der Ampel-Koalition zur Atomkraft. „Der Bundeskanzler hat entschieden, die Laufzeit aller drei noch in Betrieb befindlichen Kernkraftwerke bis zum 15. April 2023 zu verlängern, darunter das Kernkraftwerk Emsland. Dies ist eine politische Entscheidung, die wir in der aktuellen Energiekrise nachvollziehen können“, sagte eine RWE-Sprecherin der „Rheinischen Post“ (Mittwochausgabe).

„Wir werden jetzt unverzüglich alle notwendigen Vorbereitungen treffen, um den Leistungsbetrieb des Kraftwerks Emsland bis zum 15.4. zu ermöglichen.“ Dazu bedürfe es auch der Anpassung der gesetzlichen Rahmenbedingungen und Vorschriften. RWE begrüßt der Sprecherin zufolge ausdrücklich auch die Entscheidung zum Kohleausstieg: „Wir begrüßen zudem, dass die politische Verständigung zum Kohleausstieg im Rheinischen Revier gesetzgeberisch umgesetzt werden soll und dass die Voraussetzungen für den Zubau neuer wasserstofffähiger Gaskraftwerke geschaffen werden soll. Die heutige Entscheidung schafft Klarheit und Planungssicherheit“, so die Sprecherin. Der Kohle-Deal sieht vor, dass bestimmte Kraftwerke, die eigentlich demnächst abgeschaltet werden sollen, weiterlaufen dürfen, dafür soll der Kohle-Ausstieg insgesamt auf das Jahr 2030 vorgezogen werden.

red01