Berlin | Ungeachtet wachsender parteiinterner Kritik hält Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) an seiner Kanzlerkandidatur bei der nächsten Bundestagswahl 2025 fest. Er rechne „fest damit, dass die SPD und ich 2025 ein so starkes Mandat bekommen, dass wir auch die nächste Regierung anführen werden“, sagte Scholz dem „Tagesspiegel“ (Samstagausgabe).
„Ich bin Läufer und habe eine gute Kondition. Die braucht man auch.“ Sein Ziel für die nächste Bundestagswahl sei „eine SPD-geführte Bundesregierung“, sagte Scholz: „Regieren wird nicht einfacher, also sollten wir es machen.“ Vor der nächsten Wahl werde es „viele unplausible Vorschläge geben, was alles einfach ginge, wenn man nur wollte“.
Eine ehrliche und wahrhaftige Betrachtung der Wirklichkeit könne da schnell unter die Räder geraten, sagte Scholz: „Es wird also um Charakter und Ehrlichkeit gehen. Der SPD und mir ist wichtig, pragmatische und realistische Vorstellungen zu formulieren, wie Deutschland wirklich vorankommt.“
Politik nicht an Umfragen orientieren
Er habe sich schon vor langer Zeit „vorgenommen, Umfragen nie zu kommentieren“, sagte Scholz mit Blick auf eine Studie, wonach sich nur jedes dritte SPD-Mitglied für seine Kanzlerkandidatur ausspricht. Er nehme Umfragen „natürlich zur Kenntnis“, sagte der Kanzler. Politik an Umfragen zu orientieren, sei aber nie ein guter Einfall. „Ich habe in meinem politischen Leben schon einige Wahlen gewonnen, obwohl Umfragen das nicht nahelegten. Daraus schöpfe ich Zuversicht“, sagte Scholz.
Auf die Frage, ob er die Kanzlerkandidatur Verteidigungsminister Boris Pistorius überlasse, wenn er zum Schluss käme, die SPD hätte mit ihm bei der Bundestagswahl bessere Chancen, sagte Scholz: „Auch Boris Pistorius will, wie viele andere, dass ich wieder als Kanzler antrete. Ich sehe das genauso.“
Kommentar zu Landtagswahlen
Scholz nannte die Ergebnisse der Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen am vorigen Sonntag mit Blick auf das Abschneiden der AfD „sehr bedrückend und alarmierend für unser ganzes Land“. Er habe der SPD in Sachsen und Thüringen „wegen ihrer guten Arbeit bessere Ergebnisse gewünscht“, sagte Scholz. „Nicht wenige so genannte Experten“ seien überzeugt gewesen, dass die SPD aus beiden Landtagen fliegen würde, das sei jedoch nicht eingetreten. „In Sachsen hat die SPD die Zahl ihrer Sitze im Landtag gehalten. In Thüringen hat die SPD dem Sturm getrotzt.“
Scholz rechnet mit einer weiteren Amtsperiode von Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) nach der Landtagswahl in Brandenburg am 22. September. „Dietmar Woidke ist ein erstklassiger Ministerpräsident und wird das auch nach der Wahl bleiben“, sagte Scholz. Das Wirtschaftswachstum in Brandenburg sei „enorm“ und habe viel mit Woidke und seiner Politik für Brandenburg zu tun.
Juso-Chef: SPD muss nach Ostwahlen Schlüsse für 2025 ziehen
Der Juso-Vorsitzende Philipp Türmer fordert von der SPD nach den Ostwahlen eine Analyse möglicher Konsequenzen für das Bundestagswahljahr. „Ich erwarte, dass die SPD-Spitze sich im Anschluss die Ergebnisse der drei Ost-Landtagswahlen anschaut und wir gemeinsam unsere Schlüsse für 2025 ziehen“, sagte Türmer den Zeitungen der Funke-Mediengruppe (Samstagausgaben).
Zwei Wochen vor der Landtagswahl in Brandenburg gelte es zu verhindern, die Genossen vor Ort „in Mithaftung genommen werden für die hohe Unzufriedenheit mit der SPD in der Bundesregierung“. In Sachsen und Thüringen hatte die SPD jeweils historisch schlecht abgeschnitten. In Brandenburg liegt die SPD in Umfragen hinter der AfD.
„Die Bedeutung der Wahlen in Brandenburg ist extrem hoch“, sagte Türmer. Die SPD regiere dort seit der Wiedervereinigung und habe etwa in der Wirtschaftspolitik große Erfolge vorzuweisen. „Stabile Verhältnisse und Regierungsoptionen in Brandenburg gibt es nur mit einer starken SPD und Dietmar Woidke“, fügte der Vorsitzende des SPD-Nachwuchses hinzu. Er erwarte ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen SPD und AfD. Deswegen brauche es jetzt „jede demokratische Stimme“, damit die AfD nicht auf dem ersten Platz lande.