Eine Stunde Verspätung
„Ja wann kommt denn der Zug?, ist etwas passiert“ fragten sich viele Jecken in der Kölner Altstadt, als selbst 45 Minuten über der Zeit die Zugspitze sich noch nicht einmal erahnen ließ. Umso größer war die Freude dann als die Reiter und das Blaulicht der Polizei zu sehen war. Dann sahen die Jecken am Alter Markt allerdings einen Zug, wie es es bisher nicht gegeben hatte, der im Sauseschritt an ihnen vorbeilief. Anscheinend wollte die Zugleitung die am Anfang verplemperte Zeit einholen. Die Verspätung entstand schon in der Severinstraße, wo die Gruppen teilweise über eine halbe Stunde still standen. Der Grund die ausufernde Berichterstattung des WDR, die den Zug immer wieder stoppte. Ob das sein muss? Schließlich hat der WDR schon das Heimrecht zur exklusiven Übertragung seit Jahren und sollte sich damit zufrieden geben.

„Mer jonn heim“
Auffällig war, dass sich die Politik und auch das Lokale eher selten fand. Bei den meisten Schulen wird anscheinend umgebaut, denn viele hatten dieses Thema gewählt. Das Friedrich-Wilhelm Gymnasium trug Turnschuhe auf dem Kopf als Symbol, dass man in diesem Jahr, drei Jahre nach dem Einsturz des Stadtarchivs, vom Neumarkt wieder in die eigenen Räume umzieht. Das Irmgardis Gymnasium überzeugte mit seiner Darstellung der Energiewende und der Erzeugung von Solarstrom „Uns jeiht et Lämpche niemals us – mer mache unsre Strom zuhuus“. Eine Schule griff die neue Städtepartnerschaft mit Rio auf und die GGS Irisweg aus Porz-Zündorf thematisierte Facebook, eingekölscht als Fazzeboch. Denn, so die Aussage gemeinsames Spielen in der Schule ist doch hundertmal schöner, als es nur virtuell zu tun. Die musische Schule Pipa Pohl verabschiedete sich aus dem Zug und protestierte echt karnevalistisch gegen die überbordende Ordnungswut der Zugleitung und Bürokratie. So hatte man die gesamte Kapelle, die aus eigenen Reihen und nicht von weit her angemietet aus Kindern, Lehrern und ehemaligen besteht aus Protest als Zugordner verkleidet und damit zumindest zu Beginn für eine kleine Verwirrung gesorgt. Durch die Ordnungswut nehme man den Kindern und Jugendlichen den Spaß an der Teilnahme, so die Kritik. Dann was die Regulierer nicht wissen ist, wieviel Freizeit die Kinder- und Jugendlichen für die Zugteilnahme hergeben und sich damit ehrenamtlich engagieren. Wochenlang wird gemeinsam gebastelt, hergerichtet, die Bollerwagen beladen bis es endlich losgeht. Schade wenn Gruppen dann aus dem Zug hinausschikaniert werden.

Und die Gewinner sind…
Bissige Zungen bei den Veedelsvereinen sagen schon mal am Schönsten ist es Zweiter zu werden. Dann hast du Ruhm und Ehre, kannst aber den Zoch ansehen und genießen. Denn für die Sieger der Veedelszög heißt es am nächsten Tag gleich wieder die Schuhe schnüren und den gleichen Weg noch einmal gehen. Gewonnen haben, ermittelt von einer 45 köpfigen Jury, auch in diesem Jahr wieder die, die eigentlich immer gewinnen: Schönste Fußgruppe: Stammdesch Ratteköpp, bester Wagen: Veedelsverein Kölsche Adel. Den Originalitätspreis erhielt der Stammtisch Raderthaler Pänz. Positiv ist allerdings, dass die Gruppen dank des Karnevalsvereins Unger Uns in diesem Jahr wenigstens Wurfmaterial für den Rosenmontagszug haben. Denn Unger Uns hatte über eine Connection 22 Paletten Wurfmaterial geschenkt bekommen und hatte das Meiste davon schon dem Sonntagszug geschenkt, aber eben auch in weiser Voraussicht einige Paletten für die Gewinner des Veedelszugs zurückgestellt.

Einige der Veedelsgruppen beschäftigten sich mit dem Dicken Pitter und seinem Klöppel, besonders schön in Szene gesetzt von der Kölner Klutengarde, der Stammdesch „Kölsche Sonnenkinder“ beschäftigte sich mit Solarstrom vom Aldermaat, wieder andere eindrucksvoll mit der Verlängerung des Rentenalters. Da pflegten selbst die Toten noch ihr Grab auf Melaten selbst. Der Stammdesch Ratteköpp zeigte Kölsche Highlights die wenn sie geöffnet wurden zu Spiegeln mutierten, in dem sich der Betrachter selbst sah. Das ist nun nicht ganz neu, schließlich hatte OB Schramma ähnliches schon beim Leitbildprozess aufgesetzt und auch mancher Orden dieser Session war so gestaltet, aber die Ratteköpp verstehen es besonders gut sich in Szene zu setzen. Die Raderthaler Pänz haben sich ein politisches Thema gesucht und die Verschmutzung der Meere thematisiert. Der Kölsche Adel ging als Kölscher Zierbrunnen, von denen es 72 in der Stadt gibt, deren Wasserversorgung allerdings immer wieder das Geld ausgeht. In den letzten Jahren sprudelte bei rund 80 Prozent der Brunnen wieder das Wasser, der Kölsche Adel würde sich allerdings über 100 Prozent freuen. Tolle Kostüme hatte auch die Wassersportvereinigung Köln, die die Hände zum Himmel reckte und so die Schwimmbewegung symbolisierte. Zum letzten Mal im Veedelszug dabei, die traditionelle Abschlussgruppe der Schlenderhaner Lumpe, die sich in diesem Jahr dem Festkomitee Kölner Karneval angeschlossen haben und damit nicht mehr bei den Veedelszög mitgehen werden.

Nach der Sonne ereilte die Jecken dann am Alter Markt auch noch Regen und Hagel, der auch die Reihen der Besucher lichtete. Die Verspätung holte der Zug, auch durch den Sauseschritt nicht wieder auf und so blieb den Jecken in der Kölner Altstadt nur wenig Zeit sich an den bunten Kostümen zu erfreuen. Hier muss die neue Zugleitung noch gewaltig an Professionalität zulegen.

[ag]