Berlin | Eric Schweitzer, Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK), misst dem heutigen Besuch von EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker bei Donald Trump „herausragende Bedeutung“ zu. „Er unternimmt zu Recht den Versuch, den US-Präsidenten von Strafzöllen auf Autos abzubringen“, sagte Schweitzer der „Passauer Neuen Presse“ (Mittwochsausgabe). Für die von Trump angekündigten Zölle gebe es aus Schweitzers Sicht keinerlei Grundlage.

„Befreundete Partner der Bedrohung nationaler Sicherheit zu bezichtigen, ist geradezu abwegig. Statt neuer Zölle brauchen wir weniger Handelsbarrieren“, so der DIHK-Chef. Insofern sei es gut, dass weiterhin Gespräche geführt werden.

Trumps Drohungen nehme er „sehr ernst“, sagte Schweitzer. Sollten die USA die angedrohten Zölle auf importierte Autos erheben, würde das laut Schweitzer allein in der ersten Runde eine Mehrbelastung von rund fünf Milliarden Euro für deutsche Unternehmen ausmachen. Europa sei gefordert, seine Interessen gegenüber Trump geschlossen zu vertreten.

„Ohne wehrhafte europäische Antworten besteht die Gefahr, dass unsere Zugeständnisse zu immer neuen Zumutungen aus den USA führen“, so Schweitzer. „Parallel müssen wir aber in den Gesprächen klar machen, was für die US-Wirtschaft bei einem Handelskrieg auf dem Spiel steht.“ Einen Ausweg aus der schon eingesetzten Negativspirale könnte seiner Meinung nach „vielleicht ein plurilateraler Ansatz im Automobilsektor bieten, bei dem auch andere Auto-Länder in mögliche Vereinbarungen einbezogen werden und Zollsätze in diesem Sektor abgesenkt werden“.

Ökonom: Deutschland wäre Hauptleidtragender eines Handelskrieges

Vor dem Besuch von EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker in Washington hat der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Marcel Fratzscher, mit eindringlichen Worten vor den Folgen eines Handelskrieges zwischen den USA und der EU gewarnt. „Ein Handelskrieg zwischen Europa und den USA birgt enorme Risiken für die gesamte Weltwirtschaft“, sagte Fratzscher dem „Redaktionsnetzwerk Deutschland“ (Mittwochausgaben). „Die gegenseitigen Verflechtungen sind groß, es gibt hochkomplexe internationale Wertschöpfungsketten, die ohne freien Handel nicht mehr funktionieren werden“, fügte Fratzscher hinzu.

Hauptleidtragender wäre Deutschland, so der Ökonom. „Bei einer Eskalation im Zollstreit würde der globale Handel extremen Schaden nehmen. Kaum ein Land auf der Welt hätte dabei so viel zu verlieren wie Deutschland“, erklärte Fratzscher.

„40 Prozent der deutschen Wirtschaftsleistung und jeder zweite Arbeitsplatz hängen am Export“, so der Wirtschaftswissenschaftler weiter. „Deutschland ist besonders exponiert, und Donald Trump weiß das offenbar auch. Vermutlich setzt er darauf, dass Deutschland wegen seiner Abhängigkeit von den Exporten am Ende auf eine Lösung pochen wird“, sagte Fratzscher.

Er plädierte dafür, trotz der Drohungen aus Washington eine Lösung mit den USA zu suchen. „Die Haltung Frankreichs, so lange nicht zu verhandeln, wie Trump den Europäern droht, mag ehrbar sein – ökonomisch klug ist sie nicht“, sagte Fratzscher. Klüger sei es, man würde sich einigen.

„Ein Zollabkommen wie das diskutierte `TTIP light` böte für beide Seiten Vorteile. Darüber sollten Donald Trump und Jean-Claude Juncker reden“, forderte der Ökonom.

EU-Handelsausschuss-Chef skeptisch vor Juncker-Besuch in Washington

Vor dem Besuch von EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker in Washington zeigt sich Bernd Lange, Vorsitzender des Handelsausschusses im Europäischen Parlament, wenig optimistisch. „Ich glaube nicht, dass eine schnelle Einigung mit Donald Trump im Handelsstreit gelingen wird“, sagte Lange dem „Redaktionsnetzwerk Deutschland“ (Mittwochausgaben). Zu unterschiedlich seien die Interessen.

Während Trump auf möglichst großen Druck und bilaterale Abkommen setze, stehe Europa für multilaterale Abkommen und einen freundschaftlichen Geist bei den Gesprächen. „Unter Druck wird es keine Einigung geben, und eine bilaterale schon gar nicht“, sagte Lange. „Das Parlament wird da nicht mitspielen.“

Lange erwartet, dass sich die Fronten in den kommenden Monaten eher noch verhärten werden. „Gerade in der Frage der Zölle auf Autos und Autoteile muss man leider mit einer Verschärfung des Konfliktes rechnen – zumindest solange die Halbzeit-Wahlen in den USA nicht vorüber sind“, sagte er.

Autor: dts