Köln 1974 entstand in einem New Yorker Loft die Idee zu den Trocks. In diesem Jahr feiert die etwas andere Tanzcompagnie ihr 50-jähriges Bestehen. Vom 16. bis zum 21. Juli sind die Tänzer zu Gast beim Kölner Sommerfestival in der Philharmonie. Wir haben vorab mit Tory Dobrin gesprochen, der seit 30 Jahren als künstlerischer Direktor die Trocks zu ihren weltweiten Auftritten führt und der selbst in den 80ern als Tänzer auf der Bühne stand.
Wie ist die Idee zu den Trocks vor 50 Jahren in New York entstanden?
Tory Dobrin: Das war die Zeit, in der es in den USA die großen politischen Bewegungen gab – es wurde für Menschenrechte der Schwarzen und Latinos genauso gekämpft wie für die Emanzipation der Frauen. Und es war die Zeit von Stonewall, als 1969 die Polizei eine Razzia im Stonewall Inn an der Christopher Street durchführte und es danach zu massiven Auseinandersetzungen zwischen der LGBT-Community und der Polizei kam. Reichlich Bewegung gab es damals auch in der Theaterszene, die viel experimentierte. Und es war eine Zeit, in der das Ballett in vielen westlichen Ländern sehr populär war. Vor diesem Hintergrund haben sich in New York junge Tanzstudenten mit einer Liebe zur Comedy zusammengefunden – das war die Geburtsstunde der Trocks.
Was hat sich seit der Gründung 1974 bei den Trocks verändert?
Dobrin: Die Gesellschaft hat sich massiv verändert. In den 70ern waren die Trocks noch eine echte Subkultur. Heute sind sie Teil des Mainstreams geworden. Ich kann mich noch erinnern, als ich 1980 bei den Trocks begonnen hatte, gab es keine Kinder im Publikum. Heute ist das ganz normal, die gesamte Familie kommt zu unseren Auftritten. Verändert hat sich auch das tänzerische Niveau, was uns bei den Programmen ganz andere Möglichkeiten eröffnet. Nicht verändert hat sich unser Anspruch, unser Publikum zum Lachen zu bringen und dabei Tanz auf höchstem künstlerischen Niveau zu präsentieren.
Die erste Tour führte Tory Dobrin als Tänzer nach Südamerika
Wie sind Sie 1980 als Tänzer selbst zu den Trocks gekommen?
Dobrin: Ich war damals in einer Ballettklasse in New York und ein Freund hatte mir von einem Casting der Trocks erzählt. Ich bin hingegangen und wurde aufgenommen. Direkt im Anschluss stand eine Tour durch Südamerika an. Wir hatten unheimlich viel Spaß auf der Bühne und unser Publikum hatte genauso seine Freude an dem, was wir ihm geboten haben. Interessant war, dass es damals in einigen Ländern noch Militärdiktaturen gab. Die Herrscher dachten, wir bringen ganz normales Ballett auf die Bühne, aber unser Publikum hat sehr schnell verstanden, worum es bei den Trocks geht, und so wurden wir in den Opernhäusern gefeiert. Es gab viel Gekreische, Applaus und reichlich Blumen.
Was war das damals für Sie für eine Erfahrung, auf Spitze und im Tutu zu tanzen?
Dobrin: Es hat mir großen Spaß gemacht, auf Spitze zu tanzen, auch wenn das für einen Tänzer eine große technische Herausforderung bedeutet. Bei den Kostümen ist man im Ballett einiges gewohnt, da war ein Tutu gar nicht so besonders. Außerdem ist ein schönes Tutu ein echtes Kunstwerk und es fühlt sich toll an, es zu tragen. Heute ist so etwas auch ganz normal, Dragshows sind ja zum Beispiel in der gesamten Gesellschaft sehr angesagt.
Wie bringt man nach 50 Jahren noch Frische in die Truppe und ins Programm?
Dobrin: Die Tänzer wechseln ja immer wieder bei den Trocks. Manche sind zehn Jahre dabei, andere bleiben auch nur ein Jahr. Jeder Wechsel ändert die Energie des Balletts, auch weil sich die Charaktere so immer wieder ändern. Frische bringt auch unser Publikum, das mit uns Lachen und eine gute Zeit haben möchte. Unsere Fans wollen, dass wir weitermachen, und genau das machen wir.
Gibt es ein spezielles Jubiläumsprogramm?
Dobrin: Die Trocks verfügen mittlerweile über ein sehr großes tänzerisches Repertoire, sodass wir mit den einzelnen Programmteilen immer wieder rotieren und zudem auch Neues integrieren können. Jetzt in der Kölner Philharmonie blicken wir mit vielen Klassikern wie “Schwanensee” oder “Paquita” und “Go for Barocco” auf 50 Jahre Trocks zurück.
Ist es eigentlich schwer, beim Nachwuchs geeignete Talente zu finden?
Dobrin: Die Szene von männlichen Tänzern, die auf Spitze tanzen wollen und können, ist eher überschaubar. Man braucht eine sehr gute Technik, muss bei den Trocks aber auch ein guter Teamplayer sein und Respekt vor den anderen Tänzern haben. Außerdem braucht es eine gute Energie als Tänzer und der Charakter muss zu uns passen. Zum Glück finden wir immer wieder solche großartigen Leute, sodass die Geschichte der Trocks weitergehen kann.
Wie lange braucht es, bis aus einem Neuling ein echter Trock wird?
Dobrin: Das ist individuell sehr unterschiedlich. Manche neue Tänzer brauchen dazu ein ganzes Jahr, andere sind schon in anderthalb Monaten so weit. Für viele ist diese Art, Ballett zu tanzen, ganz neu. Aber man muss sich nicht nur an Tutu und Spitze, sondern auch an unsere Art von Humor gewöhnen. Alles muss am Ende zusammenpassen – Koordination, Schnelligkeit und auch die komischen Elemente. Aber wer beim Tanzen Spaß hat, findet seinen Weg und wird so zum Trock.
In Köln findet jetzt im Juli die eine der größten Pride-Veranstaltungen in Europa statt. Welche Rolle spielen die Trocks bei der Akzeptanz in der Gesellschaft für queere Themen?
Dobrin: Das Ensemble ist inzwischen in 665 Städten in 43 Ländern aufgetreten. Mit diesen knapp 4000 Auftritten haben wir auch ein Bewusstsein für die Belange von Homosexuellen bei den Zuschauern geweckt. Heutzutage gibt es viele Fernsehshows mit Dragqueens und das Thema ist sehr populär. Das war zu Beginn unserer Geschichte so noch nicht der Fall. Dass sich das geändert hat, dazu haben die Trocks auch ihren Beitrag geleistet.
Gibt es in den verschiedenen Ländern und Kontinenten auch verschiedene Reaktionen des Publikums?
Dobrin: In der westlichen Welt, wie in Europa, den USA und Kanada, lieben die Leute die Kombination von Tanz und Comedy. Da gibt es bei unseren Auftritten immer die ganz große Party im Publikum. In Asien ist das Publikum während der Show etwas zurückhaltender und leiser, dafür gibt es am Ende den ganz großen und lang anhaltenden Applaus. Als wir noch in Russland aufgetreten sind, haben wir bei den Leuten ihre extrem große Liebe zum Ballett gespürt. Da hat dieses Genre eine außergewöhnlich hohe Bedeutung.
Welche Beziehung haben Sie zum Köln, zur Philharmonie und zum Kölner Publikum?
Dobrin: In diesem Jahr sind wir das vierte Mal in Köln. Die Philharmonie ist ein sehr renommiertes Haus und das Kölner Publikum liebt das, was wir machen. Insofern ist die Vorfreude auf das Kölner Gastspiel sehr groß.
Service: “Les Ballets de Trockadero de Monte Carlo” gastiert vom 16. bis zum 21. Juli beim Kölner Sommerfestival in der Philharmonie. Vorstellungen: Di-Sa 20 Uhr, Sa auch 15 Uhr, So 14 Uhr. Karten gibt es ab 49,90 Euro unter Telefon 0221/280280 oder online unter: