Köln | Im Dezember des vergangenen Jahres starb der Vollstreckungsbeamte Kurt Braun im Dienst, durch einen Mann der mutmaßlich unter einer psychischen Störung litt. Oberbürgermeisterin Henriette Reker spricht von ihrem „schwierigsten Tag im Amt“. Seit heute nutzt die Stadt Köln ein selbst entwickeltes System mit dem sie Meldungen ihrer Mitarbeiter über Personen in Köln erfasst, die diese als potentiell gefährlich einstufen. Wer erfasst ist, kommt nicht so leicht aus dem System. Stadtdirektor Stephan Keller sprich von einem rechtskonformen System und dass es trotz System eine 100-prozentige Sicherheit nicht gebe.

Der bürokratische Begriff für das neue System der Stadt lautet „Zentrales Melde- und Auskunftssystem“. Es geht um die Erfassung von Menschen, die den städtischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in der Ausführung ihres Dienstes gefährlich werden können, weil diese sie etwa bedrohen, eine Sachbeschädigung durchführen oder gewalttätig werden. Vor allem denen, die im Außendienst tätig sind, etwa als Vollstreckungsbeamte bei der Kämmerei, wie Kurt Braun. Aber auch Ordnungs- oder Einsatzkräfte sollen auf das System Zugriff erhalten.

So soll das System funktionieren

Zeigt eine Bürgerin oder Bürger beim Kontakt mit städtischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ein auffälliges Verhalten so soll dieses nach dem Aachener Modell für Gewaltprävention eingeschätzt werden. Dieses Modell sieht vier Eskalationsstufen vor:

0 = Normale bzw. kontroverse Gesprächssituation

1 = Verbale Aggression, Sachbeschädigung, unangemessenes Sozialverhalten

2 = Körperliche Gewalt, Handgreiflichkeiten, Eindeutige Bedrohung /Nötigung

3 = Einsatz von Waffen und Werkzeugen, Geiselnahme, Überfall, Amok

Ab Stufe 1 sollen Übergriffe vom neuen System erfasst werden, wenn die städtischen Mitarbeiterin oder der städtische Mitarbeiter, die Situation so einstuft. Dabei dürfte jeder Mensch etwa unangemessenes Sozialverhalten oder verbale Aggression anders einschätzen, beziehungsweise definieren. Definiert die städtische Mitarbeiterin oder Mitarbeiter etwa für sich unangemessenes Sozialverhalten einer Klientin oder Klienten, dann erfasst sie die Bürgerin oder den Bürger im System. Der Datensatz wird dann an die oder den Vorgesetzten weitergeleitet. Diese oder dieser ist in die Entscheidung eingebunden, ob der Fall in die Datenbank aufgenommen wird. Zudem wird hier die Entscheidung getroffen, ob eine Strafanzeige erfolgt. Wobei die Stadt festhält, dass prinzipiell immer eine Strafanzeige erfolgen soll. Der Fall wird zudem an das städtische Zentrum für Kriminalprävention und Sicherheit weitergeleitet. Dort wird der Fall erneut geprüft. Dann wird der Vorgang in die Datenbank für potentielle Gefährderinnen und Gefährder eingetragen.

Die Stadt Köln sagt, dass dieses System mit ihrem Datenschutzbeauftragten abgestimmt sei. Stadtdirektor Keller sagt, dass das System rechtskonform sei und spricht in diesem Zusammenhang von der Erfassung von „Tätern“. Eine Zuordnung, die zumindest irritiert, da nur die Erfassung oder Meldung eines Menschen durch einen städtischen Bediensteten zunächst erst einmal zu einem mutmasslichen Tatvorwurf vor allem vor dem Hintergrund „unangemessenes Sozialverhalten“ führt, der später in einem rechtsstaatlichen Verfahren vor einem ordentlichen Gericht geklärt werden müsste.

Löschung von Daten dauert

Jetzt werden zunächst Altfälle in die Datenbank migriert, sagt die Stadt Köln. Wie lange bleibt ein Vorfall in der Datenbank der Stadt Köln? Stadtdirektor Keller spricht von Löschungsfristen. Hat die Stadt jemanden in der Stufe 1 des Aachener Modells erfasst, dann werden dessen personenbezogene Daten für 1 Jahr gespeichert. Kommt es zu einem Wiederholungsfall in diesem Zeitraum, dann verlängere sich die Frist, so die Stadt. Hier bleiben mehrere Fragen offen, etwa was passiert mit den Daten, wenn beispielsweise die Staatsanwaltschaft ein Beleidigungsverfahren während dieses Jahres einstellt, weil städtische Mitarbeiter einfach die Situation „unangemessenen Sozialverhaltens“ falsch einschätzten? Bleibt die Person, dann weiter gespeichert? Offen ist zudem, wer die Erfassung, Verwaltung und Löschung der Daten kontrolliert oder ob an dieser Stelle ein System etabliert wird, mit dem die Stadt Köln, dass Sozialverhalten ihrer Bürgerinnen und Bürger im Amtskontakt langfristig erfasst.

Zugriff auf die Datenbank sollen etwa Einsatzkräfte von Rettungsdienst und Feuerwehr haben, ob damit auch freiwillige Feuerwehren gemeint sind, bleibt fraglich und städtische Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Kundenkontakt vorrangig Vollstreckungsbeamte und Ordnungskräfte.

Autor: Andi Goral