Köln | aktualisiert | Oberbürgermeister Roters hat heute im Historischen Rathaus Köln dem Kiewer Bürgermeister Vitali Klitschko den Konrad-Adenauer-Preis übergeben. Roters und der Laudator, der Leipziger Bürgermeister Burkard Jung lobten Klitschkos Engagement für die Revolution des Maidan. Klitschko machte Werbung für seine Stadt und Land, zeigte aber keine Vision für mehr Frieden im Land auf. Vor dem Rathaus gab es Jubel-Ukrainer und kritische Töne.

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Die kritischen Töne kamen vor allem von der Linken aus Kalk. Claus Ludwig wirft Klitschko die Zusammenarbeit mit Faschisten vor und dass er nichts gegen den Krieg in der Ostukraine unternehme. Ludwig kritisiert auch, dass die Stadt Köln explizit Außenpolitik betreibe, während in der Ukraine ein Krieg stattfinde. Dabei machte Ludwig gegenüber report-K deutlich, dass man sich nicht als Putinversteher sehe, sondern auch Kontakt zur russischen Opposition habe.

Ulrich Breite von der FDP kritisiert die Proteste und betont, dass Klitschko demokratisch gewählt sei. Klitschko zu unterstützen heiße auch für die Unverletzlichkeit der Grenzen in Europa einzustehen. Andreas Wolter von den Grünen, der als Bürgermeister der Stadt Köln auch dem Kuratorium des Preises angehört, stellt fest, dass man Klitschko stellvertretend für die Maidan-Bewegung auszeichne und sich erhoffe, dass er sich für Minderheiten einsetze und auch gegen die in Osteuropa verbreitete Homophobie einsetze. Die Initiative Demokratische Ukraine kritisiert die homophobe Haltung Klitschkos, würdigt aber seinen Einsatz auf dem Kiewer Maidan. Sowohl an seinen Befürwortern als auch seinen Kritikern brauste Klitschko mit Gefolge kurz nach 17 Uhr vorbei. Den Dialog suchte der Kiewer Bürgermeister nicht, wie es sich etwa Bürgermeister Andreas Wolter mit den Kritkern der LGBT gewünscht hatte.

Im Rathaus gab es nur Applaus für Klitschko. Oberbürgermeister Jürgen Roters lobte Klitschko in den höchsten Tönen: „Sie stehen für eine umfassende Reform des politischen und gesellschaftlichen Systems in der Ukraine.“ und kurz zuvor „Sie waren die Gallionsfigur der Massenproteste auf dem Maidan gegen das damalige Regime. Mit dem ukrainischen Präsidenten Petro Poroschenko verbindet Sie das Ziel, die Ukraine zu einem demokratischen, europäischen Land zu machen.“

Roters bezog auch Stellung zur politischen Lage und Auseinandersetzung mit Russland: „Im Konflikt mit Russland müssen wir alles versuchen, damit die Lage nicht weiter eskaliert und der brüchige Waffenstillstand hält. Dazu bedarf es der vollständigen Umsetzung der Minsker Abkommen und auch weiterhin einer Mischung aus Krisenmanagement und Diplomatie – aber auch einer glaubwürdigen, gemeinsamen sicherheitspolitischen Antwort auf die Infragestellung der europäischen Friedensordnung durch Russland. Die völkerrechtswidrige Annexion der Krim kann und darf von der Europäischen Union nicht anerkannt werden. Gewaltsame Grenzverschiebungen und Krieg als Mittel der Politik dürfen wir in Europa nicht akzeptieren.“

Klitschko dankte für den Preis und äußerte sich zur politischen Situation in der Ukraine: „Diese Aufgabe ist in vielerlei Sicht extrem herausfordernd. Mein Land leidet massiv unter der russischen Aggression: wir beklagen den Tod ungezählter Menschen, wir leiden unter katastrophalen wirtschaftlichen Folgen und müssen als Stadt nicht nur riesige eigene Probleme meistern, sondern zugleich den Flüchtlingen aus dem Osten unseres Landes Hilfe und Unterstützung anbieten.“ Eine Vision für den Frieden oder Optionen für Frieden zeigte Klitschko nicht auf. Stattdessen warb er um Touristen und Investoren. Klitschko schloss mit den Worten: „Ohne Kampf gibt es keinen Sieg“.

Auch eine Videobotschaft von Martin Schulz und die Laudation des Leipziger Bürgermeisters Jung bezogen eindeutig Stellung für eine europäischen Ukraine. Jung verortete Kiew in der Mitte Europas und sprach von der Wunde Ukraine, die weiter schwäre und nichts gelöst sei. Der Adenauer Preis wird im Wechsel mit dem Hans Böckler Preis verliehen. Die Stadt Köln hat auch Plakate anlässlich der Preisverleihung an Kiews Oberbürgermeister Klitschko aufgehängt.

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Kommentar der Redaktion

Wie also die Preisverleihung an Vitali Klitschko werten? In der Piazetta des Kölner Rathauses wurde sie als symbolträchtig gewertet. Die Zujubler gingen sofort auf die Palme, wenn man sie danach fragte, ob die Kritik aus einem Teil der Kölner Linken berechtigt sei. Die Nachfrager und Kritiker zeigten sich differenzierter, aber auch eindeutig in ihrer Position. Differenziertheit war aber nicht die Sache dieser Preisverleihung. Sie war reines Schwarz und Weiß. Ukraine, Klitschko, Poroschenko alles gut, westlich, Europäisch und Moskau Aggressor und Demokratiefeindlich. Aber stimmt das so in dieser Schlichtheit? Eine sehr, sehr schwierige Frage in Zeiten in denen ein Konflikt von allen Seiten und mit allen Mitteln – auch emotional – aufgeheizt wird und die Fronten stark verhärtet sind. Schwarz und Weiß, das ist häufig so bei Preisverleihungen. Schließlich setzt der, der den Preis vergibt, ein positives Signal für den, an den er diesen vergibt. Das sind die normalen Preisverleihungen. Die wirklich guten Preisverleihungen zeichnen ein differenziertes Bild, zeigen Visionen oder Hinterfragungen für die Zukunft auf, regen an und inspirieren. Und zwar sowohl von den Laudatoren, wie auch den Ausgezeichneten. Dies lieferte der gestrige Abend im Kölner Rathaus leider nicht. Ist die Auszeichnung an Vitali Klitschko also aktuell gerechtfertigt? Diese Frage kann man erst nach Beendigung des Konfliktes und wenn man das Wirken des noch Neupolitikers Klitschko in der Gesamtschau beurteilen kann, beantworten. Dazu war es gestern Abend eindeutig zu früh.

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Autor: Andi Goral
Foto: Leipzigs Oberbürgermeister Jung, Preisträger Vitali Klitschko und Oberbürgermeister Jürgen Roters