Köln | Wie die Stadt Köln heute bekannt gab, wurden mit dem Rückbau der „Bergungsbaugrube“ am Waidmarkt alle Arbeiten abgeschlossen, die mit der Bergung des Archivguts im Zusammenhang stehen. Damit kann die Baustelle an die Kölner-Verkehrsbetriebe übergeben werden und mit dem Bau der „Besichtigungsbaugrube“ begonnen werden. Die Baugrube soll es ermöglichen, die Schlitzwand des Gleiswechselbauwerks, die im Verdacht steht, durch einen Defekt ursächlich für den Einsturz des Stadtarchivs zu sein, aus nächster Nähe zu besichtigen. Eine drohende Verjährung von Schadensersatzansprüchen und Straftaten sei vorerst nicht zu befürchten, so die Verantwortlichen.

Nach zweieinhalb Jahren Arbeit, in denen 95 Prozent aller Archivalien geborgen werden konnten, sind nun alle Voraussetzungen geschaffen, um die „Besichtigungsbaugrube“ auszuheben. Damit sind die Bergungsarbeiten abgeschlossen und es kann mit der Beweissicherung sowie der Ermittlung der Einsturzursache begonnen werden. Im Rahmen der Arbeiten in der Bergungsbaugrube konnten bereits erste Sondierungsarbeiten des gerichtlich beauftragten Gutachters stattfinden, der mit Tauchern die Technik und die Situation unter Wasser prüfen konnte. Wenn die Besichtigungsbaugrube fertiggestellt ist, soll bis in 33 Meter Tiefe vorgedrungen werden, wo ein Defekt in der Schlitzwand vermutet wird. Die Schadensstelle soll im Januar 2014 erreicht werden.

Die Bergungsarbeiten und die Errichtung der Bergungsbaugrube waren ein aufwendiges Unterfangen. Zeitweise bis zu 14 Gutachter beobachteten die Baumaßnahmen und mussten ihre Zustimmung für die einzelnen Bauschritte erteilen. Dies war nötig, um sicherzustellen, dass eventuelle Schadensersatzansprüche der Stadt Köln, der KVB und der Leihgeber nicht gefährdet werden. Zudem mussten jegliche Auswirkungen der Baumaßnahmen auf den Zustand der angrenzenden Gebäude unterbunden werden, um die Beweislage nicht zu verändern. So durfte sich beispielsweise die östliche Schlitzwand um nicht mehr als drei Millimeter verschieben. Diese hohen Anforderungen sind auch für die Verzögerungen der Bergungsarbeiten verantwortlich. Hinzu kamen die schwierigen Bedingungen unterhalb des Grundwasserspiegels. Die starke Trübung des Wassers machte Wasseraufbereitungsmaßnahmen erforderlich. Dennoch konnten Dokumente im Umfang von einem Regalkilometer geborgen werden.

Währenddessen ist die Sichtung und Restaurierung des Archivguts weiter fortgeschritten. Vom geborgenen und erstversorgten Archivgut sind 35 Prozent schwerst beschädigt. Archivleiterin Bettina Schmidt-Caiza hofft jedoch, dass auch diese Stücke restauriert werden können. Rund die Hälfte der Archivalien konnte genau zugeordnet werden, bei 80 Prozent ist der jeweilige Bestand identifiziert. Nicht-identifizierbares Archivgut soll digitalisiert und online gestellt werden. So sollen auswärtige Experten oder auch die Leihgeber die Möglichkeit haben, an der Identifizierung mitzuwirken.

Kulturdezernent Georg Quander betonte, dass es die richtige Entscheidung war, die Bergung des Archivguts in Angriff zu nehmen. Im Krisenstab, der im März 2009 nach dem Einsturz des Stadtarchivs eingerichtet worden war, stand die Sinnhaftigkeit einer Bergung kurz zur Diskussion, so Quander. Seit dem Unglück hat die Stadt Köln insgesamt 77 Millionen Euro für mit dem Einsturz in Zusammenhang stehende Maßnahmen aufgewendet.

Die Verjährungsfrist der Schadensersatzansprüche der Stadt Köln gegenüber der Arge Nord-Süd Stadtbahn Köln, die mutmaßlich schuld am Einsturz des Stadtarchivs sein soll, ist aufgrund des laufenden Verfahrens bis Ende 2014 verlängert worden. Bis dahin erwartet die Stadt Köln auch den Abschluss des Verfahrens. Die befürchtete Verjährung der Schadensersatzansprüche der Leihgeber ist nach dem erklärten Verzicht der Stadt Köln auf die Verjährung abgewendet. Eine Verjährung der eventuellen Ansprüche der Leih- und Nachlassgeber gegenüber der Arge soll auf Vorschlag der Stadt Köln dadurch abgewendet werden, dass die Leihgeber ihre Ansprüche der Stadt Köln treuhänderisch übertragen und diese somit im bereits laufenden Verfahren von der Stadt Köln vertreten werden können. Das Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft wegen fahrlässiger Tötung gegen Unbekannt, das nach dem Tod von zwei Männern beim Einsturz des Stadtarchivs eingeleitet wurde, müsste am 03. März 2014, also fünf Jahre nach dem Unglück, aufgrund von Verjährung eingestellt werden. Nach Auskunft von Werner Langen, Anwalt der Stadt Köln im laufenden zivilrechtlichen Verfahren, könnte dies jedoch abgewendet werden, wenn die Staatsanwaltschaft ihr Ermittlungsverfahren in ein Verfahren gegen konkrete Personen umwandeln würde. Genau dies werde auch eintreten, so Langen. Falls sich die Baumaßnahmen und damit die Beweissicherung am Waidmarkt verzögern sollte und im März 2014 noch keine eindeutigen Tatverdächtigen feststehen sollten, würde die Staatsanwaltschaft, nach Aussage Langens, den Kreis der verdächtigen Personen im Zweifel erweitern.

Autor: Christian Bauer
Foto: Die Luftbildaufnahme der Stadt Köln aus dem Jahr 2009 zeigt die Einsturzstelle des Kölner Historischen Archivs