Köln | Das Land NRW zeigt mit seiner Sozialberichterstattung „Integrierte Wohnungsnotfall-Berichterstattung 2020 in Nordrhein-Westfalen. Struktur und Umfang von Wohnungsnotfällen“, dass die Zahl der Wohnungslosen in Köln seit Jahren steigen. Report-K befragte die Parteien: Für die Kölner Linke antwortete bereits Fraktionsgeschäftsführer und wohnungspolitischer Sprecher Michael Weisenstein.

Das sagt die Kölner Linke

Die Zahlen wohnungsloser Menschen in Köln nimmt seit 10 Jahren zu. Was tut die Linke im Stadtrat dagegen?

Michael Weisenstein: Die steigende Zahl wohnungsloser Menschen, die keine eigene Mietwohnung haben, sondern von der Stadt untergebracht werden, hat mehrere Ursachen. Die Hauptursache ist sicher der leergefegte Wohnungsmarkt, den sich viele Menschen nicht mehr leisten können. Haben sie – aus welchen Gründen auch immer – erstmal ihre Wohnung verloren, finden sie keine neue mehr. Mit zahlreichen Vorschlägen kämpft DIE LINKE für den Bau von Wohnungen, die sich Menschen mit kleinen und mittleren Einkommen noch leisten können.

Auch die Zahl der Obdachlosen steigt. Wir wollen das System beenden, dass die Versorgung mit einer Wohnung von zahlreichen Hürden abhängig macht. Dieses System hat nicht dazu geführt, dass Obdachlose in nennenswerter Zahl den Wiedereinstieg in ein „normales“ Leben gefunden haben. Stattdessen setzt DIE LINKE auf Housing First, das jedem Obdachlosen erst einen Wohnung gibt und erst danach weitere psychosoziale Angebote macht.

Alleine im Corona-Pandemie-Jahr stieg die Zahl um nahezu 1.000 Personen. Können Sie das erklären?

Michael Weisenstein: Die Coronapandemie und die Lockdowns haben für viele Menschen große finanzielle Einschnitte gebracht. Die staatlichen Hilfen haben das nur zum Teil ausgeglichen oder kamen erst gar nicht bei den Betroffenen an. Diese Menschen hätten einen langdauernden, bundesweit gesetzlich geregelten Schutz vor Zwangsräumung gebraucht, wie er ansatzweise in den ersten Monaten der Pandemie existierte.

Die steigende Zahl weist darauf hin, dass die Ansätze von Politik und Verwaltung nicht fruchten. Können Sie erklären woran das liegt?

Michael Weisenstein: Der Fehler der Oberbürgermeisterin und der Stadtspitze ist, dass sie viel zu sehr auf private Investoren setzen statt die Kapazitäten der Stadt und der städtischen Unternehmen zu nutzen und auszubauen. Im Ergebnis wird gebaut, womit sich am meisten verdienen lässt. Und es wird auch mal trotz Baugenehmigung nicht gebaut, weil der Investor auf eine höhere Rendite in zwei oder drei Jahren spekuliert.
Gute Konzepte wie das Kooperative Baulandmodell zeigen erst jetzt, Jahre nach der Verabschiedung in 2014 Wirkung. Warum? Weil eine Vielzahl an Ausnahmen eingebaut wurde, um die private Bauwirtschaft nicht vor den Kopf zu stoßen.

Gibt es neue Ansätze, die die Politik in den politischen Prozess einbringen wird?

Michael Weisenstein: Die Stadt und ihre Wohnungsunternehmen müssen mehr selbst bauen und zwar günstige Wohnungen. Dafür muss die Stadt deutlich mehr an Flächen kaufen und dauerhaft im Bestand halten. Flächen dürfen nicht mehr verkauft werden, um Löcher im städtischen Haushalt zu stopfen. Wenn Grundstücke an private Investoren vergeben werden, dann nur noch im Erbbaurecht. Dann kann man vertraglich festlegen, in welchem Maße die Mieten steigen dürfen, und so garantieren, dass die Wohnungen bezahlbar bleiben – und zwar über die gesamte Laufzeit des Erbbaurechtsvertrages!
Bestehende günstige Wohnungen müssen geschützt werden: Die Blockade von sozialen Erhaltungssatzungen durch die Stadtverwaltung muss beendet werden. Und die Verwaltung muss offensiver gegen die Zweckentfremdung von Wohnraum, z.B. durch Leerstand oder Ferienwohnungen, vorgehen.

Wie können solche operativ schnell umgesetzt werden, da Hilfe ja nicht langsam sondern schnell von Nöten ist?

Michael Weisenstein: Die Stadt hat die rechtlichen Möglichkeiten, gegen die Zweckentfremdung von Wohnraum vorzugehen. Mit Willen und Personal kann hier in kurzer Zeit viel erreicht werden.
Das Land NRW führt drei Erklärungsansätze an, wie Druck auf den Wohnungsmarkt, steigende Nachfrage durch anerkannte Asylbewerber*innen und Menschen mit anerkanntem Flüchtlingsstatus und die Corona-Pandemie Gelten diese auch für Köln?

Michael Weisenstein: In Köln wird seit Jahren zu wenig gebaut und es wird das Falsche gebaut. Die Oberbürgermeisterin hatte als Ziel „6.000 Wohnungen pro Jahr“ ausgegeben. Im Schnitt der letzten Jahre wurde nicht einmal die Hälfte erreicht. Und wenn in Köln gebaut wird, dann meist hochpreisig. Die Behauptung, dass auch teure Wohnungen helfen, weil ja durch den Umzug eine günstigere Wohnung frei wird, ist falsch. Die bislang günstige Wohnung wird bei Neuvermietung erheblich teurer werden. Es wird also nicht nur eine teure Wohnung neu gebaut, es verschwindet auch eine günstige Wohnung vom Markt. Weder Geflüchtete noch die Pandemie sind die Ursache der Kölner Wohnungsnot.

Wie bewerten und unterstützen Sie Initiativen wie das OMZ?

Michael Weisenstein: Wir unterstützen, dass Wohnungslose sich organisieren und selbst aktiv werden, wenn die Verwaltung zu zögerlich an Lösungen arbeitet oder private Eigentümer Häuser leer stehen lassen. Wir setzen uns für das OMZ und andere Projekte ein.

Hinweis der Redaktion: Auch die anderen demokratischen Fraktionen im Kölner Rat sind angefragt.

In der Liste finden Sie die Antworten der Parteien, die sich bislang äußerten:

https://www.report-k.de/Politik-Nachrichten/Politik-Koeln/Steigende-Wohnungslosigkeit-in-Koeln-das-sagt-die-Koelner-SPD-148619

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Die Berichterstattung zur Sozialberichterstattung des Landes NRW finden Sie hier:

https://www.report-k.de/Koeln-Nachrichten/Koeln-Nachrichten/Wohnungslosigkeit-steigt-in-Koeln-Koeln-ist-unruehmlicher-Spitzenreiter-in-NRW-148491

https://www.report-k.de/Politik-Nachrichten/Politik-NRW/Mehr-Wohnungslose-in-NRW-im-Jahr-2020-148481

Autor: red
Foto: Symbolfoto