Köln | Das Land NRW zeigt mit seiner Sozialberichterstattung „Integrierte Wohnungsnotfall-Berichterstattung 2020 in Nordrhein-Westfalen. Struktur und Umfang von Wohnungsnotfällen“ dass die Zahl der Wohnungslosen in Köln seit Jahren steigen. Report-K befragte die Parteien zu Ursachen und politischen Lösungsansätzen: Das sagt die Kölner SPD.

Die Zahlen wohnungsloser Menschen in Köln nimmt seit 10 Jahren zu. Was tut die SPD im Stadtrat dagegen?

Der Verwaltung sind die erschreckend hohen Zahlen bekannt. Leider wird zu wenig gegen Wohnungslosigkeit unternommen. In den letzten Jahren haben wir im Sozialausschuss mehrfach Vorschläge gemacht und Nachfragen gestellt, damit die Wohnungslosigkeit in Köln bekämpft wird. Wir setzen uns für das Housing-First-Konzept ein und wollen Luxussanierungen erschweren, damit Mieter ihre Wohnung gar nicht erst verlieren.

In der letzten Sitzung des Sozialausschusses am 27.05.2021 haben wir in unserem Antrag „Wohnungslosigkeit zielgruppenorientiert und bedarfsgerecht entgegenwirken“ konkrete Vorschläge gemacht. Darunter:

Damit neue Obdachlosigkeit gar nicht erst entsteht, sind Zwangsräumungen z. B. zur Durchsetzung von Luxussanierungen durch die zentrale Fachstelle möglichst zu verhindern. Das Instrument der Beschlagnahmung und Wiedereinweisung ist zu nutzen, um den Betroffenen ein Dach über dem Kopf und den Menschen das Verbleiben in ihrem gewohnten Umfeld zu sichern, wenn geeignete Ersatzwohnungen nicht verfügbar sind.

Bei Beschlagnahmung und Wiedereinweisung muss jedoch ein adäquates Angebot zur Wohnraumversorgung innerhalb eines für den Wohnungsgeber transparenten Zeitrahmens gemacht werden.

Für Personen und Haushalte, die in der Lage sind, die sich aus einem Mietvertrag ergebenden Pflichten einzuhalten, sind ausreichend Belegrechte an – 2 – bestehenden Wohnungen vorzuhalten und zu erwerben, die einen Anschluss in ein reguläres Mietverhältnis ermöglichen.

Für Personen und Haushalt, die nicht in der Lage sind, die sich aus einem Mietvertrag ergebenden Pflichten einzuhalten, sind ausreichend Wohnraumkapazitäten im kommunalen Wohnversorgungsbetrieb vorzuhalten. Die hier angesprochene Zielgruppe muss dabei intensiv durch Fachkräfte der sozialen Arbeit und andere Unterstützungsangebote passgenau begleitet werden.

Ein adäquates Angebot zur Wohnraumversorgung erhalten ebenfalls akut obdachlose Menschen. Das Angebot eines Hotelplatzes muss dabei ebenso wie die Unterbringung in Sammel- und Notunterkünfte auf ein sehr kurzfristiges Nothandeln beschränkt sein. Die Regel müssen kleinere und menschenwürdige Einheiten sein, in denen besser auf persönliche Wünsche und individuelle Bedürfnisse der Betroffenen eingegangen wird und eine soziale Betreuung gewährleistet ist.

Für akut obdachlose Personen ist der „Housing First“-Gedanke anzuwenden. Hierfür müssen geeignete Wohnungen dezentral von der Verwaltung vorgehalten werden.

Alternativ sind Übergangswohnformen zeitlich befristet zu ermöglichen, um akut obdachlose Personen über soziale Betreuung in die Lage zu versetzen, in einem Mietverhältnis zurechtzukommen. Diese Übergangswohnformen sind geeignet, über den Wohnaspekt hinaus auch weitere Angebote zur persönlichen Weiterentwicklung anzudocken. In diesem Rahmen sind selbstverwaltete Wohn- und Arbeitsprojekte zu erproben und zu fördern.
Die Mehrheit des Ausschusses lehnte den Antrag ab, obwohl der Beigeordnete Dr. Rau in der Sitzung erklärte, dass die Forderung nach intensiveren Konzepten zur Verhinderung von Wohnungslosigkeit und Bekämpfung von Obdachlosigkeit fachlich richtig sei. Dr. Rau gab jedoch zu bedenken, dass die geforderten Intensivierungen refinanziert werden müssten.

Allein im Corona-Pandemie-Jahr stieg die Zahl um nahezu 1.000 Personen. Können Sie das erklären?

In der Antwort auf unsere Anfrage „Städtische Hilfe für obdachlose Menschen – akute Winterhilfe und Ausblick (zu AN/0005/2021)“ hatte die Verwaltung schon angekündigt, dass sich die Zahl der wohnungslosen Menschen erhöhen werde. Leider hat die Verwaltung versäumt, wie von uns angeregt eine Analyse der Entwicklung der Wohnungs- und Obdachlosigkeit für das Jahr 2021 vorzunehmen.

Wir haben 2020 und dieses Jahr immer wieder angemahnt, dass sich die Stadt mit der zu erwartenden Zunahme an Notfällen beschäftigen solle. Es war klar, dass die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie arme Menschen am härtesten treffen würde.

Die steigende Zahl weist darauf hin, dass die Ansätze von Politik und Verwaltung nicht fruchten. Können Sie erklären, woran das liegt?

Es ist hier weniger ein Beschluss- sondern ein Umsetzungsdefizit. Die Beschlüsse liegen auf dem Tisch, die Stadtverwaltung hinkt in der Umsetzung stark hinterher. Das liegt nicht unbedingt am Unwillen, sondern oft an den fehlenden finanziellen und personellen Ressourcen. Sinnvolle Projekte anderer politischer Ebenen laufen aus. Die Stadt kann dies mit ihren freiwilligen Mitteln nicht auffangen. Zum Beispiel sind die Projekte „Alveni links und rechts vom Rhein“, die sich an neuzugewanderte EU-Bürgerinnen bzw. EU-Bürger und ihre Kinder richteten, die keine bzw. eingeschränkte Ansprüche in den Regelsystemen haben, am 31.12.2020 ausgelaufen. Diese Projekte wurden bisher von Bundesseite mit einer Förderquote von 95 Prozent unter Verwendung von Mitteln des Europäischen Sozialfonds für die am stärksten benachteiligen Personen (EHAP) gefördert.

Aber auch solche Projekte helfen nur eingeschränkt. Wirkliche Hilfe könnte nur erreicht werden, wenn ein Anspruch auf Gelder nach dem Sozialgesetzbuch gewährt werden kann. Hier werden die Kommunen mit dem Problem im Stich gelassen. Wir hoffen, dass sich daran nach der Bundestagswahl etwas ändert.

Gibt es neue Ansätze, die die Politik in den politischen Prozess einbringen wird? Wie können diese ggf. operativ schnell umgesetzt werden, da Hilfe ja nicht langsam, sondern schnell vonnöten ist?

Fraktionsübergreifend hat sich die Politik für Housing-First stark gemacht. Aber es fehlt an Plätzen. Wir als SPD-Fraktion haben darum in einem Antrag gefordert, dass die Stadt ein eigenes „Housing First“-Programm für die Sozialhäuser einrichtet. Das wurde leider von den anderen Fraktionen abgelehnt. Des Weiteren müssen wir nachhaltige Wege entwickeln und aufzeigen, wie die Hilfe für akut wohnungslose Menschen mittelfristig von den Notlösungen wegkommt, damit wohnungslose Menschen mit echtem Wohnraum versorgt werden können.

Dabei ist uns insbesondere wichtig, dass die Ämter zusammenarbeiten. Hier hakt es, da die Notfälle zwar gemeldet werden, aber so gut wie keine Plätze in Wohnungen der Stadt vorgehalten werden. Im Köln müssen wir jetzt und in Zukunft die in der Corona-Pandemie geschaffenen zusätzlichen Angebote und Unterbringunsplätze weiter anbieten und verstetigen.

Das Land NRW führt drei Erklärungsansätze an:
• Druck auf dem Wohnungsmarkt
• Steigende Nachfrage durch anerkannte Asylbewerber*innen und Menschen mit anerkanntem Flüchtlingsstatus
• Corona-Pandemie
Gelten diese auch für Köln?

Natürlich wirken diese Außenfaktoren auch auf die Stadt Köln und verschärfen das Problem der wohnungslosen Menschen. Aber in Köln haben wir ein ganz spezifisches Problem, denn wir bauen nicht genug Wohnungen. Das wissen Grüne und CDU sowie Baudezernent Greitemann seit Jahren. 6000 Wohnungen brauchen wir pro Jahr. Bei den Sozialwohnungen sieht es noch düsterer aus. 22 Monate braucht es für eine Baugenehmigung. Am Ende der langen Kette der Probleme, die auf dieses Versagen zurückzuführen sind, stehen wohnungslose Menschen, die keine Chance auf eine Bleibe in Köln haben.

Wie bewerten und unterstützen Sie Initiativen wie das OMZ?

Wir setzen uns auch für selbstverwaltete Initiativen ein, da wir der festen Überzeugung sind, dass damit eine nachhaltige Verbesserung der Lebensverhältnisse erreicht werden kann. Natürlich geht dies nicht ohne professionelle sozialarbeiterische Unterstützung und die Gewissheit, dass man am Ort bleiben kann und das Gebäude nicht wieder verlassen muss. Im Falle des OMZ fehlt es an ausreichend sozialarbeiterischer Unterstützung, und der Standort ist nicht gesichert. Das kritisieren wir scharf.

Hinweis der Redaktion: Auch die anderen demokratischen Fraktionen im Kölner Rat sind angefragt.

In der Liste finden Sie die Antworten der Parteien, die sich bislang äußerten:

https://www.report-k.de/Politik-Nachrichten/Politik-Koeln/Steigende-Wohnungslosigkeit-in-Koeln-das-sagt-die-Koelner-Linke-148517

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Die Berichterstattung zur Sozialberichterstattung des Landes NRW finden Sie hier:

https://www.report-k.de/Koeln-Nachrichten/Koeln-Nachrichten/Wohnungslosigkeit-steigt-in-Koeln-Koeln-ist-unruehmlicher-Spitzenreiter-in-NRW-148491

https://www.report-k.de/Politik-Nachrichten/Politik-NRW/Mehr-Wohnungslose-in-NRW-im-Jahr-2020-148481

Autor: red