Köln | Die Wahlen zum Oberbürgermeister der Stadt Köln finden unter dem Kommunalwahlgesetz für NRW und der Kommunalwahlordnung statt. Die Bezirksregierung bezweifelt ob die bisher bei Direktwahl und Briefwahl eingesetzten Stimmzettel rechtskonform sind. [report-K berichtete] Jochen Ott will die anderen Kandidaten fragen, ob man unter bestimmten Vorraussetzungen sich darauf verständigen könne, die Wahl nicht anzufechten. Die Initiative „Mehr Demokratie“ fordert einen neuen Wahltermin. 53.000 Kölnerinnen und Kölner haben bereits ihre Stimme abgegeben. Interessant ist, dass es eine Mustergestaltung des Innenministeriums NRW gibt, von der der Kölner Stimmzettel erheblich abweicht. Die Kommunalwahlordnung diesen aber vorschreibt und es im Internet öffentlich für jedermann zugänglich das Muster zum Download gibt. Warum hat Wahlleiterin Agnes Klein den Stimmzettel nicht nach dem Muster gestalten und abgleichen lassen und wer trägt die Verantwortung?


Der Kölner Stimmzettel mit dem bislang bei der Brief- und Direktwahl abgestimmt wurde ist völlig anders gestaltet

Wie muss der Stimmzettel gestaltet sein?

Das Kommunalwahlgesetz des Landes NRW regelt in Paragraf 23 den Stimmzettel, trifft dort aber keine Aussagen zur Gestaltung der Stimmzettel, sondern vor allem in welcher Reihenfolge die Bewerber auf dem Stimmzettel zu erscheinen haben. Aber die Kommunalwahlordnung legt diesen eindeutig fest.

In der Kommunalwahlordnung legt das Ministerium des Inneren die Form und den Inhalt des Stimmzettels fest. Dort heißt es in § 32: „Für die Stimmzettel ist das Muster der Anlage 17 c maßgebend; bei einem Nachweis nach § 30 Satz 2 ist anstelle der Anschrift (Hauptwohnung) die Erreichbarkeitsanschrift anzugeben. Der Stimmzettel muss so groß sein, dass alle Angaben übersichtlich auf ihm erscheinen.“ und in Absatz 6: „Schriftart, Schriftgröße und Kontrast sollen so gewählt werden, dass die Lesbarkeit erleichtert wird. Muster der Stimmzettel werden unverzüglich nach ihrer Fertigstellung den Blindenvereinen, die ihre Bereitschaft zur Herstellung der Stimmzettelschablonen erklärt haben, zur Verfügung gestellt.“  Der Kölner Stimmzettel weicht erheblich von der Mustervorlage des Innenministeriums ab. Dieser kann hier über das Internet abgerufen werden.

Wer kann eine Wahl Einspruch erheben?

Jeder Wahlberechtigte, Parteien und Wählergruppen und die Aufsichtsbehörde, in diesem Fall die Bezirksregierung kann gegen die Gültigkeit der Wahl Einspruch erheben. Also auch jeder der 53.000 Wähler der bislang abgegeben Stimmzettel. Sollten diese etwa alle für ungültig erklärt werden, beziehungsweise stellt sich die Frage, ob eine Wahl überhaupt auf einem, zwar amtlich hergestellten, aber nicht rechtskonformen Stimmzettel erfolgt ist. Wer Einspruch erheben will, der muss dies beim Wahlleiter tun.
Im weiteren Procedere würde dann der Wahlausschuss über den Einspruch entscheiden. Auch hier setzt das Kommunalwahlgesetz enge Grenzen, denn dort heißt es: „Wird festgestellt, daß bei der Vorbereitung der Wahl oder bei der Wahlhandlung Unregelmäßigkeiten vorgekommen sind, die im jeweils vorliegenden Einzelfall auf das Wahlergebnis im Wahlbezirk oder auf die Zuteilung der Sitze aus der Reserveliste von entscheidendem Einfluß gewesen sein können, so ist die Wahl für ungültig zu erklären und dementsprechend eine Wiederholungswahl anzuordnen (§ 42).“ Trifft der Wahlausschuss dann eine Entscheidung kann dagegen geklagt werden. Bei den Bürgermeisterwahlen gilt, abweichend von den Ratswahlen nicht der § 42, sondern § 46 d Anwendung, der besagt, dass eine für ungültig erklärte Bürgermeister- oder Landratswahl, immer eine Neuwahl nach sich zieht.

Initiative „Mehr Demokratie“: Neuer Wahltermin einziger Ausweg

Die Initiative „Mehr Demokratie“ kritisiert die Reaktion der Stadt Köln auf die Bedenken der Bezirksregierung zur Zulässigkeit der Stimmzettel bei der OB-Wahl als inkonsequent. „Wenn die Stimmzettel nicht rechtskonform sind, lassen sich die bisher abgegebenen Briefwahlstimmen nicht retten. Für die restlichen Wähler einfach neue Zettel zu drucken, beschwört Wahlanfechtungen geradezu herauf“, sagt der Jurist Robert Hotstegs, der den Verein in Rechtsfragen berät. Die einzige Lösung sei eine Verschiebung der Wahl, um allen Wählern die Stimmabgabe mit einwandfreien Stimmzetteln zu ermöglichen.
Die Bezirksregierung sieht durch die umstrittenen Stimmzettel die Chancengleichheit der Kandidierenden infrage gestellt. Der Stimmzettel weiche von einer Muster-Vorlage des Innenministeriums „in erheblichem Maß ab, da die Kurzbezeichnung der Partei ca. zweieinhalb Mal so groß wie der Familienname gedruckt“ sei. Damit falle die Kurzbezeichnung der Partei dem Nutzer als erstes ins Auge und erreiche damit einen „Überstrahlungseffekt“, der die sonstigen auf dem Stimmzettel enthaltenen Informationen in den Hintergrund dränge. Amtliche Stimmzettel müssten „so beschaffen sein, dass eine potenzielle Beeinflussung des Wählerwillens zu Gunsten oder zu Ungunsten einzelner Wahlvorschläge ausgeschlossen wird“. Diesem Anspruch genüge der Stimmzettel zur OB-Wahl nicht.

Jochen Ott will Commitment der Kandidaten

SPD-Kandidat Jochen Ott befürwortet ein Commitment aller Kandidaten die Wahl nicht anzufechten. Dann könnten die 53.000 Stimmen gewertet werden und ab sofort mit neu gedruckten rechtskonformen Stimmen abgestimmt werden. Wenn es aber keinen großen Konsens gebe, dann müsse die Wahl verschoben werden. Der jetzt angekündigte Neudruck sei eine gute Lösung.

Sind 53.000 Stimmen ungültig?

Die Frage ist, sind die 53.000 Stimmen ungültig, die bislang auf dem nicht rechtskonformen Stimmzettel abgegeben wurden? Wenn ja, dann würden diese nicht gewertet werden können. Hatten dann aber alle Wahlberechtigten die gleichen Chancen ihren Wählerwillen auszudrücken? Das dürfte fraglich sein. Jetzt könnte die Stadt Köln alle 53.000 Wählerinnen und Wähler noch einmal anschreiben. Aber es gibt sicher einige die dann nicht reagieren könnten, weil sie ja das Mittel der Brief- oder Direktwahl gewählt haben, weil sie am Tage der Wahl nicht in Köln sind. Einige Wähler könnten auch zwischenzeitlich verstorben sein. Und ist das überhaupt noch zu schaffen? Können die Kandidaten durch ein Commitment dies überhaupt so festlegen und was passiert, wenn die Wahl eng ausgeht? Halten sich die Kandidaten dann noch an ihr Versprechen? Und es ist ja nicht ausreichend, dass sich die Kandidaten vereinbaren, da ja jeder Wähler Einspruch erheben kann. Und es geht um das Vertrauen der Bürger. Wer möchte Oberbürgermeister von Köln sein, wenn am Ende 53.000 engagierte Bürgerstimmen gar nicht gezählt würden?

Eine weitere Frage ist, ob es Präzendenzfälle gibt. Dies versucht die Redaktion gerade zu klären. Eine Frage muss dennoch gestellt werden: Wer in der Wahlleitung trägt die Verantwortung dafür, dass bei der Gestaltung des Stimmzettels nicht die Vorlage des Innenministeriums verwendet wurde, die im Internet abrufbar ist? Wie vertrauenswürdig ist eine Wahlleiterin und  Wahlorganisation, die sich nicht an die rechtlichen Vorgaben hält, die öffentlich zugänglich sind, ja diese missachtet?

Autor: Andi Goral
Foto: Diese Mustervorlage zur Erstellung des Stimmzettels bei Kommunalwahlen in NRW ist im Internet abrufbar und sieht völlig anders aus, als die Kölner Stimmzettel