Düsseldorf | Galt das illegale Herunterladen von Liedern und Filmen zu Zeiten von Internettauschbörsen wie Napster oder Kazaa noch als Kavaliersdelikt, hat sich der Wind mittlerweile gedreht. Die betroffenen Industrien gehen entschlossener gegen Raubkopierer vor und wer erwischt wird, muss mit empfindlichen Strafen rechnen. Geschäftstüchtige Juristen haben den Wandel erkannt und für sich einen Markt entdeckt. Die Advokaten konzentrieren sich darauf, bei vermeintlichen Verstößen gegen das Urheberrecht massenhaft Abmahnungen zu verschicken.

Die nordrhein-westfälische Landesregierung sagt dieser „Abmahnabzocke“ nun den Kampf an. In einem Rundumschlag kritisiert Justizminister Thomas Kutschaty (SPD) die Arbeit von Anwälten, die sich auf Abmahnungen im Bezug auf Urheberrechtsverletzungen spezialisiert haben und fordert von der Bundesregierung ein entschiedeneres Vorgehen gegen die „Abmahnindustrie“. Im Kern geht es um den angemessenen Wert von Musiktiteln und Filmen.

„Der Schutz des geistigen Eigentums ist ein wesentlicher Bestandteil unserer Wirtschaftsordnung. Diesen möchte ich in keiner Weise in Frage stellen“, sagt Kutschaty. Allerdings bereiten dem Justizminister die aktuellen Entwicklungen große Sorge. Verbraucher würden von spezialisierten Anwaltskanzleien abgemahnt, weil sie bewusst oder unbewusst Urheberrechtsverstöße begangen haben sollen. „Die vermeintlichen Verstöße haben häufig nur ein geringfügiges Ausmaß, die Anwaltsrechnungen allerdings regelmäßig ein beträchtliches“, kritisiert der Minister. Es entstehe der Eindruck, dass es in vielen Fällen nicht um die Abmahnung als solche gehe, sondern die Gewinnoptimierung von Anwälten.

10.000 Euro für ein Lied

Der Bundesverband der Verbraucherzentralen geht davon aus, dass es allein im Jahr 2011 rund 220.000 Abmahnungen gegeben hat. Die Gesamtforderungen sollen sich auf rund 165 Millionen Euro belaufen. Im Schnitt sollen Verbraucher 800 Euro für eine Abmahnung gezahlt haben. Dem liegt zugrunde, dass die Anwaltskanzleien von einem Streitwert von 10.000 Euro ausgehen – pro Musiktitel.

Solche Summen hält der Justizminister für absolut überzogen. Stattdessen fordert er eine Deckelung bei 500 Euro. „Ich glaube, dass dieser Wert auch dem tatsächlichen wirtschaftlichen Wert eines Musiktitels deutlich näher kommt“, sagt er. Eine Abmahnung käme damit immer noch deutlich teurer, als der legale Kauf. „Insofern würde diese Regelung keinesfalls auf eine Aushöhlung des Urheberrechts hinauslaufen.“ Eine gesetzliche Bestimmung für entsprechend geringfügige und einmalige Urheberrechtsverstöße sei dringend notwendig.

In dem Punkt sieht der Minister die Verbraucher von der Bundesregierung im Stich gelassen. Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) habe zwar erst im Herbst einen Gesetzentwurf angekündigt, der die Abmahnabzocke eindämmen soll. „Doch sie hat nicht geliefert“, beklagt Kutschaty. „Es wird vieles versprochen und nichts gehalten.“ Mit ihrer Untätigkeit mache die Bundesministerin der „Abmahnindustrie“ ein großes Geschenk. „Bezahlen müssen das Geschenk jedoch die Bürgerinnen und Bürger.“

Autor: Christian Wolf, dapd